Beate Wedekind war gefeierte Society-Reporterin, die erste Chefredakteurin einer Publikumszeitschrift mit Millionenauflage und ist gerade 65 geworden. Mit uns hat sie über den unbedingten Willen zum Erfolg, gewollte Kinderlosigkeit und Skat kloppen mit Willy Brandt gesprochen – und über ihr Burnout, das damals noch nicht so hieß. Ihr Thema heute: Entwicklungspolitik und Stärkung von jungen Frauen.
Vom Rausch des Erfolgs
Beate Wedekind hat sich immer wieder neu erfunden. 1951 ins Arbeitermilieu von Duisburg hineingeboren, absolvierte sie eine Banklehre, heuerte bei Condor als Stewardess an und wurde Entwicklungshelferin in Äthiopien. Erst mit 30 ging sie in den Journalismus – und legte eine rasante Karriere hin. Sie war Society-Reporterin für den Burda-Verlag und fünf Jahre lang Chefredakteurin von „Elle“, ehe Hubert Burda sie 1992 auf den Chefsessel von „Bunte“ beförderte – als erste Frau auf so einem Posten. Schon im folgenden Jahr war sie ihren Job wieder los und wurde von ihrem Vorgänger Franz Josef Wagner abgelöst – ein klassisches Burnout, wie sie heute sagt. Wedekind war jahrelang erfolgreiche TV-Produzentin und verantwortete Shows wie „Die Goldene Kamera“. Sie ist Autorin mehrerer Bücher, Gründerin eines Online-Magazins über das junge Afrika und veröffentlicht demnächst ihre Biografie. Sie pendelt zwischen Berlin, Ibiza und Addis Abeba. Wir haben sie in Berlin getroffen.
Du bist vor kurzem 65 geworden und schreibst gerade deine Biografie. Gab es einen Schlüsselmoment, an dem du dich entschieden hast: Ich will jetzt mein Leben zu Papier bringen?
„Ja! Gab es in der Tat … aber das war schon vor zehn Jahren. Ausschlaggebend war ein guter Freund, dem ich Quasselstrippe eines Abends beim Wein beiläufig eine ungeheuerliche Geschichte erzählte, die mir in den siebziger Jahren in Indien passiert war. Total perplex sagte er: ,Das m u s s t du aufschreiben!’“
Und warum hat es dann so lange gedauert?
„Weil ich jede Menge Bedenken gegen eine solche Nabelschau hatte: Wen interessiert schon, was eine Beate Wedekind erlebt hat? Und ich fand es zu früh, mit 55 meine Biografie zu schreiben, da wird ja hoffentlich noch ordentlich was passieren, dachte ich. Auch bin ich mir bewusst, dass sicher viele wegen meiner journalistischen Vor-Belastung – Elle, Bunte, Bambi, Goldene Kamera und so – eher ein schillerndes Promi- und Lifestyle-Buch erwarten als die Auseinandersetzung mit einem deutschen Frauenleben. Obwohl: Namedropping ist eine meiner vielen Unarten…
Ich fing damals aber ernsthaft an, mich zu fragen: Warum ist mein Leben eigentlich so und nicht anders verlaufen? Warum bin ich so ein rücksichtsloser Workaholic? Warum habe ich nie eine Familie gegründet? Warum diese Wellen von Höhepunkten und Niederlagen, diese krassen Ortswechsel. Von Duisburg nach Addis Ababa, von Berlin in den Schwarzwald, von München nach Hamburg, von New York nach Sant Mateu, einem kleinen Dorf auf Ibiza. Wieso habe ich mich so entwickelt, wie entwickelt man sich selbst? Das konnte ich am besten nachvollziehen, indem ich es schonungslos aufschrieb.“
Und wie lautet deine Antwort? Wie entwickelt man sich selbst?
„Du musst dich immer wieder neu erfinden. Lange bevor ich diesen Satz von Doris Dörrie zum ersten Mal las, war das mein Leitmotiv. Anfangs passierte das eher zufällig, später durchaus mit einer Strategie im Kopf. Sich neu erfinden heißt für mich nicht einfach nur, öfter mal was Neues machen, sondern auf Start zurückgehen, ganz von vorn anfangen. Wenn du das Gefühl hast, nicht weiterzukommen, wenn du an einem Scheideweg stehst, wenn du dir abhanden gekommen scheinst. Chancen sehen, Herausforderungen annehmen, Veränderungen zulassen. Risiko eingehen. Sich ausloten. Fehlern und Schmerzen nicht ausweichen, an ihnen wachsen. Stillstand rächt sich früher oder später.“
Erzähl bitte von dem sich-neu-Erfinden, wie war das bei dir?
„Radikal. Anstrengend. Lustvoll. Getrieben. Von Unbekümmertheit, Leichtsinn, Abenteuerlust, relativ spät erst von Ehrgeiz. Manchmal auch von Unsicherheit und Zweifeln. Rückblickend war jeder Wechsel zutiefst befriedigend. Erst war ich der aufsässige Teenager, der die Schule vor dem Abitur verlassen musste, dann die pseudo-einsichtige Tochter, die auf Wunsch des Vaters mit 17 eine Banklehre absolvierte. Als mein Vater starb – da war ich 21 und gerade volljährig geworden – habe ich sofort gekündigt und mich von einem wohlhabenden Unternehmersohn als Persönliche Assistentin engagieren lassen, rasch wurde daraus mehr. Aber auch als seine Lebensgefährtin organisierte ich weiter sein nicht unkompliziertes Leben. Ich hatte ein gutes Gehalt, flexible Arbeitszeiten, einen azurblauen Opel GT als Dienstwagen. Wir sind viel gereist, First Class, Luxushotels. Paris, London, Madrid, Kairo, Beirut, Teheran. Überall hatte er seit seiner Schweizer Internatszeit Freunde. Ich liebte dieses Jet Set-Leben.
Einen Sommer lang habe ich mit ihm in einer Villa an der Cote d’Azur gelebt und – Achtung, Namedropping – bei unserer Nachbarin Lynn Wyatt, einer amerikanischen Kaufhauserbin, Saks Fifth Avenue, mit Fürstin Gracia Patricia auf der Terrasse gesessen und Scrabble gespielt. Leider war er alkoholabhängig, ein Leidensweg, dem ich nicht gewachsen war. Ich habe ihn nachts in Kneipen gesucht und auf Parkbänken gefunden, ich habe ihn in der Zwangsjacke erlebt und in einer Kölner Privatklinik mit ihm und Willy Brandt Skat gekloppt. Die Liebe starb, ich seilte mich ab, wurde Stewardess und entdeckte während eines 7-Tage-Stops in Mombasa die afrikanische Leichtigkeit des Seins. Mit 25 bin ich nach Äthiopien gegangen, habe Afrika dort allerdings auf die harte Tour kennen gelernt, als Logistikassistentin für den deutschen Entwicklungsdienst in den Wirren der Revolution vom Feudalismus zum Stalinismus. Danach zog es mich nach Indien. Ich lebte am Strand von Goa und wurde in New Delhi während der indischen Wahlen in einer Massendemonstration gegen Indira Gandhi beinahe erdrückt. Mein Leben als junge Frau war ein einziges Abenteuer, ich war wandelbar wie ein Chamäleon, dabei völlig ohne Ehrgeiz, ungeduldig und nimmersatt.“
Du bist dann aber nach Deutschland zurückgekehrt, wie ging es weiter? Irgendwann hat es dich in den Journalismus gezogen…
„Dass ich mit 27 Sekretärin in Berlin wurde, passte so gar nicht in das Schema. Es entpuppte sich als der berühmte Zufall, der die entscheidende Wende in meinem Leben einleitete. Im Café Einstein an der Kürfürstenstraße las ich in der Berliner Morgenpost eine Stellenanzeige. Ein Professor für Neuropsychopharmakologie der Freien Universität suchte für sein Sekretariat eine Schwangerschaftsvertretung. Er nahm mich. Professor Helmut Coper war nicht irgendein Professor, sondern einer der beiden Studenten, die 1946 die Freie Universität gegründet hatten. Ein hochpolitischer Mann, bei dem ich in Kontakt mit den Größen der Berliner Politik kam, indem ich Sitzungen organisierte und protokollierte. Besonders faszinierte mich Peter Glotz, der alerte Wissenschaftssenator, der mein Mentor wurde – und es 20 Jahre lang blieb. Ich lernte von ihm viel über die Mechanismen von Politik, von Macht, von Gesellschaft, konnte auf einmal politisch einordnen, was ich vorher zum Beispiel in Äthiopien eher als Abenteuer empfunden hatte.“
Inwiefern war Glotz dein Mentor?
„Er und der Professor hatten mich unter ihre Fittiche genommen, wohl auch, weil ich ein bunter Vogel in ihrem nüchternen Wissenschaftsbetrieb war. Gerade als ich mich an eine gewisse Beständigkeit gewöhnt hatte, meinten die Herren, ich müsste mehr aus mir machen. Ich schlug vor, ich könnte ja mein Abitur nachmachen. Aber Glotz sagte: ‚Und dann?’ Er fand, dass ich einen guten Blick auf die Dinge hätte und eine gute Schreibe – die Protokolle…– und mein bisher so spannendes Leben nicht einfach ad acta legen dürfe und riet mir, mich um ein Zeitungsvolontariat zu bewerben. Halbherzig folgte ich dem Rat, schrieb 35 Bewerbungen, es kamen 34 Absagen. Ich hatte ja nichts vorzuweisen, kein Abitur, kein Studium, nicht mal Erfahrung bei einer Schülerzeitung, und mit 29 war ich ziemlich alt für einen Neuanfang. Mein einziger Trumpf waren ein exzellentes Zwischenzeugnis des Professors, ein Empfehlungsschreiben des Berliner Wissenschaftssenators und dass ich im Ausland gelebt hatte.
Die einzige Zusage kam ausgerechnet aus Berlin. Und so fing ich an einem Sonntag im Juni 1980 als Zeitungsvolontärin beim Berliner Boulevardblatt ,Der Abend’ an, das ein persischer Unternehmer soeben vor der Einstellung gerettet hatte. Hossein Sabet, der es mit dem Handel von Orientteppichen zu einigem Wohlstand gebracht hatte, fand meine Bewerbung gut, gerade weil ich – wie er ja auch – eine Quereinsteigerin war. Geschichten erzählen als Beruf. Genial. Schnell stellte ich fest, dass ich gut war, besser als andere. Plötzlich kam der Ehrgeiz. Nun wollte ich auch erfolgreich sein.“
Wir sprechen jetzt von den frühen 1980er-Jahren. Du warst 30 – hast du damals daran gedacht, eine Familie zu gründen, Kinder zu haben?
„Nein, habe ich nicht. Nicht damals, nicht vorher und auch später nicht. Familie und Kinder waren nie mein Thema. Vielleicht, weil ich selbst nicht gern Kind war. Vielleicht, weil ich nie den richtigen Partner hatte. Wahrscheinlicher, weil ich mein aufregendes Leben nicht aufgeben wollte. Außerdem habe ich in meinem Kollegen- und Freundeskreis nicht gerade die positivsten Beispiele gesehen. So viele unglückliche Ehen. Dann kam die Karriere, und ruckzuck war ich Mitte 40, da war es zu spät fürs Kinderkriegen. Mit den Jahren war ich auch ganz schön eigenbrötlerisch im Umgang mit Männern geworden. Seit mehr als 30 Jahren habe ich nicht mehr mit einem Mann zusammengelebt. Ich bin lieber Geliebte als Lebensgefährtin. Aber ich bin sicher, da kommt noch was… meine Wahrsagerin hat mir nämlich 1985 prophezeit, dass ich mit 70 dem Mann meines Lebens begegne. Leider hat sie mir nicht gesagt, wie alt er ist; mittlerweile stehe ich auf wesentlich jüngere Männer (lacht). “
Lass uns noch mal zurückschauen…
„… aber irgendwann kommen wir auch darauf zu sprechen, was mich heute antreibt, ich komme mir gerade ziemlich gestrig vor …“
Machen wir… 1992 wurdest du Chefredakteurin von Bunte, zum ersten Mal eine Frau an der Spitze einer großen deutschen Publikumszeitschrift. Es begann eine wahnsinnig anstrengende Zeit für dich, schon im Mai 1993 wurdest du abgelöst, „wegen Krankheit“, wie es damals hieß. In einem Porträt von damals über dich, das kurz nach deinem Abgang in der ,Zeit’ erschien, spürt man förmlich den Druck, dem du damals ausgesetzt warst. War das damals das, was man heute Burnout nennen würde?
„In der Tat. Man nannte das Managerkrankheit. Mitleidig oder schadenfroh, je nachdem aus welcher Perspektive, hieß es ,Mann, die Wedekind ist aber fertig.’ Es war die Wahrheit. Ich war fertig, fix und fertig, und es hatte so kommen müssen. Mich hatten damals gleich zwei Teufel geritten: Ehrgeiz und Eitelkeit … drei Jahre, nachdem ich meine erste Zeile als Journalistin geschrieben hatte, war ich Society-Reporterin von ,Bunte’, weitere drei Jahre später wurde ich Gründungschefredakteurin der deutschen ,Elle’ , ein Jahr danach zusätzlich von ,Elle-Decoration’ , wieder ein Jahr später auch von Burdas Design-Magazin ,Ambiente’ , hatte mit ,Zeil um zehn’ eine eigene wöchentliche Fernseh-Talkshow, war verantwortlich für die Bambi-Verleihung. Ich hatte wunderbare Teams. Alles lief wie am Schnürchen. Ich war der Prototyp einer Vorzeige-Karrierefrau und habe die Aufmerksamkeit sehr genossen, fühlte mich unverwundbar.
Als mein Verleger Hubert Burda im Sommer 1991 meinte, dass ich nun die ,Bunte’ , das Flaggschiff des Verlages, übernehmen sollte, war ich natürlich völlig aus dem Häuschen. Chefredakteurin einer der größten Zeitschriften Deutschlands werden, das war der Ritterschlag, alles andere, was ich bisher erreicht hatte, verblasste dagegen. Weil ich aber in meinem tiefsten Inneren dem Braten nicht traute, bedingte ich mir bei den Vertragsverhandlungen aus, dass ich die anderen vier Blätter weitermachen konnte, ein Jahr lang, zusätzlich zu ,Bunte’ . Das war Harakiri, das geht einfach nicht. Hochmut kommt vor dem Fall. ,Bunte’ zu machen, war ein großer Fehler. Andererseits hätte ich mich ohne diese Fehlentscheidung wohl auch um all die spannenden Jahre gebracht, die danach kamen, wäre heute vielleicht eine saturierte Herausgeberin oder so.“
Inwiefern spielte damals die Tatsache eine Rolle, dass du eine Frau bist? Spielte das überhaupt eine Rolle? Wurde dir anders begegnet?
„Erst neulich habe ich mit Tanit Koch, die gerade mit 38 Chefredakteurin von ,Bild’ geworden ist, darüber gesprochen: Wie bei ihr jetzt, wurde das damals bei mir auch zu einer Sensation hochstilisiert. Die kluge Tanit verweigert sich konsequent, an dem Thema ‚erste Frau an der Spitze von Bild’ mitzuwirken. Sie geht in keine Talkshows, schreibt nicht drüber, macht einfach ihren Job. So souverän war ich damals nicht. Ich bin auf dem Ticket ‚erste Frau an der Spitze …’ geradezu durch die Medien getingelt. Zu ,Wedekind und Karriere’ gibt es um die 20 Talkshow-Auftritte. Es gibt ein sehr spannendes Fernsehporträt, das der WDR ‚Einsame Spitze’ nannte und zigmal wiederholte. Ich habe mich in der Rolle der Botschafterin für alle zukünftigen Karrierefrauen gesehen. ,Och, die ist gar nicht so eine harte Nuss ’ sollten die Leute erkennen und was weiß ich, was ich damals dachte. Auf jeden Fall wollte ich zeigen, dass eine ganz normale Frau so eine steile Karriere hinlegen kann, eine, die viel sympathischer als die ganzen Medien-Machos.“
…was ja prinzipiell ein gutes Anliegen ist… Role Model sein zu wollen für andere Frauen.
„Ja, absolut, das wollte ich sein. Das war aber eben noch eine zusätzliche Aufgabe, sozusagen noch eins drauf auf den anstrengenden Job. Wenn man 14 Stunden oder länger pro Tag braucht, um das Alltagsgeschäft zu bewältigen, dann sollte man nicht noch zu Talkshows reisen und nachts Artikel über seinen Erfolg schreiben. Im Nachhinein weiß ich, dass das auch ein großer Egotrip war, ich wollte vor allem geliebt werden … Ich hatte die Grenze der Überforderung überschritten und hab es nicht gemerkt. Typisch Burnout.“
Du arbeitest heute viel mit jungen Leuten, besonders gern mit jungen Frauen zusammen. Was hat sich verändert?
„Ich finde diese neue Generation, die ja meine Enkelinnen sein könnten, bemerkenswert in mancherlei Hinsicht. Sie sind sehr selbstbewusst und schlingern trotzdem ganz schön herum. All diese klugen, gut ausgebildeten jungen Frauen, die sich von Praktikum zu Praktikum hangeln, sich ausbeuten lassen müssen, sie haben es so viel schwerer als ich es im gleichen Alter ohne Studium hatte.“
Der Generation Y wird ja oft und gerne auch unterstellt, dass sie eher konservative, materielle, sicherheitsfixierte Ziele vor Augen hat – gehört es aus deiner Sicht zu jedem erfüllten Leben dazu, sich ab und zu neu zu erfinden, oder kann man auch ein erfülltes Leben führen, ohne aus den vorgezeichneten Bahnen auszubrechen?
„Für ein gewisses Sicherheitsdenken habe ich Verständnis, für eine Fixierung auf materielle Güter nicht. Wieso sich junge Leute wegen Statussymbolen wie ‚mein Haus, mein Auto, meine Klamotten’ verschulden, das habe ich nie verstanden. Ansonsten: Jede/r ist anders und jede/r ist seines Glückes Schmied. Die eine braucht mehr Sicherheit, die andere weniger. Aber ich glaube fest daran, dass man es sich selbst geradezu schuldig ist, sich als junger Mensch in seiner Persönlichkeit und in seinen Fähigkeiten auszuloten, sein Potenzial zu entdecken, sich unabhängig von vorgefertigten Strukturen zu bewähren, bevor man sich bindet und die Verantwortung für Kinder übernimmt.
Auch wenn du dich früh für eine Familie entscheidest, dann musst du deine Nische definieren, die nur dich ausmacht. Und du musst die Chance erfreifen, dich neu erfinden, sobald die Kinder aus dem Gröbsten raus sind. Ich kenne zu viele Frauen, die frustriert sind und nicht aus der selbst gebauten Falle herausfinden, weil sie sich nichts mehr zutrauen außerhalb des trauten Heims, dabei noch ständig genervt sind, von sich selbst, von ihrem Mann, von ihren Kindern, von dem ganzen Schlamassel. Das sind für mich Kandidatinnen für eine heftige Midlife-Krise.“
Oje, was machen wir falsch? Ich bin auch ständig genervt von meinen kleinen Kindern.
„Das glaub ich dir nicht, jedenfalls nicht das ständig. Und du lässt dich trotz bald drei Kindern nicht davon abhalten, parallel ein Standbein als Journalistin zu haben. Vor Frauen wie dir habe ich großen Respekt, ihr seid Weltmeisterinnen im Organisieren und die besseren Managerinnen als manch andere in Führungspositionen, die über einen ganzen Apparat verfügen können.“
Gibt es eine Phase in deinem Leben, von der du sagen könntest, sie war bisher die glücklichste?
„Das ist jetzt. Hier und heute. Ich bin von der Jägerin zur Sammlerin geworden, bei aller Umtriebigkeit ruhiger. Ich habe mehr erreicht, als ich mir je erträumt hatte. Habe Erfahrungen gemacht, auf die ich stolz bin und die ich gern weitergebe. Natürlich war die Zeit meiner großen Karriere der Wahnsinn, und ich habe in jedem Interview gesagt, dass ich sehr glücklich bin… aber ich war auch Opfer meines Ehrgeizes, meines selbst auferlegten Tempos. Ich bezweifle allerdings, dass ich heute so gut drauf wäre, wenn ich meine Erfolge damals nicht bis zur Neige ausgekostet hätte. Früher wachte ich oft auf und wusste nicht, wie ich mein Tagespensum schaffen sollte. War enorm unter Druck. Jetzt verspüre ich jeden Morgen beim Aufwachen ein tiefes Glücksgefühl. Glücklich und dankbar dafür, dass ich gesund bin. Dankbar, dass ich gute Freunde habe, eine interessante Aufgabe, glücklich über meine Energie und meinen Tatendrang, dankbar für meine Unabhängigkeit. Dabei pflege ich meinen Egoismus schon sehr. Wenn mir was nicht passt, aber auch, wenn ich mich einer Sache nicht gewachsen fühle, dann mach ich das einfach nicht. Ich habe gelernt, Nein zu sagen.“
Das war früher anders?
„Klar, ich habe oft viel zu schnell Ja gesagt. Als angestellte Chefredakteurin und als selbständige Unternehmerin waren die Zwänge, sich anzupassen, Kompromisse zu schließen, schon enorm. Erfolg verlangt nach besonderer Flexibilität, gelegentlich auch nach Selbstverleugnung. Das meinte ich vorhin mit dem sich selbst abhanden kommen..“
Kannst du ein konkretes Beispiel geben?
„Gern. Obwohl ich es ja eigentlich hätte besser wissen müssen, bin ich 1997, nur drei Jahre nach meinem Burnout, wieder in dieselbe Falle getappt – es musste mal wieder alles auf einmal sein. Ich gründete eine Produktionsfirma, zeitgleich die Galerie PICTUREshow, veröffentlichte meinen ersten Roman, der passenderweise „Um jeden Preis“ heißt, und gleichzeitig kam mein Band ,New York Interiors’ auf den Markt, der ein Weltbestseller wurde. Es dauerte dann noch zehn Jahre, bis ich 2007 endgültig die Reißleine zog und meine Produktionsfirma runtergefahren habe, anstatt sie zu vergrößern, was die Auftragslage verlangt hätte. Wieder so ein Schlüsselmoment…während eines Produktionsmeetings guckte ich in die Runde. 30 Mitarbeiter, alles hoch professionelle Leute, wir waren bestens drauf und perfekt vorbereitet. Es war ein Tag vor meiner 10. Goldenen Kamera und als eine Aufnahmeleisterin stolz sagte, dass fast 1.000 Leute morgen in diese Produktion involviert waren, da fiel mir es wie Schuppen von den Augen: Das ist schon wieder eine Nummer zu groß. Wem wollte ich etwas beweisen? Mir? Warum? Seitdem nehme ich nur noch ganz gezielt kleine, feine Produktionsaufträge an. Die setze ich dann mit externen Teams um. Ich als Strippenzieherin, die ihr Knowhow und ihre Beziehungen einbringt, aber nicht den Boss spielen und auch nicht die – sorry – ,Drecksarbeit’ machen muss. Für mich ein Idealzustand. Ansonsten mache ich ,was mit Medien’ “.
Du hast 2013 das Online-Magazin „The New Africa“ gegründet, wie kam es dazu?
„Mein Anliegen mit TheNewAfrica/Journal of Change ist, den Leuten hier ein anderes Bild von Afrika zu zeigen. Dem Image von Korruption, Krisen und Kriegen, das bei uns immer noch vorherrscht, die neue Realität entgegensetzen, zu zeigen, wer dort die Zukunft vorantreibt. Wie dort Fortschritt gemacht wird. Wie unglaublich gut die junge Generation der Startupszene ist, wie spannend es ist, wenn die Kultur der Tradition und die Avantgarde miteinander verflochten werden, was für ein Kreativpotenzial dort vorhanden ist und welche enormen Märkte da gerade entstehen. ,TheNewAfrica’ ist ein Online-Magazin der Chancen und der Veränderung, das die vermeintliche Fremdheit zwischen den Kontinenten und den Generationen überwindet.
Mich hat der Kontinent ja nie losgelassen, auch wenn ich 25 Jahre nicht in Afrika war. Zwar habe ich mich schon in den 1980er Jahren für Karlheinz Böhms Äthiopienstiftung ,Menschen für Menschen’ engagiert. Aber erst vor zehn Jahren habe ich begonnen, mich mit der jungen Generation in Äthiopien zu beschäftigen, die unabhängig von Spenden und Charity selbst ihr Land vorwärts bringen will und habe mir In Addis Ababa, wo ich ja selbst als junger Mensch wichtige Erfahrungen sammeln konnte, einen entsprechenden Freundeskreis aufgebaut. Ich mache bei Barcamps und Workshops mit, habe ein paar junge Leute als Mentor unter meine Fittiche genommen, setze mein Netzwerk hier in Deutschland ein und versuche, Kooperationen aufzustellen. Ich arbeite eng mit dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung zusammen, mit ONE, der von Bono gegründeten Advocacy-Organisation und auch mit der Bill- und Melinda Gates-Stiftung. Im Laufe der Jahre habe ich mich zu einer veritablen Entwicklungsexpertin gemausert.
Und kürzlich habe ich endlich einen Partner gefunden, der ebenfalls in der Startup-Szene in der Subsahara unterwegs ist, mit dem ich TheNewAfrica auf Vordermann bringen werde. Zur Zeit ist es etwas eingeschlafen, das muss ich zugeben! Aber schön der Reihe nach, erst schreibe ich meine Biografie fertig, und dann im Sommer nehme ich mir den Relaunch vor. Auf Facebook halte ich TheNewAfrica auch jetzt täglich à jour.“
Facebook ist für dich ein ganz großes Thema. Du bist auf deinem persönlichen Profil und in den von dir gegründeten Gruppen sehr aktiv, hast mal über die Bedeutung des Netzwerkes für dich geschrieben. Du schreibst, Facebook sei dein privates und berufliches Tagebuch.
„Facebook ist ein ideales Medium für mich. Meine Journalistenkollegin und Freundin Anne Philippi hat mich da 2009 rein gequatscht, als sie nach Los Angeles ging, und wir in Kontakt bleiben wollten. Ich war damals Bloggerin, hab das gern aufgegeben, als ich spitzkriegte, dass Facebook die viel bessere Plattform für mein Bedürfnis nach Wissen und Interessen teilen und Networking ist. Heute habe ich eine Community, mit der ich sehr aktiv kommuniziere, viel aktiver als ich das jemals mit den Leserinnen und Lesern von Printprodukten tun konnte. Auf meinem persönlichen Facebook-Profil mache ich meine Zeitung, in meinen Gruppen und auf der Page TheNewAfrica Special Interest. Wenn ich etwas zu sagen habe, oder eine Information, die ich für relevant halte, weitergeben möchte, dann poste ich das eben auf Facebook. Zack. Für die Themenmischung von Politik (viel), Privatem (in Maßen) und Promis (eher weniger) kriege ich viel Anerkennung. Rund 25.000 Frauen und Männer aller Altersgruppen, aller Branchen, aus 24 Ländern der Welt, konnte ich um mich versammeln. Meist schreibe ich Englisch, manchmal auch Deutsch. Die 5.000 Facebookfriends auf meinem eigenen Profil, die kenne ich entweder persönlich oder ich habe mich über sie schlau gemacht. Auf Twitter bin ich nur Konsumentin, aber an Instagram bekomme ich gerade Spaß, weil ich sehr gern und viel mit meinem iPhone fotografiere. Übrigens: Ich mache KEINE Selfies, ich finde sie furchtbar peinlich.“
Hast du irgendwelche Vorbehalte bei dem Riesenthema Datenschutz?
„Tja, ich war eine der ersten Internet-Userinnen überhaupt, ich war, bevor die Datenschutzdiskussion aufkam, eh schon drin, und ich behaupte, dass man bei mir nichts Kompromittierendes finden kann; alles, was ich im Internet verewigt habe, kann gerne in irgendeinem Datenknäuel abrufbar sein. Vorbehalte habe ich trotzdem. Wegen der Unverantwortlichkeit, mit der das Internet für Kinder und Jugendliche verfügbar ist. Da versagen für mich Politik und Gesellschaft total. Von der Tochter einer Freundin gab ein Nacktfoto auf Facebook, das hat sie mit 12 völlig arglos für ihre Freundin eingestellt, weil sie der ihren kleinen Busen zeigen wollte. Ich möchte nicht wissen, wo dieses Foto überall kursiert. Social Media und Internet MÜSSEN Unterrichtsfach an den Schulen werden und viele Eltern brauchen dringend Nachhilfe.“
Du hast auf Facebook die Gruppe „WE_NOW, Women Empowerment Now“ gegründet – was treibt dich an beim Thema Empowerment? Waren die Themen Frauenbewegung und Feminismus für dich wichtig?
„Ich bin weder frauenbewegt noch feministisch, ich will einfach nur das Beste für uns Frauen. Erst in den letzten Jahren, seitdem ich mich wieder mehr in Afrika aufhalte, ist mir diese unglaubliche Benachteiligung von Frauen und Mädchen bewusst geworden. Seitdem versuche ich mich für junge Frauen vornehmlich in Entwicklungsländern einzusetzen. Die Ungerechtigkeit dort hat kriminelle Ausmaße. Wie Frauen herabgesetzt werden, die Gewalt, die ihnen angetan wird, das ist eine Verletzung der Menschenrechte. Das ist Krieg. Selbstverständlich ist mir bewusst, dass auch bei uns in der sogenannten ,zivilisierten Welt’ – was für ein Ausdruck! – mit der Gleichberechtigung vieles im Argen liegt, aber wir können uns eher Gehör verschaffen, und wir werden eher gehört.
In der Gruppe sammeln wir Beispiele, wie wir diese Ungerechtigkeit überwinden können, zeigen die Missstände auf, berichten über Frauen, die es geschafft haben. WE_NOW ist eine Plattform der Solidarität. Das Ziel ist Aufmerksamkeit zu schaffen und das Bewusstsein einer qualifizierten Öffentlichkeit zu schärfen.“
Wie geht deine eigene Geschichte in Sachen Emanzipation?
„Ich selbst bin emanzipiert geboren, behaupte ich gern. Ich wurde 1951 geboren, also in der unmittelbaren Nachkriegszeit. Mein Vater und meine Mutter und alle Verwandten waren damit beschäftigt, sich ein neues Leben zu gestalten, einen bescheidenen Wohlstand aufzubauen. Dabei waren in unserer Familie, ich schwöre es dir, Männer und Frauen vollkommen gleichberechtigt. Die Männer haben zwar gearbeitet und die Frauen waren meist zuhause. Aber sie haben in der Nachbarschaft, in der Gemeinde, in Sportvereinen, in der Schule Verantwortung übernommen. Heute sagt man ehrenamtlich dazu, damals haben sie einfach angepackt. Diese Leistung für die Gemeinschaft machte die Frauen genauso wichtig wie die Männer, die das Geld nach Hause brachten. So bin ich aufgewachsen.
Mir ist erst als Lehrling bei der Deutschen Bank aufgefallen, dass Frauen benachteiligt werden. Während den Kollegen sofort eine Laufbahn in Aussicht gestellt wurde, ließ man uns drei junge Frauen links liegen. 1970, als ich meine Lehre abschloss – als Jahrgangsbeste – ging man bei der Bank davon aus, dass ich sowieso bald heiraten und Kinder kriegen würde, also meine Arbeitskraft bald abziehen würde. Als ich bei meinem Vorgesetzten reklamierte, dass ich mich in der Sparabteilung langweilte, lächelte er nur, tätschelte mir beschwichtigend die Wange, schenkte mir aber immerhin eine Zusatzausbildung an der Düsseldorfer Börse. Die dauerte geschlagene 14 Tage, danach wurde ich immerhin in die Auslandsabteilung versetzt. Aber wie ich schon sagte: Ehrgeizig war ich nicht, nur auf Langeweile hatte ich keinen Bock!“
In Deutschland geht es beim Thema Empowerment viel um Themen wie Geschlechtergerechtigkeit im Job, gerechte Bezahlung. Der „Spiegel“ griff neulich einen Trend auf, den der Retraditionalisierung, nämlich dass sich Frauen nach der Geburt ihrer Kinder bewusst und gern in die Rolle der Teilzeit-Hausfrau begeben. Kannst du das nachvollziehen? Autorinnen wie Bascha Mika nehmen es den Frauen übel, dass sie sich in eine solche Rolle fügen.
„Dass im 21. Jahrhundert auch bei uns in Deutschland Männer besser bezahlt als Frauen ist eine ungeheuerliche Ungerechtigkeit, ein Versagen der Wirtschaft, der Politik und der Gesellschaft. Da haben wir in Angela Merkel eine Karrierefrau als Kanzlerin und in Andrea Nahles ebenfalls eine Frau an der Spitze des Arbeitsministeriums. Beide haben das Thema auf ihrer Agenda – wie es sich so routiniert sagt – aber es tut sich nichts. Das mit der Retraditionalisierung finde ich eine vertrackte Diskussion. Viel wichtiger wäre, Familienarbeit und Fürsorge endlich die gesellschaftliche und politische Wertschätzung angedeihen zu lassen, die ihr gebührt. Die Art und Weise, wie der Begriff Teilzeit-Hausfrau benutzt wird, da schwingt ja der Vorwurf der Bequemlichkeit mit, der Versorgungsgedanke. Persönlich konnte ich es mir nie vorstellen, von irgendjemandem finanziell abhängig zu sein, weder von meinen Eltern, noch von einem Mann. Ich habe immer mein eigenes Geld verdient, und ich habe mich mit meinem Lebensstandard nach der Höhe meines Einkommens gerichtet, und weiß, dass ich mit viel weniger auskomme als ich oft verdiene.
Insofern habe ich kein Verständnis für Frauen, die ihre finanzielle Abhängigkeit total okay finden. Aber ich verurteile sie nicht, weil ich sehe, dass sie sich – zumindest solange die Beziehung gutgeht – nicht benachteiligt fühlen, sondern den Zustand als erstrebenswert und angenehm empfinden. Für mich wäre das ein Horror. Da gibt es einen Riesenunterschied, der aber nicht nur an den unterschiedlichen Generationen liegt, sondern eher in der Mentalität. Es gab schon immer Frauen, die unter Selbstverwirklichung etwas Anderes verstehen als Selbstständigkeit, das ist ein anderes Lebensmodell als meines. Und anders als das, das ich versuche, den jungen Frauen weiterzugeben, mit denen ich heute arbeite. Aber das war auch schon so, als ich noch Frauenzeitschriften gemacht habe.“
In einem Interview aus dem Jahr 2008 sagtest du über Frauenzeitschriften: „Konsum ist nicht alles, eine Zeitschrift sollte auch aufs Herz zielen und nicht nur aufs Portemonnaie“, woraufhin die Interviewer etwas spöttisch anmerkten, das sei eine ziemlich altmodische Sicht. Finde ich aus heutiger Sicht gar nicht altmodisch. Bei Online-Neugründungen ist ja heute ein großes Thema, dass man seine Zielgruppe auch emotional an sich binden muss… das Herz also total wichtig ist. Sind die großen Verlage aus deiner Sicht heute darauf eingestellt, dass man seine User und Leser anders binden muss?
„Das war ein sehr amüsantes Tagesspiegel-Gespräch zum 20-jährigen Bestehen der deutschen ,Elle.’ Ich hatte moniert, dass ,Elle’ mal zu einem x-beliebigen reinen Luxusmodemagazin mutiert war, aber Sabine Nedelchev, die ,Elle’ jetzt seit zwölf Jahren leitet, hat die Balance zwischen Kultur und Konsum wieder gefunden. Tja, ich denke, die Verlage wissen eigentlich, dass sie die Leserinnen heute anders binden müssten und auch könnten. Das scheint mir online besser zu gelingen als in Print, da werden gern noch die alten Rezepte aufgetischt: Schönheit, Diät, Horoskop und so, wenig für Herz und Hirn und schon gar nicht zur Stärkung von Frauen. Gemeinsam mit einer Gruppe von Journalistinnen untersuchen wir gerade, wie Frauen heute in den deutschen Medien dargestellt werden. Wenn man sich das genau anguckt, ist es einfach zum Kotzen, wenn ich das mal so salopp sagen darf. Wohin du schaust, Frauen als mit oberflächlichen Attributen versehene Objekte, ihrer Authenzität beraubt. Mit welcher Ignoranz Frauen reduziert werden auf Modepuppen, Sexobjekte, auf Begleiterin von Herrn XY. Diese Roter Teppich-Berichte, das ist doch kein Journalismus, das ist Voyeurismus pur. Die Modemarke, die die Frau trägt, ist wichtiger als das, was sie macht. Dass die Frau eine erfolgreiche Rechtsanwältin ist und nicht nur die Frau des Filmproduzenten, wird nicht einmal in einem Halbsatz erwähnt. Wenn du wirklich mal die deutschen Medien systematisch analysierst, dann kann dir als selbstbewusste Frau nur übel werden. So entstehen keine Leitbilder für die junge Generation.
Welche Magazine meinst du?
„Allen voran denke ich an die ganze Palette der Unterhaltungspresse und an die Boulevardmedien. Am schlimmsten sind die Regenbogenblätter mit ihrem Adels-Anbetungs-Journalismus. Aber auch die neueren wöchentlichen Peoplemagazine von ,Intouch’ bis ,Okay’ , und die großen Etablierten wie ,Stern’ , ,Bunte’ , ,Wirtschaftswoche’ und auch die Tageszeitungen schreiben oft einen unglaublichen Stuss über Frauen. Oder wie neulich im ,Manager Magazin’, da kam nicht eine einzige Frau mit einer eigenen Story vor. Ich bin überzeugt, dass sich viele Redaktionen des unwürdigen Frauenbildes, das sie vorgeben, gar nicht bewusst sind – oder sich diejenigen, denen es bewusst ist, nicht genügend Gehör verschaffen können.
Ich will aber auch gern positive Beispiele nennen. Seitdem Marion Horn die ,Bild am Sonntag’ macht, hat sich das Frauenbild dort sehr verändert. ,Donna’ von Burda ist ebenfalls frei von dämlicher Objektifizierung. Von den neuen Magazinen bin ich von ,Frei’ eher enttäuscht, zu harmlos… von ,Barbara’ bin ich dagegen angetan. Die einzige Frauenzeitschrift, die Frauen ernst nimmt und einen qualifizierten und mit der Zeit gehenden Wegbegleiter in allen Lebenslagen darstellt, ist für mich die ,Brigitte’ . Da ist nichts Vergleichbares nachgewachsen für eine 25-jährige, intelligente junge Frau, schade.“
Außer EDITION F natürlich!
„Außer EDITION F. natürlich (lacht) Aber im Printbereich? Das meiste ist austauschbar, dieselben Protagonisten, dieselben Fotos, wenig Originelles, kaum Nachrichtenwert, und kaum Meinung. Gute Neuentwicklungen finde ich hauptsächlich im Internet, es gibt spannende Blogs wie ,Fielfalt’ und Webmagazine wie EDITION F oder Broadly, die deutsche Version des internationalen weiblichen Vice-Ablegers, Refinery29 aus den USA, die finde ich alle super. Ihr geht einfach anders an die Leute ran, zeigt Haltung und haltet mit eurer Meinung nicht hinter dem Berg. Denn klar ist, dass man heute nur mit einer eindeutigen Haltung gegen die Selbstvermarktung von Persönlichkeiten und Produkten in den Social Media bestehen kann.
Das beste Onlinemedium für Frauen und alle, die wirklich eine Veränderung bewirken wollen, ist für mich die Plattform Women in the World von Tina Brown, der langjährigen Chefredakteurin von ,Vanity Fair’ und ,New Yorker’ , Gründerin des Newsportals ,The Daily Beast’ . Women in the World aggregiert die international interessantesten Storys, legt den Finger in die Wunde, gibt den wahren Changemakern die Öffentlichkeit, die andere Medien ihnen – aus Unwissen und Desinteresse – verwehren. Auch das LeanIn-Portal von Facebook’s COO Sheryl Sandberg finde ich Spitze. Women in the World und LeanIn ist es gelungen, Gleichberechtigung als globales Thema zu beschleunigen, mit ihren Konferenzen und ihrem unglaublichem Netzwerk sind sie für mich Vorreiter einer neuen Frauenbewegung.“
Du bist gerade 65 geworden – kannst du dir vorstellen, je mit dem Arbeiten aufzuhören?
„Nein! Ich bin weiß Gott nicht fromm, aber ich bete jeden Tag, dass mir meine geistige und körperliche Gesundheit noch lange erhalten bleibt. Auf meine Rente freu ich mich – ich arbeite immerhin schon seit 49 Jahren! Noch weiß ich allerdings nicht, wie hoch sie ausfällt, weil ich dachte, das Geld kommt automatisch. Hab ich erst neulich beantragt und dabei erfahren, dass sie mir als Jahrgang 1951 schon mit 63 zugestanden hätte (lacht). Ich arbeite übrigens keineswegs nur aus Spaß an der Freud. Was ich in meinen fetten Jahren auf die Seite gelegt hatte, ist leider Opfer einer Fehlinvestition und einer falschen steuerlichen Beratung geworden. Gelegentlich beschleicht mich eine diffuse Angst vor der Altersarmut. Gottseidank habe ich nie auf großem Fuß gelebt und brauche auf nichts zu verzichten. Auch bin ich mir dessen sehr bewusst, dass mein Leben als Journalistin und Entwicklungsexpertin ein großes Privileg ist, weil beide Tätigkeiten mir erlauben, ortsunabhängig arbeiten zu können. Schreiben kann man überall. Du wirst mich selten ohne mein Laptop sehen. Ich werde so lange arbeiten, wie ich kann und möchte – und es mir meine Gesundheit erlaubt. Es wäre natürlich super, wenn meine Biografie erfolgreich wäre. Aber wer weiß, vielleicht werde ich mich auch nochmal ganz neu erfinden, und mit Antiquitäten in Brooklyn handeln, oder Schreinerin werden – ist alles vorstellbar.“
Was würdest du jungen Frauen raten, falls jemand einen Ratschlag möchte
„Begreift euch als Citizens of the World, als Weltbürger. Wir leben in einem globalen Dorf, in dem man sich schnell zurechtfinden kann. Schaut über euren Tellerrand hinaus. Lasst euch nicht unter Druck setzen, von niemandem und schon gar nicht von euch selbst. Nehmt euch Zeit, euch zu entdecken. Unterstützt einander, wachst aneinander. Jede einzelne von euch ist gut, gemeinsam sind wir besser. Überwindet euren Egoismus, wir sind nur ein kleiner Teil des großen WIR das unsere Zukunft ausmacht.“
Und zum Schluss: Was hast du damals so ungeheuerliches in Indien erlebt?
„Das musst du in meinem Buch nachlesen…“
Ach komm.
„Ich habe Osama Bin Laden getroffen.“
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