Klassistische Urteile sind schlimmer als Fast Food, findet unsere Autorin. Sie fordert: Hört endlich auf, Menschen zu verurteilen, die bei Fast-Food-Ketten essen.
McDonald’s macht fett und doof – daher auch McDoof. Wer dort isst, legt keinen Wert auf die eigene Gesundheit, eine gepflegte Esskultur oder auf die Umwelt – soweit die Klischees. Richtig? Falsch! Essen ist ein Zeichen von Wohlstand und Macht. Die Frage, ob Fast-Food-Restaurant oder hipper Burger-Laden stellt sich für bestimmte Bevölkerungsgruppen nicht.
Manche Menschen mit wenig Geld essen bei Fast-Food-Ketten, weil sie sich keine teuren Restaurants leisten können – und werden dafür verspottet. Doch ungleiche Löhne spiegeln sich auch auf dem Esstisch wider. Auch wenn Lebensmittel in Deutschland vergleichsweise günstig sind und die Preise nur knapp über dem EU-Durchschnitt liegen, hat Deutschland gleichzeitig einen der größten Niedriglohnsektoren der EU.
„Restaurants sind Orte, an denen sich soziale Diskriminierung beobachten lässt, in der Küche und am Tisch.“
Mehr als ein Fünftel aller Beschäftigten arbeitete 2018 im Niedriglohnsektor. Das sind Löhne, die kaum zum Leben reichen, weniger als 11,40 Euro pro Stunde – brutto. So wird der Klassenkampf auch auf dem Teller ausgetragen. Auswärts essen ist ein Privileg der Mittelklasse und der Reichen. Also hört endlich auf, Menschen dafür zu verurteilen, dass sie bei Fast-Food-Ketten essen.
Ein Ort für alle
Restaurants sind Orte, an denen sich soziale Diskriminierung beobachten lässt, in der Küche und am Tisch. Während manche Restaurants mit ihrem Erscheinungsbild, dem Dresscode und ihrer Esskultur nur bestimmte Menschen ansprechen und andere ausgrenzen, haben Schnellrestaurants keine Hürden.
Wie spricht man dieses Gericht aus, welches Getränk wähle ich dazu? Diese Fragen stellen sich hier nicht: Das Essen wird auf Erklärtafeln in Bildern abgedruckt, die Kund*innen werden ohne Verachtung durch die Bestellung geführt: Hier essen oder zum Mitnehmen? Noch ein Getränk dazu?
Es sind amerikanische Firmen wie McDonald’s, die als Arbeitgeber*in in den 1990er Jahren mit dem Diversity Management den Vielfaltsgedanken in die Bundesrepublik brachten. In den USA hatten es Bürgerrechts-, Homosexuellen- und Frauenbewegungen bereits in den 1950er- und 1960er-Jahren geschafft, die Forderung nach mehr Vielfalt im Gesetz zu verankern.
Auch wenn sie sich nicht von diskriminierenden Strukturen und Ungerechtigkeiten freisprechen können, sind Schnellrestaurants häufig die Arbeitgeber*innen, die Menschen unterschiedlicher sozialer Herkunft und Hintergründe Arbeitsplätze und Führungspositionen bieten, die sonst auf dem Arbeitsmarkt diskriminiert werden.
„Es sind Orte der Jugendkultur und Freitagabende auf dem Parkplatz unter dem fluoreszierenden Licht des goldenen M’s.“
In Orten, die nur aus einer Hauptstraße und Tankstelle bestehen und es keine Bars, Jugendzentren oder Kinos gibt, sind Fast-Food-Ketten außerdem nicht nur ein Ort für Essen, das sich mehr Menschen leisten können, sondern auch der Hotspot für Jugendkultur und Freitagabende auf dem Parkplatz unter dem fluoreszierenden Licht des goldenen M’s. Free Wifi inklusive.
Unten und oben
Lange Zeit wurde Fast Food als Feinkost stilloser Kulturbanaus*innen abgetan. Spätestens seitdem die Marke Moschino die McDonald’s-Pommes zu Handyhüllen formte und das McDonald’s-M zum Fashionstatement erhob, sollten wir merken, dass mit unserem System etwas nicht stimmt: Das Logo wird von Menschen getragen, die sich für ihre teuren Klamotten und Accessoires feiern lassen, während sie als Fett-Phobiker und Clean-Eater dafür sorgen, dass andere Menschen sich dafür schämen müssen, Fast Food bei Ketten wie McDonald’s zu essen.
Fast Food geht auf Kosten des Tierwohls und in Mengen auch auf Kosten der Gesundheit, all das kann man doof finden. Aber wer deshalb nicht höhere Löhne fordert, sondern den Untergang des Fast Foods sehen will, die*der braucht einen Realitätscheck und verwechselt ihre*seine Privilegien mit einer Apfeltasche von McDonald’s. Die kann man beim Drive-in abholen und ist weg, wenn man sie aufgegessen hat – sogar die Pappverpackung verrottet. Privilegien hingegen kriegt man nicht auf Bestellung durch die Gegensprechanlage – man hat sie, oder eben nicht und sie gehen nicht weg, nur weil wir sie nicht sehen wollen.