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Dirty thirty – Hilfe, ich bin jetzt 30!

Darüber, wie schlimm es wirklich ist, als Frau 30 zu werden. Oder eben nicht.

 

Die Uhr tickt. Aber nach meiner Zeitrechnung.

Vor Kurzem hatte ich meinen 30. Geburtstag. Für mich bis dato keine große Sache, es ist schließlich ein Geburtstag wie jeder andere. Runde Geburtstage sind auch nur Geburtstage. Den 18. habe ich auch nur einmal gefeiert. Genauso, wie den 27., den 28. und den 29. (Okay, gut, den feiern manche ihr Leben lang – getreu dem Motto „forever 29“.) Wundervolle Glückwünsche haben mich an diesem 17. Oktober erreicht; viel Liebe, Gesundheit, Glück und Erfolg für mein zukünftiges Leben. Und – und das war neu, auch viele Mitleidsbekundungen. „Mach dir keine Sorgen, es tut nur kurz weh.“ „Du wirst sehen, bald ist es gar nicht mehr schlimm.“ „Hast du dich heulend von deiner 2 verabschiedet?“ Und das Beste war tatsächlich: „Ab jetzt geht’s abwärts.“ Jetzt geht’s abwärts? Ist die „geilste Zeit des Lebens“ echt schon vorbei? Bestimmen ab sofort Falten und graue Haare meinen Beauty-Alltag und kann ich manche Klamotten nicht mehr tragen, weil ich „zu alt“ dafür bin? Bin ich als Frau gezwungen Kinder zu planen, weil es sonst vielleicht zu spät ist? Die Uhr tickt. Ja, richtig, sie tickt – na und?

It’s all about me. And nobody else.

Vielleicht sei so viel vorweggenommen: Ich hatte den wundervollsten Geburtstag meines Lebens und wurde ein ganzes langes Wochenende lang nur überrascht und nach Strich und Faden verwöhnt. Mein Wunsch war es nämlich, statt einer großen Feier auf einen Überraschungs-Kurztrip entführt zu werden. Denn, und das hatte tatsächlich nichts mit der Angst vor der bösen 3 sondern meiner grundsätzlichen Einstellungen gegenüber Geburtstagsfeiern zu tun; ich wollte keine große Fete schmeißen. Ich liebe meine Familie und ich liebe meine Freunde, aber ich wollte an diesem Tag etwas Gutes für mich tun. Denn darum geht es doch eigentlich: Sich selbst zu feiern. Und sind wir mal ehrlich, wenn man eine große Party plant, dann möchte man es jedem recht machen; gutes Essen soll her und leckere, hochwertige Drinks, eine coole Location muss gesucht, eine schöne Deko gezaubert und richtige Einladungen verschickt werden. Man wird schließlich nicht 16, sondern 30. Und dabei vergisst man zu oft das Allerwichtigste an der ganzen Sache: sich selbst! Deshalb lautete meine Devise: wegfahren, um anzukommen! Ich wollte diese „große Sache“ natürlich trotzdem gebührend feiern, 30 wird man dann irgendwie ja doch nur einmal. Aber eben mit Klasse statt Masse. Und zwar mit dem einen wichtigsten Menschen in meinem Leben.

Ein Hoch auf mich. Und das, was mir wichtig ist. Nur das.

Mit diesem Mann an meiner Seite habe ich den besten Fang gemacht. Und das ist keine Übertreibung! Nach einem plumpen „Überrasch mich zum Geburtstag“ ihm gegenüber war ich ehrlich gesagt nicht sicher, ob ich mir überhaupt große Hoffnungen bezüglich des Ziels machen sollte. Tatsächlich hat er es aber nach über sieben Jahren Beziehungen geschafft, mich an diesem langen Geburtstagswochenende mehrfach zu überraschen. So ging es für mich erst für ein paar Tage nach Venedig (als riesiger Italien-Fan war es schon so lange mein Wunsch, dort hinzufahren!), das magische Flair der großen Serenissima genießen. Dort stand plötzlich einer meiner besten Freunde im Restaurant, um mit mir anzustoßen. Tizi hatte ich seit zwei Jahren nicht gesehen, er lebt mittlerweile in Florenz und wollte es sich nicht nehmen lassen, uns als alter Veneziano seine ehemalige Heimat zu zeigen. Mit einem Local, wenn er noch dazu einer deiner besten Freunde ist, macht ein Städtetrip sowieso gleich doppelt so viel Spaß. Als ich dem bezaubernden Venedig mehr und mehr verfallen war, musste ich plötzlich meine Koffer packen. Und so feierte ich meinen Geburtstag letztlich in der Suite eines Wellnesshotels in Südtirol. Mit einer eigenen Sauna und freistehenden Badewanne im Zimmer, einem ungestörten Weitblick in die Natur, einer Massage, einem eleganten Galadinner und dem Mann an meiner Seite, für den ich in diesem Moment wirklich das Wichtigste war. Denn darum geht es doch am Geburtstag: einmal im Jahr ganz unverblümt sagen zu können: Ein Hoch auf mich! Auf meine Vergangenheit, auf das Heute und auf meine Zukunft.

20 ist das neue 30? Hoffentlich nicht!

Als ich zwei Tage später tiefenentspannt und glückselig das paradiesische Luxushotel verlassen musste und auf der fünfstündigen Autofahrt in aller Ruhe meine Glückwunsch-(Sprach-)Nachrichten abgehört und gelesen habe, war ich doch ein bisschen entsetzt, wie viele mich bemitleidet haben. Ein Post auf meiner Facebook-Wall lieferte dann den Anstoß, die letzten Geburtstage und Jahre Revue passieren zu lassen. Denn vor zehn Jahren habe ich mit Freunden zu meinem 20. Geburtstag in Australien Sydney unsicher gemacht. „Mensch, Miri, was haben wir damals gefeiert.“ – Das klang ein bisschen so, als wären wir jetzt, zehn Jahre später, nicht mehr in der Lage, richtig zu feiern. Ich erinnere mich noch gut an diese Nacht. Wir hatten unser Abi frisch in der Tasche, sind zum ersten Mal ausgeschwärmt in die große Welt und waren an meinem Geburtstag gerade einmal vier Tage Down Under. Fünf schwäbische Landeier auf der anderen Seite des Erdballs: es war das Abenteuer unseres Lebens und in dieser Nacht waren wir alle Geburtstagskinder! Gefeiert haben wir in einer versifften Bar und irgendwann in einem Stripschuppen im Rotlichtviertel Kingscross, denn auch in einer Weltmetropole findet sich montags nachts irgendwann keine stylische Bar mehr zu bezahlbaren Preisen, wir waren schließlich Backpacker. Am nächsten Tag befand ich, dass dies der coolste Geburtstag ever war. War er damals auch. Heute finde ich das nicht mehr. Denn man verändert sich und Wünsche und Ansprüche verlagern sich.

Erwachsen heißt wachsen. Über sich hinaus.

Manchmal ist Erwachsenwerden gar nicht so verkehrt, denn es bedeutet aus Erfahrungen, Fehlern und Erfolgen zu lernen, Dinge bereits ausprobiert, einen echten Charakter und eine eigene Persönlichkeit entwickelt zu haben. Heute weiß ich, was mag, was ich gut finde und was mir guttut. Ich handle eigenständig, unabhängig von Trends oder danach, was gerade cool ist. Ich muss das Wochenende nicht mehr bis in die Puppen Party machen, weil ich sonst etwas verpassen könnte oder das hässliche It-Piece tragen, das mir überhaupt nicht steht; nur, weil es alle tun. Und ich weiß, dass ich den letzten Drink weglassen und mir ein Wasser bestellen kann, ohne eine Spielverderberin zu sein. Heute habe ich dafür am nächsten Tag nicht den Kater meines Lebens und muss den Sonntag mit Aspirin-Rationen für eine halbe Fußballmannschaft im Bett verbringen. Ich kann getrost auch einfach mal Nein sagen und mich von Menschen lösen, die mir nicht guttun. Freunde reduzieren sich mit den Jahren. Neue kommen dazu. Und das ist auch gut so. Denn es geht, wie bei so vielem im Leben nicht darum, viele davon zu haben, sondern die richtigen!

All I want….And only this.

Ich bereue nichts in meinem Leben. Keine Entscheidung, keine Handlung und keinen Menschen, mit dem ich irgendwelche Erfahrungen gesammelt und geteilt habe. Ich habe nicht das Gefühl, etwas besser nicht getan zu haben oder auf der anderen Seite etwas verpasst zu haben, für das es nun zu spät wäre. Was ich mir in der Vergangenheit vorgenommen oder gewünscht habe, habe ich wahrgemacht. Jedes Erlebnis, jede Erfahrung hat mich reicher gemacht und zu dem, was ich nun bin. Ich habe ein erfolgreiches Studium mit diversen Auslandsaufenthalten hinter mir, habe einen tollen Job, die besten Freunde und eine ganz wunderbare Familie an meiner Seite und werde im nächsten Jahr den Mann meines Lebens heiraten. Ich möchte noch viel von dieser Welt sehen, möchte reisen, neue Kulturen kennenlernen, interessante Menschen treffen, neue Freundschaften schließen, mir ein kuschliges Eigenheim zulegen und vielleicht auch irgendwann mal Kinder kriegen. Und zwar nicht, weil es andere erwarten, sondern dann und weil ich es will.

Do more of what makes you happy. Only you.

Jeder ist seines eigenen Glückes Schmied. Denn Glück ist eine Einstellung; zum Leben und zu euch selbst.  Tut, was euch guttut, lasst alles andere bleiben und lebt euer Leben zu jedem Zeitpunkt genauso, wie ihr es wollt! Denn sonst tut nicht nur die 30 weh, sondern alle Jahre, die man für anderes vergeudet hat.

Und wenn ich nächstes Wochenende doch bis in die Puppen feiern gehen will, mir den letzten Drink reinpfeife und einen fiesen Kater riskiere, dann mach ich das – auch mit 30. Nur eben ein bisschen anders als früher. Denn wenn ich eins gelernt habe in den letzten Jahren: „Life is too short for bad drinks!“
In diesem Sinne: Ein Hoch auf mich! Ein Hoch auf die letzten 30 Jahren! Und all die weiteren, die noch kommen werden.

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