Als unsere Tochter sich heute im Supermarkt in der Quengel-Zone einen Schokoriegel schnappen wollte und ich ihr dies verbot, beschwerte sie sich. Als ich dann aber ein Fingerspiel mit ihr spielte, war der Schokoriegel binnen Sekunden vergessen. Ich atmete durch und sendete ein kurzes Stoßgebet gen Himmel mit dem Dank, dass sie ein solches Fähnchen im Wind ist.
Generell ist es (fast) immerzu möglich und meistens auch leicht, sie abzulenken. Sie ist nicht beharrlich, sie ist nicht verbissen oder verfolgt zielstrebig ihren Wunsch. Demzufolge bleibt sie auch nicht lange bei einer Sache und ihr Geist ist sehr sprunghaft. Alles Eigenschaften, die in unserer Leistungsgesellschaft nicht gerne gesehen werden. Doch ich finde sie genau richtig, wie sie ist und freue mich für sie um diese Eigenschaft. Weiß ich doch, dass diese Eigenschaft das Leben um vieles leichter machen kann.
Menschen, die zielstrebig ihr Leben beschreiten, werden sicher an ihr Ziel kommen. Doch kann man seine Ziele nicht auch über andere Wege erreichen? Und überhaupt: ist es solch eine schlechte Eigenschaft, sein Ziel auch mal über’n Häufen zu werfen und sich einfach ein neues Ziel zu suchen?
Ein Fähnchen im Wind zu sein, bedeutet, seine Bestrebungen, seine Wünsche und auch seine Meinungen ändern und anpassen zu können. Es bedeutet, flexibel auf seine Umwelt zu reagieren. Damit kann auch einem das Schicksal ereilen, niemals ein bestimmtes Ziel erreicht zu haben. Aber wenn ich auf dem Weg dorthin viele einzelne Zwischenziele als lohnenswerter erachtet habe, habe ich vielleicht genau das richtige Ziel gefunden.
Wenn ich mir überlege, welche Meinungen und welches Weltbild ich vor 10 Jahren hatte, bin ich unglaublich froh und dankbar, nicht beharrlich und verbissen zu sein, sondern mit vom Fluss des Lebens leiten zu lassen.
Ich bin froh, dass unsere Tochter jetzt schon die Vielfalt des Lebens zu schätzen weiß und ich wünsche ihr, dass sie das nie verlieren wird. Denn so bekommt sie zwar keinen Schokoriegel, aber dafür Momente, in denen sie sich vor Lachen nicht mehr halten kann, weil dieser kleine Mann, der ihre Arme hochklettert einfach zu witzig ist, wie er an ihren Ohren klingelt.
Und hätten wir diese Eigenschaft in unserem Leben verloren, würden wir heute nicht hier sitzen und abends den Sonnenuntergang über dem Pazifik verpassen.
Mit Sand zwischen den Zehen, dem salzigen Wind, der uns um die Ohren weht, dem Rauschen der gigantischen Wellen des Pazifiks und dem Gefühl, dass dieses Leben so reichhaltig ist und wir nur einen klitzekleinen Sandkorn davon bisher kennenlernen durften.
Ich kuschel mich in meine Decke, schließe die Augen und lasse mich tragen.
Weil ich ein Fähnchen bin, das vom tosenden Wind am Strand umhergebeutelt wird.