Wie funktioniert eine Beziehung, in der für die Partner die eigene Freiheit der wichtigste Wert ist? Unsere Gastautorin beschreibt in einem Liebesbrief an ihren Partner eine ungewöhnliche Liebe.
Ein Liebesbrief an dich
Mit dir, das fing mit einer Zigarette an. Du spieltest auf der Bühne und ich fand dich eigentlich nur spannend wegen deiner Größe und weil du Hosenträger trugst. Nach deinem Konzert sind wir uns nur zufällig in die Arme gelaufen. Es war ein paar Zigaretten später, als wir in meinem Bett lagen. Wir haben geredet und dann auch miteinander geschlafen. Als du dich am nächsten Tag verabschiedet hast, warst du vor allem ein schönes Erlebnis für mich.
Dass wir uns nach ein paar Monaten wieder gesehen haben, war alles gar nicht geplant. Und ich habe dich wieder genossen. Aber verlieben konnte ich mich nicht in dich. Du hast keinen Hehl daraus gemacht, dass du frei sein wolltest. Damals war das für mich nicht attraktiv. Damals empfand ich diese Eigenschaft von dir als feige.
Von zwei Welten
Ich erinnere mich, wie ich eines Abends bei dir in der Küche saß. Du hast mir aus Osho vorgelesen, der schreibt, dass Beziehungen eigentlich Missbrauch aneinander seien. Denn Liebe habe nichts mit Verpflichtungen zu tun, Liebe sei ja einfach. Und Beziehungen seien Sklaverei, auch wenn sie von beiden gewollt sei. Diese Sätze haben mich fast wütend gemacht. Ich war ja nicht vorbereitet. Ich hatte vor dir nur eine Beziehung, und diese basierte eigentlich auf diesem „sich brauchen“. Aber schließlich war ich es ja, die diese Beziehung damals beendet hatte. Weil ich meinen Freund nicht mehr gebraucht habe und ich nicht mehr gebraucht werden wollte.
Und du. Du hast vollkommen neue Gedanken angestoßen. Eigentlich hätte ich von mir erwartet, dass ich wegrenne vor dir. Ich hätte mich nicht auf etwas einlassen wollen, was mir Angst macht im Herzen. Und Angst gemacht hat mir vieles an dir. Dass du überhaupt nichts Verbindliches möchtest, nur in den Tag hinein leben willst. Doch da war ja auch diese wunderschöne Haltung zur Liebe. Und mit ihr kamen ja auch diese Fragen auf: Wie weit geht Liebe? Eine Liebe, die allein auf dem beruht, was Menschen im Hier und Jetzt verbindet. In der Freiheit, jederzeit gehen zu können.
Ich habe auch verstanden, dass sich Menschen im Namen der Liebe allerlei Versprechungen machen. Und wie leer diese Versprechungen sein können, denn häufig genug gehen die Verbindungen ja doch auseinander. Und die Freiheit, zu gehen, besteht ja ohnehin immer. Wäre es da nicht ehrlicher, schöner, einfach die Liebe sein zu lassen, sie eben nicht an Erwartungen zu knüpfen?
Es war anfangs die Neugier
Die Neugier hat mich befähigt, mich auf dich einzulassen. Da war auch diese Anziehung, die darauf beruht, dass du vollkommen Neues in mein Leben gebracht hast, so konträr zu den Vorstellungen, mit denen ich aufgewachsen bin. Aber es war meine Entscheidung, mich auf deinen Weg einzulassen. Ich habe deine Gedanken an mich herangelassen, weil ich wollte.
Ganz am Anfang waren wir fest zusammen, in einer monogamen Beziehung sogar. Aber das war irgendwie zu viel Druck für dich. Du hast dich nicht mehr frei gefühlt, schon allein deswegen, weil wir einander Freund und Freundin waren. Du dachtest, dass du allein deshalb eine bestimmte Rolle erfüllen müsstest.
Also bin ich deinen Weg mitgegangen und habe mich deiner Ehrlichkeit ausgesetzt. Wie oft hatte ich da mit meinen Gefühlen zu tun! Das hat damit angefangen, dass ich es komisch fand, dass du mich so gar nicht brauchst. Und richtig beschissen habe ich mich gefühlt, als du mir erzähltest, dass du mit anderen Frauen schläfst. Ich habe das als persönliche Zurückweisung aufgefasst. Eifersucht ist ein schlimmes Gefühl. Es kann das Herz vergiften und den Blick verstellen, auf das, was eigentlich zählt. Aber mit der Zeit habe ich auch verstehen gelernt, dass deine Verbindungen mit anderen Menschen rein gar nichts mit mir zu tun haben. Nur weil du in meinem Herzen mehr Platz einnimmst, mich mehr meiner Gedanken auch mit dir beschäftigen, muss für dich nicht das gleiche gelten.
Ein ständiges Lernen über das Loslassen
Ich habe mir Beziehungen von Freunden angeschaut, die ihre Liebe auch mit Worten, Monogamie, mit Tradition, mit Verbindlichkeit und gemeinsamen Plänen zelebrieren und festigen. Ehrlich: In dunklen Momenten war ich fast wütend, dass du mir das nicht geben wolltest. Aber wie fad wäre es gewesen, wenn du es mir zuliebe getan hättest. Natürlich hätten deine Worte und Versprechungen mein Herz viel leichter gemacht, aber es wären wohl Floskeln gewesen.
Ab und zu wollte ich von dir wissen, ob du mich liebst. Ich habe aber verstehen gelernt, dass es gar nicht so sehr darauf ankommt, dass ich wisse, wie du zu mir stehst. Es kommt darauf an, dass ich Liebe in mir trage. Damit habe ich mich auch verabschiedet von dieser Vorstellung, was Liebe zu sein hat. Es gibt absolut keine Regeln dafür. Es ist schön, wenn ich dich sehe, wenn wir beisammen sind. Es ist auch schön, wenn wir ab und zu gemeinsame Vorstellungen haben. Aber ich kann nichts tun, wenn das nicht so ist. Es ist ein ständiges Lernen über das Loslassen.
In diesen letzten Jahren mit dir habe ich eine unglaubliche Verbindung zu mir selbst aufgebaut. Einfach dadurch, weil du in so vielen Momenten überfordert warst mit mir und ich von dir absolut gar nichts erwarten durfte. Ich versuche deshalb viel besser als früher für mich selbst zu sorgen. Ich habe verstanden, dass du mein Leben höchstens bereichern kannst. Aber niemals könnte ich von dir erwarten, mich glücklich zu machen. Es hätte nichts mit Liebe zu tun.
Ich will der Liebe vertrauen
Was uns verbindet, ist stets die Ehrlichkeit miteinander. Wenn wir an Punkte geraten sind, an denen etwas zwischen uns stand, haben wir immer miteinander gesprochen. Da kam alles auf den Tisch. Die Gespräche waschen alle Erwartungen ab. Wir sitzen dann wie nackt voreinander. Mir kann das wehtun, aber es ist wenigstens ehrlich. Mittlerweile denke ich auch, dass ich ohne diese Ehrlichkeit nicht mehr leben möchte.
Es sind nun sechs Jahre mit dir und ich denke auch mal über Familie nach. Ich habe es dir gesagt. Immer wieder auch, weil ich dich provozieren wollte. Weil ich dann doch nicht loslassen kann von dem Wunsch, ein klares „Ja“ oder „Nein“ zu bekommen. Unsere Verbindung hat das in letzter Zeit sehr schwierig gemacht. Ich habe uns damit zugesetzt, weil ich Dinge von dir wissen wollte, die du jetzt für dich noch gar nicht wissen kannst. Du möchtest einfach wachsen wie ein Baum.
Du hast dich zurückgezogen und ich ertappe mich dabei, wie ich auch wütend auf dich bin, weil du ganz offensichtlich angstgetrieben handelst, ja auch Angst vor der Verantwortung hast oder den Clinch nicht aushältst. Ich halte dich für egoistisch. Aber das ist ja nicht sehr liebevoll.
Es wäre auch nicht liebevoll, wenn wir jetzt aufgeben, was in sechs Jahren entstanden ist. Aber soll ich jetzt Angst davor haben, dass du Angst hast? Soll ich jetzt meine Erwartungen regieren lassen? Dann hätte ich ja nichts gelernt. Unsere Verbindung soll nicht Angst sein, sondern ehrliche Liebe in Freiheit. Es wäre schön, wenn wir zusammenfinden wie beim allerersten Mal. Aber ich habe keine Ahnung. Ich will der Liebe vertrauen.
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