Isabel García ist Rhetorik-Coach und ihr Motto ist, dass jeder ein guter Redner sein kann – man muss nur herausfinden, wie der eigene Weg dahin aussieht. Wie man das macht und wie sie auf Umwegen zu ihrem Job kam, erzählt sie uns im Interview.
„Helmut Schmidt war ein großartiger Redner – aber man sollte Vorbildern nicht zu sehr nacheifern”
Früher hätte sich Isabel García nie träumen lassen, dass es sie mal auf die große Bühne zieht – dafür war sie viel zu schüchtern! Und bis es dann soweit war, dauerte es auch eine Weile. Denn bevor sie ihre Berufung als Rhetorikexpertin entdeckte, absolvierte sie erst einmal eine Gesangskarriere und ging dann zum Radio. Doch schließlich kam sie zum Schreiben und landete mit „Ich REDE. Kommunikationsfallen und wie man sie umgeht” gleich einen Bestseller.
Wie aber wird man denn nun selbst zu einem Rhetorik-Profi? Und wie hat sie selbst ihre Scheu überwunden? Das alles erzählte uns Isabel im Interview.
Wie wurden Sie Kommunikationsexpertin? Konnten Sie schon immer gut „reden” oder mussten Sie das auch erst lernen? Wenn ja, wie haben Sie es gelernt?
„Ich hatte schon immer Spaß mit Worten zu spielen und meine Eltern und Freunde mit lustigen Briefen zum Lachen oder mit Gedichten zum Nachdenken zu bringen. Allerdings war ich sehr schüchtern und introvertiert noch dazu, deswegen habe ich mich all das nur in einem kleinen geschützten Rahmen getraut, in dem ich mich sicher fühlte. Auf die große Bühne hätte ich schon früh Lust gehabt, habe mir aber nie träumen lassen, dass ich dafür mal den nötigen Mut aufbringe.”
Wie haben Sie die Scheu dann überwunden?
„Ich habe es dann schließlich über das Singen geschafft. Mit 14 Jahren wurde mein Talent entdeckt und erst mit 21 traute ich mich an den ersten öffentlichen Auftritt bei einer Hochzeit. Danach ging es Schlag auf Schlag, weil ich immer häufiger gebucht wurde für Konzerte und sogar mit 24 Jahren einen Gesangswettbewerb gewann. Nun hatte ich als große Aufgabe, mich mit meinen Ängsten auseinander zu setzen. Vor allem der Schauspielunterricht während meines Gesangsstudiums hat mir dabei sehr geholfen.”
Was haben Sie aus dieser Erfahrung für ihre Arbeit als Coach gezogen?
„Dieser Weg macht mich in meinen Augen zu einer guten Trainerin, weil ich genau weiß, wie ich gelernt habe mir eine gute Stimme zu erarbeiten, mein Reden zu verbessern und mit dem Lampenfieber umzugehen. Naturtalente bekommen dies geschenkt, doch ich gehörte nie zu dieser Gruppe: ich habe es mir erarbeitet und kann daher genau zeigen, wie es geht.”
Können Sie uns etwas zur Entwicklung der Rhetorik erzählen?
„Das kann ich schnell auf den Punkt bringen: Wir haben einfach angefangen, wurden kompliziert und jetzt wird es langsam wieder einfach. Damit meine ich, dass schon vor zig tausend Jahren klar war, dass wir gute Gespräche führen, wenn wir ehrliches Interesse an unserem Gegenüber haben. Dann kam auf einmal die eine Flut an Regeln nach Deutschland geschwemmt und die Menschen konzentrierten sich fast mehr auf die Regeln, als auf das Gegenüber beziehungsweise ein gutes Gespräch. Und nun gibt es wieder eine Kehrtwendung zu den alten Werten. Das bedeutet, dass wir seit Aristoteles zwar einige neue Wege ausprobiert haben, meines Erachtens aber einige ins Leere führten.”
Wenn Sie die Möglichkeit hätten: Würden Sie gerne Aristoteles – den Mitbegründer der Rhetorik in der griechischen Antike – treffen? Falls ja: Was würden Sie ihn fragen?
„Wie ich auf ihn wirke. Es würde mich sehr interessieren, ob ich mit meiner heutigen Rhetorik damals hätte überzeugen können.”
Wie unterscheidet sich die Sprache und Rhetorik im Radio von der alltäglichen Sprache?
„Im Radio sind wir direkter und näher dran. Als Moderatorin war meine Hauptaufgabe, so persönlich wie möglich zu klingen. Dafür hängen sich Anfänger ein Foto von dem besten Freund ins Studio und denken bei Moderationen nur an ihn. Natürlich würde kein Radiomoderator privat seinem besten Freund alle zehn Minuten Wetter und Verkehr erzählen, aber hier geht es nicht darum, wie real das ist, sondern um die richtige Ansprechhaltung. Selbst wenn ein Radiomoderator sein Publikum siezt, so soll er doch wie der nette Nachbar klingen, mit dem der Zuhörer Pferde stehlen kann.
Und da die meisten Moderationen nur eine oder maximal zwei Minuten lang sein sollen, kommen wir direkt und ohne Umschweife auf den Punkt. Das läuft privat häufig anders, weil wir da einfach drauf los reden, während ich mich als Radiomoderatorin stets im Vorfeld überlegt habe, warum ich diesen Inhalt erzählen will, was meine Zuhörer für einen Mehrwert haben und wie ich dafür sorgen kann, dass sie die wichtigsten Details im Kopf behalten. So viele Gedanken machen wir uns vielleicht mal bei einer beruflichen Kundenpräsentation oder einer privaten Hochzeitsrede, aber nicht bei jedem Telefonat oder Kantinengespräch.”
Gibt es den „geborenen Rhetoriker”?
„Oh ja, wir alle sind das. Als kleine Kinder sind wir großartig. Wir können unseren Eltern Löcher in den Bauch fragen und haben somit tolle Fragetechniken drauf. Wir wissen ganz genau, wie wir Mutti emotional erpressen, um doch den Schokoriegel vor der Supermarktkasse zu bekommen. Wir schauen uns neugierig und interessiert um und probieren uns unbedarft aus.
Und dann werden wir älter, kommen in die Schule und wir lernen, dass die meisten eben keine geborenen Rhetoriker sind. Wir werden häufig verunsichert und meistens verändert. Und damit will ich gar nicht gegen Lehrer wettern, denn ich finde, dass die meisten einen tollen Job machen. Ich wettere viel mehr gegen das Schulsystem in Deutschland.
Ich hatte vor sieben Jahren einen 59 Jahre alten Mann bei mir im Einzeltraining, dem ich bei einer wichtigen Rede half. Er meinte, dass er seit der Schule großes Lampenfieber hat und nicht mehr vor anderen reden mag. So tief können die Wunden und Verunsicherungen sitzen. Diese Leute rennen dann mit 20, 30, 40 oder wie dieser Herr mit über 50 Jahren zum Rhetoriktraining und sind danach häufig noch verunsicherter, weil sie auf viele Regeln stoßen und sich noch mehr von ihrem eigenen authentischen Auftreten entfernen, das ihnen Sicherheit geben würde.”
Welche Person der Öffentlichkeit ist Ihrer Meinung nach ein starker Rhetoriker? Von wem kann ich mir etwas abschauen?
„Helmut Schmidt war ein großartiger Redner. Wenn Sie sich im Internet alte Reden oder Interviews von ihm anschauen, dann können Sie eine Menge lernen. Barack Obama ist auch ein sehr überzeugender Rhetoriker.
Wobei ich nicht dazu rate, sich von anderen viel abzuschauen. Dies führt häufig zum Kopieren und damit gewinnen wir keine gute Rhetorik. Wir werden immer besser, wenn wir uns auf unsere eigenen Stärken besinnen, die wir unbewusst schon leben. Daher lege ich den Fokus in meinen Vorträgen auf das Selbstbewusstsein. Ich möchte, dass die Zuhörer sich selbst bewusst wahrnehmen, damit sie in Zukunft ihre ureigenen Stärken auch in schwierigen Situationen reproduzieren können.”
Welche Rolle spielt das „Zuhören” in der Kommunikation?
„Eine wahnsinnig große Rolle. Buddha meine mal sinngemäßig, dass wir immer dasselbe hören, wenn wir selbst reden und dass wir häufig etwas Neues hören, wenn wir anderen zuhören.
Das finde ich sehr schlau. Wir lernen neue Blickwinkel, neue Aspekte und neue Argumente und selbst Aristoteles meinte schon, dass es wichtig ist, sein Gegenüber nicht nur mit Emotionen zu überzeugen, sondern vor allem mit inhaltlichen Argumenten. Dafür ist das Zuhören wichtig.
Da ein gutes Gespräch auf Augenhöhe stattfindet, gehört das Zuhörern dazu wie der Apfel zum gesunden Apfelbaum. Augenhöhe entsteht, wenn Sie Ihrem Gegenüber neugierig zuhören und versuchen seinen Blickwinkel zu verstehen. Nur selbst zu reden wäre ein Vortrag nach dem Frontbeschallungsprinzip, ein Monolog, ein Missionieren oder dozieren. Das alles ist in meinen Augen auf Dauer nicht erfolgreich, um eine gute Beziehungsebene und somit ein Gespräche auf Augenhöhe aufzubauen.”
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