Marcel nimmt zum zweiten Mal ein Jahr Elternzeit – Beobachtungen, Gedanken und Wünsche eines Vaters mitten in einer mütterdominierten Lebenswelt.
Als Vater in der Außenseiterrolle
Ich bin eine Ausnahme. Leider. Gerade befinde ich mich als Vater im Endspurt meiner zweiten Elternzeit. Wie schon bei meiner ersten Tochter unterbreche ich meine Arbeit als Projektmanager in einer Digitalagentur und bleibe mehr als ein Jahr für die Kinder zu Hause. Meine Frau kehrte jeweils drei Monate nach den Geburten Vollzeit in ihren Job als Kreativdirektorin zurück.
Die erste Frage ist immer, warum wir das so machen. Schon witzig, dass man sich sofort rechtfertigen muss, wenn man mal was jenseits der geltenden Norm macht. Ich wollte das machen, meine Frau wollte wieder zurück in den Job, so war das zwischen uns schnell geklärt. Es soll nicht unerwähnt bleiben, dass meine Frau mehr verdient, aber das war nicht der ausschlaggebende Grund. Familie und Freunde fanden unsere Entscheidung gut, niemand wollte uns umstimmen.
Ein Vater allein unter Müttern
Nun brach ich also wie ein Fremdkörper ein in diese Frauen-, pardon, Mütterdomäne. So richtig angekommen, beziehungsweise als gleichwertiges Mitglied dieser Community der Mütter, fühle ich mich auch nach all den Jahren in dieser Welt nicht. Woran das liegt, kann ich bis heute nicht verstehen. Interessanterweise bekomme ich dennoch die meiste Anerkennung für meine Entscheidung in Elternzeit zu gehen, von Frauen, insbesondere von Müttern.
Männer halten sich da zurück. Warum eigentlich? Es liegt wohl nicht daran, dass Männer eher schweigsamer sind. Vielmehr geht es darum, das Thema „Mann bleibt zu Hause“ zu meiden. Auf die Frage, warum sie es nicht machen (würden), kommen meist die gleichen Antworten. „Meine Partnerin will das machen, ich habe den besseren Job, ich nehme doch auch zwei Monate Elternzeit“. Es scheint so, als würde sich die Mehrzahl der Paare überhaupt nicht ernsthaft damit auseinanderzusetzen, ob der Mann einen größeren oder gar die ganze Elternzeit übernimmt.
Mütter mit größerer Anerkennung
Viele Väter gehen inzwischen, meist für zwei Monate, in Elternzeit. Das ist gut. Aber die Art und Weise, wie diese Zeit von Eltern genutzt wird, trägt leider allzu oft nicht zum besseren Verständnis der Rolle des Daheimgebliebenen bei. Viele gehen in der gemeinsamen Elternzeit auf Reisen. Dass Paare diese freie Zeit mit dem Baby dafür nutzen, ist verständlich und nachvollziehbar. Aber das Reisen mit Kind stellt eine Ausnahmesituation dar, die eben nicht viel mit dem Alltag mit Baby zu Hause zu tun hat. Ein Vater kann auf diese Weise nicht verstehen, wie es der Frau zuhause in ihrem Alltag mit Kind ergeht. Da reicht es eben auch nicht, mal einen Tag das Kind „zu übernehmen“.
Es ist nämlich die vollkommen fremdbestimmte Monotonie der Elternzeit, bestehend aus Baby rumtragen, Baby trösten, Baby füttern, Windeln wechseln, Schlafmangel, unzählbaren Drogerie- und Supermarktbesuchen, aufräumen und Haushalt machen, die dich geistig und körperlich oft an den Rande des Wahnsinns treiben. Elternzeit ist ein Knochenjob, ob als Frau oder als Mann. Ich verstehe absolut nicht, warum dieser Job immer noch so wenig Anerkennung erhält, gar teilweise (gefühlt) belächelt wird.
Elternzeit ist ein Knochenjob, aber ein lohnenswerter
In diesen Jahren habe ich die verschiedensten Mütter- und Vätertypen getroffen. Zum Glück gibt es sie auch, die „neuen“ Mütter und Väter. Mütter, die ihre Männer auch mal lassen, ihnen das mit dem Kind zutrauen und beim Vater auch Zeit für sich und/oder ihre Karriere einfordern. Väter, die möglichst viel Zeit mit ihrem Kind verbringen, dafür auch bereit sind, weniger Zeit im Job zu verbringen und in der Lage sind, ihr Kind ins Bett zu bringen. Mütter, die sich bewusst sind, dass sie ihre langjährig und mühsam aufgebaute Karriere nicht zwangsläufig an den Nagel hängen müssen. Aber es sind eben noch viel zu wenige.
Diesen Weg zu gehen ist leider gerade in Deutschland immer noch nicht einfach. Zwar brüsten sich mehr und mehr Unternehmen mit ihrer Familienfreundlichkeit. Da gibt es aber noch viel Luft nach oben, bis Familien in ihrem Alltag tatsächlich ausreichend Unterstützung seitens der Arbeitgeber erhalten. Auch begreifen die Arbeitgeber allzu oft nicht, dass die Elternzeit eine optimale berufliche Fortbildungsmaßnahme ist. Denn als Vater beziehungsweise Mutter eines Babys lernst du Organisieren, Ressourcen zu planen, Prozesse zu optimieren, Prioritäten zu setzen, Folgen abzuschätzen und noch viel mehr. In diesem Kontext sind die Geschichten von Kündigungen direkt im Anschluss an die genommene Elternzeit unfassbar.
Elternzeit ist die optimale Weiterbildung
Natürlich freue ich mich über Anerkennung für meine Entscheidung, zu Hause zu bleiben. Ich weiß aber auch, dass so viele Mütter das gleiche leisten wie ich, es bei ihnen aber als selbstverständlich hingenommen wird. Auch die Mütter, die ihre Männer die Elternzeit „übernehmen“ lassen, verdienen den größten Respekt. Denn sie verzichten darauf, in dieser spannenden Entwicklungspahse bei ihren Kindern zu sein und übernehmen zusätzlich die Rolle des Familienernährers. Aber auch wenn die Frauen den Mut aufbringen, diesen Weg zu gehen, bekommen sie dafür von ihrem Umfeld oft nur Unverständnis entgegengebracht. Das muss sich ändern. Mittlerweile konnte man ja schon oft lesen, dass es nur im Deutschen den Begriff der “Rabenmutter” geben soll.
Mit meiner Erfahrung kann ich allen nur mitgeben, dass sich diese Zeit sehr lohnt, auch wenn sie mühsam ist. Diese Chance, eine solch intensive Zeit mit deinem Baby, das einmal dein großes Kind sein wird, zu erleben, gibt es selten. Daher sollten idealerweise beide Elternteile diese Chance bekommen.
Also, liebe Frauen, vergesst nicht an euch selbst zu denken, ihr seid gut ausgebildet, traut euren Männern das Kinderversorgen zu. Männer, fordert, ein Vater eurer Kinder sein, unterstützt eure Frau in ihrer Karriere, oft habt ihr die Chance auf eine so intensive Zeit mit eurem Kind nicht.
Denn ich will keine Ausnahme mehr sein.
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