Foto: Imago I Lars Berg I Vice

Irrsinn, oder Chance?

Die Hamburger rüsten sich für den G20-Gipfel der am 7. und 8. Juli 2017 in der Hansestadt stattfindet. Unsere Bundeskanzlerin persönlich hat ihren Geburtsort, das Tor zur Welt, als Standort für die Tagung festgelegt.

 

Teilnehmer sind nicht nur Argentinien, Australien, Brasilien, China, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Indien, Indonesien, Italien, Japan, Kanada, Mexiko, Russland, Saudi-Arabien, Südafrika, Südkorea, Türkei, die USA und die EU, sondern auch internationale Organisationen wie der Internationale Währungsfonds, die Weltbank, der Finanzstabilitätsrat, die Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, die Welthandelsorganisation, die Internationale Arbeitsorganisation und die Vereinten Nationen.

Mehrere tausend Mitarbeitern reisen von den unterschiedlichen Delegationen an, Trump alleine wird von 1000 Mitarbeitern begleitet.

Der Gipfel, der dem Grunde nach ein Arbeitstreffen sein sollte, wird gerahmt von verschiedenen Veranstaltungen für die Ehrengäste wie z.B. dem Besuch der Elbphilharmonie oder Galadinners.
Da diese über die Stadt verteilt stattfinden und auch die Unterkünfte nicht zentral zusammengefasst sind, wird sich die gesamte Stadt in einem Ausnahmezustand befinden.

Umfassende Straßensperren werden eingerichtet, eine 38 Quadratkilometer große Sicherheitszone mitten im Zentrum einer Millionenstadt, Geschäfte werden zwangsweise geschlossen, andere Geschäftsinhaber machen G20-Sales im Vorfeld und schließen ihre Läden freiwillig, U-Bahnhöfe werden gesperrt, starke Einschränkungen sind auch beim Fernverkehr vorhergesagt – und all dies neben der Einrichtung von panzerbrechenden Barrieren, Luftabwehrsystemen und Scharfschützen mitten in Wohngebieten. Schulen haben aus Sicherheitsgründen geschlossen, ein Drittel der Hamburger verlässt die Stadt, andere tätigen Hamsterkäufe um an den Tagen das Haus nicht verlassen zu müssen.

100.000 Demonstranten haben sich angekündigt, doch es besteht an diesen Tagen Demonstrationsverbot. Straßenschlachten sind quasi vorprogrammiert, betrachtet man die Mischung aus Erdogan- und Trump-Gegnern, kurdischen Gruppierungen, Links- und Rechts-Extremisten, die sich alle durch den G20-Gipfel nach Hamburg gerufen fühlen.
Sicherheitsfragen überschatten seit Wochen den eigentlichen Sinn und Zweck dieses Gipfels. Kaum jemand fragt nach den Inhalten und dem eigentlichen Nutzen.

Ein Hamburger Polizist schreibt in einem offenen Brief, dass er als Polizist dazu aufgerufen ist in seinem Beruf immer „Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit“ bei polizeilichen Maßnahmen abzuwägen und fragt, wo sich „Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit“ bei der Entscheidung einen solchen Gipfel in einer Großstadt stattfinden zu lassen, von Politik-Seite widerspiegeln.

Befriedend ist letztendlich nur, dass in allem eine Chance steckt: Der Gipfel lässt die Bürger näher zusammenrücken. Für viele Menschen ist der Gipfel Anlass um sich stärker mit dem Thema Demokratie und Freiheit auseinanderzusetzen, oder auch mit dem Thema Macht und Fremdbestimmung. Unzählige kleinere Organisationen wählen den Gipfel um auf sich aufmerksam zu machen, um ihren Stimmen Ausdruck zu verleihen in Form von Kunst- oder Theater-Performances, Diskussionen oder Bürgertreffs. Gerade in den Wochen vor dem Gipfel gab es unzählige wertvolle, reflektierte und kreative Veranstaltungen, die dazu angeregt haben über das Menschsein aus globaler Sicht und unser Zusammenleben auf diesem Planeten nachzudenken, und gemeinsam Lösungen zu erarbeiten und zu leben. Somit könnte man schon vor dem eigentlichen Gipfel durchaus von einem Erfolg sprechen – und nun müssen wir nur noch den Irrsinn in der nächsten Woche heil überstehen.

Nina Schmid, Juni 2017

Ich wünsche uns allen, den Bürgern der Stadt Hamburg sowie allen Polizisten und Feuerwehrleuten die im Dienst sind, dass wir den Gipfel unbeschadet überstehen und uns im Geiste und im Herzen auf das konzentrieren können, was wir auf zwischenmenschlicher Ebene bewegen können. Den Politikern und Delegierten wünsche ich Offenheit und Bewusstsein für Ihre Vorbildfunktion und ihre Verantwortung.

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