Unsere Redaktionspraktikantin Lilly lacht in die Kamera: Sie freut sich, weil ihre Menstruation zurückgekommen ist. Blauer Pullover, weiße Hose.
Foto: Martin Rupik

Hoch die Menstruationstassen!

Hinter unserer Autorin liegen hochemotionale und belastende Monate, in denen ihre Gedanken vor allem um ein Thema kreisten: Warum bekomme ich meine Periode nicht zurück?

Wie oft habe ich mir die letzten Jahre gewünscht, nachts von Unterleibschmerzen wachgehalten zu werden und am nächsten Morgen Blut aus meiner Unterhose zu waschen?

Mit Mitte 20 kann ich mich nicht daran erinnern, wann ich das letzte Mal regelmäßig meine Periode hatte. Und damit bin ich nicht alleine: Laut Schätzungen leiden in Deutschland knapp drei Prozent aller Menstruierender unter der Amenorrhoe, also dem Ausbleiben ihrer monatlichen Blutung. Die möglichen Gründe dafür sind so unterschiedlich, wie jede*r von uns selbst: angefangen beim Körpergewicht, über Stress und psychische Belastungen bis hin zu chronischen Erkrankungen oder eben einer frühen Menopause. Aber über die damit einhergehenden Sorgen und Ängste, die mit jedem Tag größer und belastender werden – darüber wird kaum gesprochen.

„Viele Menstruierende fühlen sich durch das Ausbleiben ihrer Periode weniger weiblich und sind frustriert.“

Hinter mir liegen sehr emotionale und ziemlich belastende Monate, in denen meine Gedanken täglich nur um ein Thema kreisten: Warum bekomme ich meine Periode nicht zurück? Häufig musste ich mir anhören, dass sich mein Körper nach Absetzen der Pille einfach erst wieder einpendeln muss und dass das Ausbleiben meiner Periode völlig normal sei. Dass ich einfach mehr essen müsse und meinen Alltag routinierter gestalten solle, damit sich mein eigener Biorhythmus wieder einpendeln kann. Aber als meine beiden Eierstöcke trotz geregeltem Tagesablauf, ausgewogener Ernährung, Yoga und anderen Entspannungstechniken einfach kein Ei springen lassen wollten, bekam ich Angst. Eine Angst, die mehrere Monate lang zu meinem ständigen Begleiter werden sollte.

„Du musst lernen, auf deinen eigenen Körper zu hören. Er weiß schon genau, was er braucht!“

Klar ist mir bewusst, dass es nicht das Ende der Welt bedeutet, ohne Menstruation oder gar unfruchtbar durchs Leben zu laufen, aber ich wollte doch einfach nur wissen, was nicht mit mir stimmt. Mit der Zeit war ich tierisch verunsichert und neben all den Ratschlägen und gut gemeinten Tipps einfach nicht mehr in der Lage, selbst zu beurteilen, was gut oder schlecht für mich war. Zwar kenne ich meinen eigenen Körper, wie keine andere (sollte man zumindest annehmen), aber ich hatte mittlerweile nicht nur das Vertrauen in Ärzt*innen, sondern – viel schlimmer noch – in mich selbst verloren.

„War das jetzt ein echtes Ziehen im Unterleib oder doch mal wieder nur ein quer sitzender Pups vom gestrigen Halloumi-Sandwich?“

Nach zahlreichen Blutabnahmen, Ultraschalluntersuchungen und immer wieder neuen Diagnosen, angefangen beim polyzystischen Ovarialsyndrom bis hin zur prämaturen Ovarialinsuffizienz, wurde immerhin letzten Herbst meine Schilddrüsenunterfunktion festgestellt. Nur brachte die mich meiner Periode auch nicht wirklich näher. Ich kam also an einen Punkt, mich ernsthaft zu fragen, ob es nicht vielleicht einfacher wäre, diesen Zustand zu akzeptieren. Zu akzeptieren, dass ich nicht so funktioniere wie Mutter Natur es eigentlich für mich vorgesehen hat. Dann könnte ich meine Energie endlich auch mal wieder für andere, schöne Dinge aufbringen und mich nicht täglich fragen, was zur Hölle nicht mit mir stimmt.

Meine Endokrinologin führte dann vor ein paar Wochen einen Funktionstest bei mir durch, einen sogenannten LHRH Test, um eine mögliche hypothalamische Störung auszuschließen. Sollte in meinem Gehirn alles fein sein, könnten wir es mit einer Hormonersatztherapie probieren, einer künstlich hinzugefügten Kombination aus Gestagen und Östrogen. Diese Therapieform zielt zwar üblicherweise darauf ab, Wechseljahrbeschwerden wie Hitzewallungen, nächtliche Schweißausbrüche, Stimmungsschwankungen, nervöse Unruhen und Schlafstörungen zu lindern. In meinem Fall aber sollten die künstlich hinzugefügten Hormone einen Eisprung auslösen und mich so zurück zu meiner Periode bringen. Und obwohl mir meine Ärztin am Telefon versicherte, dass ich mit dieser Behandlung wieder bluten werde, blieb meine Unsicherheit, die sich die letzten Monate so schön breit in mir machen konnte.

„Auch wenn ich mich all die Monate vorher gegen künstliche Hormone gesträubt hatte, musste ich mir so langsam bewusst machen, dass durch das fehlende Östrogen in meinem Körper nicht nur meine Periode ausbleibt, sondern auch die Gefahr für Osteoporose steigt.“

Seit etwas über einem Monat stehe ich nun also jeden Morgen vor dem Spiegel in unserem Badezimmer und kleistere meinen linken Arm mit genau zwei Pumpstößen Östrogen Gel ein, um anschließend meinen beiden Eierstöcken Mut zuzuflüstern. Relativ zügig konnte ich beobachten, wie sich mein Körper anfing zu verändern. Wie schnell das Östrogen seine Wirkung zeigte: Nach ein paar Tagen war ich nicht nur deutlich aktiver als sonst, sondern hatte zu meinen wiedergewonnenen Rundungen auch endlich wieder meine Lust auf Sex zurückbekommen. Da war auf jeden Fall etwas anders in meinem Körper, was mir endlich ein bisschen Zuversicht schenkte.

Foto: privat

Als ich dann nach zwei Wochen mit der Einnahme von Progesteron Tabletten begann, änderte sich das mit meinem Optimismus aber recht zügig wieder: Mir war zwar vorher schon bewusst gewesen, dass das Gelbkörper-Hormon noch mal anders reinhauen kann, aber damit, dass ich abends ab halb neun meine Augen kaum noch aufhalten konnte, hatte ich nicht gerechnet.

„An manchen Tagen war ich so platt und emotional aufgewühlt, dass ich einfach nur im Bett liegen bleiben wollte.“

Zusammen mit meinen allgemeinen Zweifeln, ob diese Therapie überhaupt dazu führen wird, endlich wieder zu bluten, war das einfach mal wieder ein bisschen zu viel für mein kleines Herz. Wie gut, dass endlich mein sehnlichst erwarteter Italienurlaub kurz vor der Tür stand: Einfach mal eine ganze Woche lang italienischen Kaffee in der Sonne genießen und Italienerinnen beim Streiten lauschen, ohne ein Wort zu verstehen. Nach all diesen Strapazen der letzten Monate, den ewigen Auf und Abs und unterschiedlichen Diagnosen, konnte ich mir nichts Schöneres vorstellen, als mit meiner Freundin am Meer zu sitzen und gemeinsam die Seele baumeln zu lassen.

Als wir dann eines Morgens mit unserem Kaffee auf unserer Terrasse saßen und sich Mala vor Unterleibsschmerzen anfing zu krümmen, fingen wir an zu scherzen, ob sie mich vielleicht jetzt mit ihrer Periode „anstecken“ könnte. Schließlich heißt es ja, dass sich Menstruierende oftmals an den Zyklus ihrer engsten Freundinnen anpassen.

In den vergangenen Jahren habe ich mir diese Situation so häufig ausgemalt. Als ich mich an diesem Morgen, wie so oft, mit müden Augen und Bauchgrummeln in unser Badezimmer schleppte und die Blähungen auf das gestrige Halloumisandwich schob, starrte ich ungläubig zwischen meine Beine: Da war er endlich, der dunkelrote Fleck in meiner Unterhose.

„Ich hab mich nicht getraut, es meiner eigenen Mama zu erzählen, aus Angst, mein Körper spielt mir mal wieder einen Streich.“

Mag sein, dass es an den Hormonen liegt, die gerade durch meinen Körper tanzen, aber ich fühle mich mit einem Schlag so leicht und glücklich, wie viel zu lange nicht mehr. Mit den Tränen, die nicht aufhören wollten, meine Wangen herunterzukullern, vor Freude und während mich mein Unterleib gerade zerberstet, löst sich allmählich diese unglaubliche Last, die die letzten Jahre so schwer auf mir lag. Immer wieder schaue ich zwischen meine Beine, um mich zu versichern, dass ich nicht träume. Aber da ist tatsächlich Blut. Menstruationsblut.

Überwältigt von all den Endorphinen und Emotionen, die sich in mir ausbreiten, schreibe ich diese Worte, da ich weiß, dass da draußen noch viele (nicht mehr) menstruierende Menschen auf diesen Moment hinfiebern. Sich nichts sehnlicher als Unterleibkrämpfe, Wassereinlagerungen und Heulattacken wünschen, um auch mal wieder voller Stolz an der Drogeriekasse Menstruationsartikel auf das Band zu legen.

Es ist an der Zeit, dass wir offener mit dem Ausbleiben der Periode umgehen und dieses Wunder nicht als selbstverständlich sehen. Schließlich würde es keinen einzelnen Menschen von uns geben, wären da nicht springende Eier und vollgeblutete Unterhosen. Also hebt gemeinsam mit mir eure Menstruationstassen und lasst uns diesen dunklroten Fleck zwischen meinen Beinen gebührend feiern.

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