Foto: Parvaneh Javadi Photography

Die Emanzipation beginnt auf dem Basar

Früher arbeiteten auf dem Basar von Teheran nur Männer, heute findet man dort immer mehr Frauen. Der Umbruch verändert nicht nur den Basar.

 

Ein Land voller Kontraste

Der heutige Iran ist ein Land voller Gegensätze. Ein Land, das allzu oft von den Medien dämonisiert wird. Ein Land, in dem Frauen ein Kopftuch tragen müssen, ob sie wollen oder nicht. Ein Land, in dem trotz eines gesetzlichen Alkoholverbots ausgiebig gefeiert wird. Ein Land, in dem Bildung hoch geschätzt wird, aber in dem es keine Schulpflicht gibt. Es gibt viele Perspektiven, aus der man das einstige Persien heute betrachten kann, man muss sich nur für eine entscheiden.

Mitten in der Hauptstadt der islamischen Republik liegt der Teheraner Basar. Er ist der Größte seiner Art weltweit; wenn man ihn abläuft, ist man ganze zehn Kilometer unterwegs. Ein Ort, an dem das laute Geschrei, die Masse an Schweiß und freigesetzten Stresshormone vergleichbar ist, mit dem tagtäglichen Geschehen an der Wall Street. Gehandelt wird mit allem: von antikem Geschirr, Kunstwerken, Tieren sowie traditioneller und moderner Kleidung über die berühmt berüchtigten Perserteppiche, Plastikspielzeug „Made in China“, bis hin zu internationalen Währungen. Von der miserablen Wirtschaftslage kriegt man hier nicht viel zu spüren, bis zu dem Moment, an dem man sich die Preise näher anschaut. Boomen tun die Geschäfte zwar nicht, doch wer hier einen Laden besitzt, fährt mit dem Benz nachhause, so heißt es in Teheran.

Immer mehr Frauen arbeiten als Verkäuferinnen

Seit einigen Jahren entwickelt sich hier ein etwas Neues. Die ursprünglich von männlicher Präsenz dominierten Läden in den Korridoren des Basars, füllen sich langsam auf mit Frauen hinter den Tresen. Im Wirrwarr von Touristen und gestressten Iranern auf Shoppingtour, finden sich immer mehr Verkäuferinnen. Ein Bild, das es vor gut 30 Jahren – kurz nach der islamischen Revolution – so nicht zu sehen gegeben hätte.Traditionsgemäß ist der Handel bei den Persern, so wie bei vielen anderen Völkern der Welt, eine eher männliche Aufgabe. Zudem genießen Kaufmänner im Iran nicht gerade den besten Ruf. Wer Wirtschaft studiert, genießt kein großes Ansehen. Begabte Leute studieren hier Medizin oder Ingenieurswesen.

Die Zunahme von Frauen im Basar ist auch deshalb bedeutsam, denn mit ihnen wandeln sich Verkaufsangebot und Kundschaft. Shayesteh (42) ist eine von den Iranerinnen, die sogar einen eigenen Laden besitzt und dort Damenunterwäsche verkauft. Der Laden gehörte ihrem Vater, der hier früher alte persische Süßwaren verkauft hat. Nach seinem Tod erbte Shayesteh seinen Laden, da es in der Familie keinen Sohn gab. Seit ihrer Übernahme und nach einer großen Umstrukturierung verkauft Sie hier nun BHs und sonstige Unterwäsche. „Es ist eine wahre Marktlücke auf dem Basar. Es gibt hier zwar schon lange Geschäfte, die Damenunterwäsche verkaufen, doch jede Frau weiß wie unangenehm es ist, wenn man sich einen BH aussuchen möchte, und sich dann von einem Mann beraten lassen muss. In meinem Geschäft arbeiten nur Frauen und es kommen auch nur Frauen hierher. Sie fühlen sich wohl und kaufen gern hier ein. Ich fühle mich auch wohl.” Ihr Geschäft ist umgeben von verschiedenen Verkaufsständen. Links von ihr ist ein Spielzeugwarengeschäft und rechts von ihr fängt die Goldmeile an. „Ich werde von allen Nachbarsgeschäften respektiert und geachtet. Das war von Anfang an so, da ich das Glück hatte den guten Ruf meines Vaters zu genießen. Aber auch andere Geschäftsfrauen werden hier geschätzt. Vor langer Zeit hatten es die Frauen hier schwer im Basar zu überleben. Man ging leicht unter in der Masse an Männern. Doch mittlerweile sind wir so viele und wir unterstützen uns gegenseitig, trotz Konkurrenz .“

Ein Geschäft für Damenunterwäsche auf einem iranischen Basar.
(Quelle: Franco Pecchio I Flickr I CC BY 2.0)

Mit dem Handel wächst das Selbstbewusstsein

Und tatsächlich ziehen die Frauen hinter dem Tresen auch mehr weibliche Kundschaft an. Von der weiblichen Scham und Schüchternheit, die man bei Iranerinnen oft beobachtet, ist bei Shayesteh und ihren Kolleginnen im Arbeitsleben nicht mehr viel übrig. Es wird hemmungslos gehandelt, egal ob männliche oder weibliche Kundschaft. „Wir Perser beherrschen die Handlungsstrategien, wie kein anderes Volk auf der Welt“, sagt Shayesteh, „Als Kind hab ich meinem Vater oft zugeschaut und viel von seiner Menschenkenntnis gelernt. Als Frau musste ich mir aber zusätzlichen Mut anwachsen lassen, um hier erfolgreich zu sein. Mut, um mich einem jahrelang von Männern dominierten Wirtschaftssystem zu stellen. Wenn du das als Frau nicht schaffst, gehst du hier schnell unter.“

Die zunehmende Anzahl an Frauen auf dem Teheraner Bazar ist nicht nur bemerkenswert, da sie für die traditionelle berufliche Rollenverteilung einen Umbruch bedeutet. Sie ist zugleich ein Zeichen der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Emanzipierung von iranischen Frauen. Ein Wandel, den viele der Frauen gar nicht aktiv wahrnehmen. Es wirkt selbstverständlich, die Frauen wirken vereint. Eine neue Generation, die Schritte nach vorne wagt ohne nach hinten zu schauen und zu sehr an mögliche Hindernisse und Gefahren zu denken. Eine Generation, die ihr Leben selbst in die Hand nimmt und selbst die Grenzen des größten Basars bald hinter sich lassen wird. 

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