Warum sollten wir uns im 21. Jahrhundert und dem 100. Geburtstag des Frauenwahlrechtes in Deutschland noch immer mit Fragen nach beruflicher Gleichbehandlung beschäftigen? Ganz einfach, weil Frauen noch immer auf allen Leitungsebenen deutlich unterrepräsentiert sind.
Frauen in deutschen Vorständen: allein auf weiter Flur
Folgende Zahlen verdeutlichen das Dilemma: Der Anteil von Managerinnen in den Führungsgremien börsennotierter Unternehmen stieg zum 1. Januar 2018 auf 7,3 Prozent (Vorjahr 6,5 Prozent). In den 160 Unternehmen der Börsenindizes Dax, MDax, SDax und TecDax gab es erstmals insgesamt 50 Frauen im Vorstand – ihnen saßen insgesamt 636 Männer gegenüber. Schaut man sich nicht nur die DAX-Konzerne an, ist die Quote deutlich niedriger: nämlich bei 6,1 Prozent, wie die Bundesregierung für 1.750 börsennotierte oder mitbestimmte Unternehmen ausgerechnet hat. Einer Prognose der Allbright Stiftung zufolge werden erst 2062 ebenso viele Männer wie Frauen in den Vorständen deutscher Unternehmen sitzen.
Berufstätige Frauen haben aber noch ein anderes Problem: Es scheint immer noch so zu sein, dass sie sich zwischen Kind und Karriere entscheiden müssen – oder das Gefühl haben, es tun zu müssen. Eine Studie aus den USA zeigt, dass von den verheirateten Führungskräften zwei Drittel der verheirateten Männer Kinder haben, aber nur ein Drittel der verheirateten Frauen. Beim Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf sprechen wir offensichtlich immer noch in erster Linie von der Vereinbarkeit von Kindern und Beruf nur für Frauen.
Noch immer springen Frauen ab, wenn sie eine Familie gründen
Es ist wichtig, Frauen in der Arbeitswelt zu (be)halten. In Zeiten, in denen Fachkräfte in einigen Branchen händeringend gesucht werden und Frauen häufig sehr gut ausgebildet sind – und sogar bessere Studien- und Berufsabschlüsse als Männer aufweisen können –, ist es eine wirtschaftliche Notwendigkeit, hier genau hinzuschauen und Frauen für den Beruf zu gewinnen bzw. sie im Job zu halten.
Doch noch immer springen Frauen ab, wenn sie eine Familie gründen – obwohl flexible Arbeitszeiten, Mentoring und Weiterbildungsprogramme zum Einsatz kommen. Und auch wenn es nicht für jede Frau wichtig ist, trotz Familiengründung im Berufsleben zu bleiben, sollte es für diejenigen möglich sein, die es sich wünschen. Denn jede Unterbrechung oder Reduzierung im Arbeitsleben bedeutet für die betroffenen Frauen, dass sie in dieser Zeit den Anschluss an die Arbeitswelt verlieren – nicht nur persönlich, sondern vor allem auch fachlich und finanziell. Dabei hat die Unterbrechung nicht nur Auswirkungen für die eigentliche Zeit, sie betrifft auch die spätere Jobentwicklung (Teilzeit statt Vollzeit, die Karriere verzögert sich etc.) finanziell. Ferner hat sie bezüglich der späteren Rentenansprüche negative Auswirkungen. Und bei einer durchschnittlichen Scheidungsrate von ca. 40 Prozent in Deutschland, ist eine potentielle Trennung und deren finanzielle Auswirkung noch nicht einmal bedacht.
Frauen unterschätzen die eigenen Fähigkeiten systematisch
Das heißt nicht, dass man einem bestimmtes Lebensmodell den Vorzug geben sollte. Vielmehr sollten Frauen gemeinsam mit ihren Partnern auf ihre Gesamtsituation schauen – was leider ziemlich unromantisch, aber notwendig ist. Entscheidet sich ein Paar, dass Mutter oder Vater zu Hause bleibt und sich um die Kinder kümmert, dann sollte das nicht auf Basis von Stereotypen oder dem Argument, dass die Frau weniger als der Mann verdient, geschehen. Es sollte auf Basis der Fakten getroffen werden. Ferner sollte für die Folgen dieser Entscheidung Vorsorge geleistet werden.
Ein weiteres Problem ist, dass Frauen ihre eigenen Fähigkeiten systematisch unterschätzen sowie nicht für sich und ihre Position verhandeln können. Eine zweijährige Studie von Uniabsolventen zeigt, dass 57 Prozent der Männer über ihr erstes Gehalt verhandeln, aber nur sieben Prozent der Frauen. Dabei schreiben sich Männer ihren Erfolg selbst zu und prahlen: „Ich bin super!” Frauen hingegen schieben ihren Erfolg meist auf externe Faktoren: ihnen wurde geholfen, sie hatten Glück, sie haben hart gearbeitet.
Erfolg ist Verhandlungssache
Niemand kommt in die Chefetage, wenn er am Rand und nicht mit am Tisch sitzt. Und niemand wird befördert, wenn er denkt, er hat seinen Erfolg nicht verdient oder noch nicht einmal seinen eigenen Erfolg versteht.
Deshalb sollten Frauen an ihren Erfolg glauben, für sich selbst verhandeln und sich ihren Erfolg zu Eigen machen. Auch, wenn es ihnen schwer fällt. Erfolg zu haben und gemocht zu werden, bedingen sich für Männer gegenseitig, schließen sich für Frauen hingegen aus. Ein Experiment der Harvard Business School verdeutlicht das: Studenten erhielten zur Persönlichkeitsanalyse Informationen zu einem Howard Roizen. Howard war Mitgründer eines erfolgreichen Unternehmens, Apple-Manager, Freund von Bill Gates und Steve Jobs, Boardmitglied bei prestigeträchtigsten Silicon Valley-Unternehmen. Ihr Urteil: sympathischer Top-Manager, für den man gerne arbeiten
würde. Howard jedoch ist in Wahrheit Heidi. Und die Vergleichsgruppe, die die Informationen zur Persönlichkeitsanalyse mit dem richtigen Vornahmen erhielt, fällte ein ganz anderes Urteil: eine derart erfolgreiche Frau muss unsympathisch sein.
Frauen brauchen echte Partnerschaften
Arbeiten eine Frau und ein Mann Vollzeit und haben ein Kind, erledigt in der Regel die Frau doppelt so viel Hausarbeit wie der Mann, außerdem übernimmt sie dreimal mehr Kindererziehung. Während der Mann einen Job hat, hat die Frau zwei bis drei Jobs. Und ist die Anwesenheit zu Hause notwendig, steigt meist die Frau aus. Verheerend für Unternehmen. Zum einen herrscht bereits heute ein enormer Fach- und Führungskräftemangel, zum anderen erreichen diverse Teams bessere Ergebnisse. Eine weitere Herausforderung wartet auf Unternehmen: Junge Väter stellen heute oft andere Ansprüche an Unternehmen. Wer die besten Nachwuchskräfte möchte, wird sich aus starren Strukturen herausbewegen müssen.
Es wird noch viel Arbeit brauchen, Unternehmen zu Orten zu machen, an denen echte Geschlechtergerechtigkeit herrscht. Dabei darf „Gender Shift” aber nicht zu neuen Ungerechtigkeiten unter umgedrehten Vorzeichen führen. Oder Frauen verleiten, sich männliche Verhaltensmuster anzutrainieren. Vielmehr sollten alle gemeinsam daran arbeiten, dass die Unternehmen für alle zu einem besseren Platz werden.
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