Foto: 1000gestalten

Hamburg, meine Perle…

„Wir können nicht darauf warten, dass Veränderung von den Mächtigsten der Welt ausgeht, sondern müssen uns jetzt alle politisch und sozial verantwortlich zeigen. Wir wollen daran erinnern, wie identitätsstiftend Mitgefühl und Gemeinsinn für die Gesellschaft sind. Unsere Aktion ist ein weiteres Zeichen dafür, dass viele Menschen die zerstörerischen Auswirkungen des Kapitalismus nicht länger hinnehmen wollen.“

 

Dies erklären die Sprecher des Kollektivs 1000 Gestalten und erklären hiermit den Gedanken ihrer Kunstaktion, bei der eine Horde von 1.000 Zombies am Tag vor dem G20-Gipfel stillschweigend durch die Straßen läuft, um sich dann auf einem Platz mitten in Hamburgs Innenstadt zu versammeln. Es geht Ihnen darum aufzuzeigen zu welcher Starre politische Verdrossenheit führen kann und, dass es an jedem einzelnen ist Eigenverantwortung zu übernehmen und durch Menschlichkeit die Welt zu verändern. 

Auf dem Burchardtplatz angekommen, bäumen sich die gruseligen Gestalten auf, wie von Schmerzen gepeinigt. Die Lehmpanzer knacken nach und nach auf, bis die Verkrustungen von ihren Körpern fallen und bunte Shirts darunter zum Vorschein kommen. Endlich fallen sich die Akteure freudig in die Arme und eine großes Raunen der Erleichterung geht durch die wie hypnotisiert starrende Menge der Passanten. 

So kann Protest aussehen. Kreativ, emotional, intelligent, aufrüttelnd, nachdenklich stimmend – und dadurch auch nachhaltig.

Leider erleben wir seit gestern Abend Hamburg im Ausnahmezustand und eine Welle der Gewalt rollt seit vielen Stunden von einem Viertel zum nächsten. Zwischen permanentem Sirenengeheul, dauerndem Hubschrauberlärm, der Sorge um geliebte Menschen die in den betroffenen Stadtteilen wohnen, beschäftigen mich die ganze Nacht hindurch so viele Fragen. 

Vor allem aber die eine:

Was muss eine Demokratie alles tolerieren, alles aushalten können? Demonstrationen von wissentlich gewaltbereiten Menschen auf der einen Seite? Das Willkommen heißen von irren Autokraten auf der anderen Seite? Was für ein Spannungsfeld…

Dass die Legislative hier der Exekutive ganz schön viel zumutet, macht mich persönlich etwas fassungslos. 

Nina Schmid, Juli 2017 

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