Während die meisten zum Ende ihres Studiums von Urlaub oder ihrer ersten Festanstellung träumen, gründeten Inga Koster und ihr Freund ihr eigenes Unternehmen: true fruits. Wir haben uns mit Inga Koster über ihre Ideen, Zweifel und Ziele unterhalten.
„Hey, lass uns daraus was machen!“
Mit zehn Jahren wollte Inga Koster holländische Pommes nach Deutschland holen, während des Studiums entstand die Idee für Fernbusse, die damals noch nicht existierten. Die Lust zum Gründen war bei Inga Koster schon immer vorhanden. Während ihres Praxissemesters in Schottland, das sie dort 2006 gemeinsam mit ihrem Freund Marco verbrachte, wurde aus der Lust auf Unternehmertun dann eine konkrete Idee. Das Schlüsselwort? Smoothies!
Während die pürierten Früchte in Schottland bereits die Kühlregale füllten, waren sie in Deutschland noch völlig unbekannt. Dabei schmecken die doch so viel besser als die Saft-Konzentrate, die es an jeder Ecke in Deutschland zu kaufen gab, meint Inga. Also entschlossen Inga und Marco, zurück in Deutschland, ihre eigenen Smoothies auf den Markt zu bringen.
Wir haben uns mit Inga, die übrigens nicht nur Unternehmerin, sondern auch zweifache Mutter ist, darüber unterhalten, in welchem Moment sie realisiert hat, dass aus den Smoothies tatsächlich etwas Größeres werden kann, wer die Rampensau im Unternehmen ist, warum Marco und sie nicht verheiratet sind und, warum sie ihr Unternehmen nicht in einer „Hipster-Stadt“ aufbauen wollte.
Liebe Inga, wer oder was genau hat euch in Schottland zu der Smoothie-Idee inspiriert?
„Als Studenten haben wir uns dort jeden Tag von Bacon, Burger und Bier ernährt. Nach einiger Zeit hatten wir dann mal Bock auf etwas Gesundes. Im Supermarkt haben wir dann die riesigen Kühlregale mit Smoothies entdeckt. Wir kannten nur normale Säfte. Smoothies, die wirklich wie pürierte Früchte geschmeckt haben, waren so viel leckerer.“
Aber die Idee allein reicht ja meistens nicht. Wie seid ihr dann vorgegangen?
„Noch von Schottland aus haben wir Firmen angeschrieben, die bereits Smoothies in Großbritannien herstellen, und direkt nachgefragt: ,Hey, was ist das und wie macht ihr das?‘ Wir als Bwler haben auch erst gedacht, dass wir nicht weit kommen werden, weil wir von der Herstellung von Lebensmitteln gar keine Ahnung hatten. Wir dachte uns jedoch: Wenn das andere Firmen schaffen, die selbst als Quereinsteiger in der Branche gelten, dann schaffen wir das auch.“
Und in der Zwischenzeit ist niemand anderes auf die Idee gekommen, Smoothies nach Deutschland zu bringen?
„Eigentlich sind wir genau davon ausgegangen. Wir dachten, dass die Kühlregale, sobald wir wieder in Deutschland sind, schon längst voll sind mit Smoothies. Das war aber nicht so. Selbst als wir Anfang 2005 das Wort ,Smoothie‘ bei Google eingegeben haben, ergab die Suche keine Treffer. Wir haben damals sogar noch den Wikipedia-Beitrag mitgeschrieben. Und dann konnten wir an unserer Hochschule glücklicherweise ein interdisziplinäres Projekt ins Leben rufen und mit Studierenden aus der Chemie und Biologie zusammenarbeiten.“
Wie hat euer Umfeld auf eure Idee reagiert?
„Dadurch, dass Marco und ich auch schon vorher Ideen hatten, die nicht funktioniert haben, haben wir uns mit der Smoothie-Idee vorerst zurückgehalten. Wir haben es erst erzählt, als aus Idee mehr und mehr Wirklichkeit wurde.
Vor meinem Studium habe ich eine Bankausbildung gemacht und während meines Studiums im Bereich des Investmentbankings gearbeitet. Die Leute, die ich von dort kannte, haben gedacht, ich sei bescheuert. Nach dem Motto: ,Du machst jetzt eine kleine Saftbar auf, wo du doch eigentlich bei den großen Banken anfangen könntest.‘ Meine Mutter hat zu mir gesagt: ,Kind, dafür hättest du doch nicht studieren müssen.‘“
Wie ist die Idee zum eurem Namen „true fruits“ entstanden?
„Anfangs haben wir die Idee nur ,Smoothie Project‘ genannt, weil wir erst den Namen schützen wollten, bevor wir ihn öffentlich verwenden. Einfach aus Angst, dass er uns weggeschnappt wird. Der Name ,Just Fruits‘ war dann nicht möglich, weil ,just‘ gesperrt war. Darüber kamen wir dann zu true fruits. Wir wollten keinen aufgebauschten Markennamen, sondern das Produkt nach dem benennen, was es ist.“
Im Rahmen der Projektphase kam dann noch euer dritter Co-Gründer Nic dazu. Warum passt ihr drei so gut zusammen?
„Nic ist unsere Rampensau, das Gegenteil von mir. Ich mache lieber meinen Job und sorge dafür, dass alles rund läuft. Nic hingegen ist bei Vorträgen und im Marketing perfekt. Ich mache in der Zeit lieber etwas anderes (lacht).
Ich fasse meine Aufgaben hingegen gerne unter dem Begriff Business Operation zusammen. Das heißt, ich kümmere mich um das Finden der Produktionsstätten, den Einkauf der Rohwaren, die Finanzen, Controlling, Personal. Marco kümmert sich um den Vertrieb und um das Entwickeln neuer Produktideen. Also kurz gesagt: Ich habe selbst nicht die Idee, ich kann nur aus der Idee etwas machen.“
Was war das für ein Gefühl, mit deinem Freund eine gemeinsame Firma zu gründen?
„Die Firmengründung war schon ein riesiges Ding. In der Projektphase an unserer Uni sind wir sehr weit gekommen, haben den zweiten Platz bei einem Businessplan-Wettbewerb gemacht, konnten dadurch schon Kontakte knüpfen und hatten Mentoren. Bevor wir überhaupt mit dem Studium fertig waren, mussten wir auf einmal finanzielle Entscheidungen treffen, die wir uns niemals hätten vorstellen können. Irgendwann denkt man sich dann: Ja, okay. Wenn es schief läuft, bist du in der Privatinsolvenz. Da kommt es auf 100.000 mehr oder weniger auch nicht mehr an.“
Habt ihr für die Zusammenarbeit vorab ein paar Grundsätze festgelegt, um Beziehung und Arbeit zu trennen?
„Uns war immer wichtig, die Firma so zu gründen, dass wir da auch beide wieder rauskommen, sollte es irgendwann nicht mehr passen. Sollte dieser Fall jemals eintreffen, wollen wir so wenig wir möglich zu entknoten haben. Daher haben wir alles vertraglich geregelt. Ich glaube auch, dass wir nicht verheiratet sind, weil wir eben schon die gemeinsame Firma haben.“
In welchem Moment hast du realisiert, dass aus eurer Idee jetzt wirklich etwas Größeres werden kann?
„Diesen Moment hatte ich, nachdem wir bereits die Firma gegründet hatten, die Flaschen produziert waren und ausgeliefert wurden. Da saß ich in einem Café bei uns in Siegburg. Dort habe ich jemanden gesehen, der unseren Smoothie getrunken hat – und zwar nicht, weil ich ihm erzählt habe, wie toll der Smoothie ist und, dass er von mir ist und er ihn doch bitte mal probieren soll, sondern, weil er ihn wirklich trinken wollte. Das war klasse.“
In welchen Momenten der Firmengründung kamen Zweifel auf?
„In den ersten zwei Jahren einer Firmengründung kommt man fast täglich zu dem Punkt, an dem man denkt, man kommt nicht mehr weiter. Die Panikmomente hat man in der ersten Zeit dauernd, das wird mit der Zeit jedoch entspannter, weil man weiß: man findet schon eine Lösung.“
Seit 2005 ist viel Zeit vergangen und in den Kühlregalen sind immer wieder neue Smoothie-Marken zu finden. Was grenzt euch denn von anderen Smoothie-Herstellern ab?
„Einer der größten Unterschiede zu anderen Herstellern war von Anfang an unsere Herangehensweise. Wir hatten keine Ahnung vom Markt und haben einfach unser Wunschprodukt kreiert. Wir haben schon immer unglaublich viel Arbeit in die Fruchtauswahl investiert, zehn verschiedene Mangos blind verkostet, um den besten Geschmack zu kreieren. Die meisten überlegen sich vorab, wie hoch die Preisgrenze beim Konsumenten ist und kaufen dementsprechend die Rohwaren ein. Wir sind das anders rangegangen, haben die besten Früchte ausgewählt und auf dieser Basis einen Preis festgelegt.“
Die meisten Startups starten in Berlin oder Hamburg durch. Warum habt ihr euch für Bonn entschieden?
„Alle haben gesagt, wir müssen nach Berlin oder Hamburg – man könne keine coole Marke in Bonn aufbauen. Da wir jedoch alle drei aus dem Bonner Umkreis kommen, wir hier unser Umfeld und unsere Kontakte haben, wollten wir hier auch bleiben. Ich glaube auch, dass wir hier wesentlich weniger Probleme haben, Mitarbeiter für uns zu gewinnen, als in irgendeiner Hipster-Stadt, in der hunderte coole Startups ansässig sind. Bonn ist da überschaubarer.“
Euer Unternehmen gibt es nun seit elf Jahren. Ab wann würdest du true fruits denn nicht mehr als Startup bezeichnen?
„Die Frage ist nicht leicht zu beantworten. Wir arbeiten auf jeden Fall noch wie ein Startup. Wir sind ein Konzern geworden, allerdings mit relativ wenig Mitarbeitern. Dass wir uns dieses Startup-Denken bewahren, ist auf jeden Fall ein Erfolgsfaktor von uns. Wenn ich mir die anderen Firme anschaue – die haben ihre Pläne und müssen die erfüllen, was für sie wahrscheinlich auch total gut ist, aber für uns wäre das tödlich. Wir versuchen, spontan auf die Gegebenheiten auf dem Markt zu reagieren. Bei uns ist auch nicht alles fix. Wenn wir einmal eine Entscheidung getroffen haben, kann die zu einem späteren Zeitpunkt genauso wieder revidiert werden.
Wenn mich Wirtschaftsjournalisten nach unserem Fünf-Jahres-Plan fragen, ist meine Antwort immer: Den haben wir nicht. Und das ist gut so – deswegen sind wir auch so gut.“
Wenn man ein Unternehmen gründet, hat man sicherlich ein Ziel vor Augen oder eine Zahl im Kopf. Was aber passiert, wenn man den Punkt erreicht hat und überschreitet?
„Ich habe lange gedacht, dass das so kommen würde und mich gefragt, was ich denn ohne true fruits machen würde. Ich habe kein Hobby, ich spiele kein Tennis und Gartenarbeit nervt mich auch. Aber die Antwort ist ganz einfach: Ich würde genau das Gleiche wieder machen. Ich würde mir eine Idee schnappen und diese dann weiterentwickeln.
Bevor ich mir sage: Du bist 38 und hast keine Hobbys – wie schrecklich ist das denn? – ruhe ich doch lieber in mir selbst und bin mir bewusst: Mein Job ist ebenso mein Hobby, aus dem ich ganz viel rausholen und auch für andere Projekte nutzen kann. Ich bin auch noch bei einer anderen Firma beteiligt, die noch in den Kinderschuhen steckt. Auch da kann ich genau das tun, was ich liebe: ein Unternehmen aufbauen, Probleme lösen und schauen, dass alles auf dem richtigen Weg ist.“
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