Politikwissenschaften studiert, Jobs bei Versace, Axel Springer, seit 2014 Mitgründer der Jobbörse „Jobspotting“ – Robin Haak hat schon viel erlebt. Wir haben mit ihm über seine Auf’s und Ab’s gesprochen.
Wenn die Arbeit zum Leben wird
90 Stunden arbeiten pro Woche, schlafen im Büro, nicht mehr wissen, wo man ist. All das hat der 29-jährige Robin Haak bereits hinter sich, wie er erzählt, als ich ihn für ein Interview im Office seiner jetzigen Arbeitsstelle treffe: Das Büro von Jobspotting, einer personalisierten Jobsuche, in der Berliner Torstraße. Seit Mai 2014 ist er als Mitgründer mit dabei – eigentlich nur durch Zufall.
Der gebürtige Hannoveraner studierte in Salzburg „Politikwissenschaften“ sowie „Recht und Wirtschaft“. Mit 15 wollte er irgendwas in Richtung Investment oder Banking machen, Geld verdienen, reich werden. Im Nachhinein, sagt Robin, ist das totaler Quatsch. Früher habe er kaum auf seine innere Stimme gehört, sondern das gemacht, was die meisten anderen vorhatten. Er hätte viel mehr Courage zeigen und auf seine eigenen Fähigkeiten vertrauen sollen, anstatt „viel zu lange Dinge für andere zu tun“, so Robin weiter. Diese Erkenntnis kam ihm zum Glück noch früh genug.
Eine neue Richtung einschlagen
Nach seinem Bachelor in Salzburg, studierte er Medienmanagement an der Hamburg Media School. Außerhalb seines Studiums machte er Praktika in den Bereichen Radio, Print, Bewegtbild, Firmenberatung sowie internationalem Vertrieb. Während seines Management-Studiums ging er für ein Praktikum als Assistent des Einkaufs bei Versace nach New York.
Zeit zum Durchatmen ließ sich Robin nicht. Er arbeitete rund um die Uhr. Nachdem er seinen Körper in den arbeitsintensiven Monaten in New York stark vernachlässigt hatte, sagte er, zurück in Hamburg, seinem Körpergewicht von fast 120 Kilogramm den Kampf an. Was für ihn bedeutete: Keinen Milliliter Alkohol und zehn Mal pro Woche Sport – Crossfit, Rugby, Gym, eine Runde um die Alster. Endlich das machen, worauf er „Bock hat“, wie zum Beispiel den Jakobsweg gehen. Warum auch nicht? Aus den ursprünglich 120 Kilogramm wurden 88.
Schließt sich die eine Tür, öffnet sich eine andere: Durch Zufall traf er auf Jens Müffelmann – bei Axel Springer für die Acquisition, Digitalisierung und Zukäufe zuständig – mit dem er bereits bei einem Vortrag an seiner Hochschule aneinander geraten war. Er bot ihm einen Job bei Axel Springer an. „Nein, auf gar keinen Fall“, war Robins Antwort – zumindest vorerst. Es folgten weitere Treffen und schließlich ein sechsmonatiges Bewerbungsverfahren. Da nur alle zwei Jahre jemand angestellt wurde, musste sich das 15-köpfige Team einstimmig für ihn entscheiden:
„Du bist positiv verrückt. Wir brauchen einen von dir, aber auch nur einen.“
Auch Robin war beeindruckt von der Digitalisierung und vom Team, so dass für ihn klar war: Da will ich mitwirken.
Auf Kosten der Gesundheit
Ein Jahr lang schnupperte er als Trainee in alle Bereiche von Axel Springer hinein, war aber vor allem im Geschäftsführungsbereich Elektronische Medien beheimatet. Anschließend wurde er als Senior Associate übernommen. Was folgte war ein Arbeitsrhythmus von 8.00 morgens bis 1.00 nachts – immer zusammen mit einem großartigen Team, dass sich gegenseitig stützte und voranbrachte. Und das, war einfach großartig: „Mehr geht nicht“, sagt Robin, wenn er an diese Zeit zurückdenkt. Aber Anscheinend doch: Als Axel Springer SE und der Plug and Play Tech Center entschied, ein 50/50 Joint Venture Accelerator – die Axel Springer Plug and Play Accelerator GmbH – zu gründen, wurden Robin und seine Kollegin Luise Gruner darum gebeten, dies zu übernehmen.
Für die beiden hieß es nun gemeinsam mit den Kollegen Kontakt zu Startups zu suchen, ein Programm aufzustellen, Mentoring zu leisten, Investoren mit ins Boot zu holen. Sie investierten damals in insgesamt 45 Startups, darunter ZenMate und Number26. Er habe in diesem Job unfassbar viele Chancen gehabt, spannende Kontakte zu knüpfen, Minister sowie Botschafter zu treffen, erzählt Robin.
„Berlin, London, Berlin, London, Krakau, Sofia. Irgendwann wusste ich nicht mehr, wo ich war.“
Die Arbeit war sein Leben. Selbst die Nächte hat er im Büro verbracht – Sport oder Freundschaften waren in dieser Zeit kaum möglich. Einige Freunde von damals habe er danach aussortiert – die wichtigsten sind allerdings bis heute geblieben, und viele neue Freunde, die selbst aus der Startup-Szene stammen, sind dazugekommen, sagt Robin.
„Die Freunde, die dann immer meinten ,Ja, ich bin Creative Designer in Berlin und verschwinde für drei Tage ins Berghain‘, waren nicht meine Welt. Das gab es für mich einfach nicht.“
Für ihn galt: Arbeit rund um die Uhr. Bis sein Körper diesen Rhythmus nicht mehr mitmachte und sein Kreislauf in Meetings plötzlich zusammensackte. Dass er in dieser Zeit besser auf seinen Körper hätte hören sollen, sei ihm auch erst im Nachhinein bewusst geworden.
Jobspotting: Liebe auf den ersten Blick
Während seiner Arbeit bei der Plug and Play Accelerator GmbH lernte er die Gründer von Jobspotting kennen: Es war Liebe auf den ersten Blick. Vor ihm saßen drei Jungs, die zwar schon Erfahrungen bei Google gesammelt hatten und in technologischer Sicht ziemliche „Brains“ waren, doch suchten sie noch einen „Quatschkopf“. Jemand, der gut und gerne reden kann, der sich um Dinge wie Marketing und Finanzierung kümmert. Anders gesagt: Jemanden wie Robin.
„Da saßen die drei vor mir, hatten nicht mal ein Logo und erzählten mir, was sie Geiles vorhaben.“
Für ihn sei es eine super harte Entscheidung gewesen. Bei Axel Springer sei er mit allem, auch mit dem Vorstand, auf einer angenehmen Ebene gewesen, hatte viel Zugang zu BILD-Chefredakteur Kai Diekmann, und anderen einflussreichen Menschen. Aber:
„Wenn du die ganze Zeit Leute vor deiner Nase hast, die gründen, willst du es irgendwann selbst.“
Im Mai 2014 unterschrieb er den Vertrag. Heute arbeiten zwölf Leute in dem Büro. Gemäß Stand im Oktober 2015 ist Jobspotting auf vier Kontinenten in insgesamt neun Ländern vertreten. Anders als bei seinen früheren Arbeitsstellen, gibt es in ihrem Unternehmen weder Strukturen noch Hierarchien. Alle dürfen so viel von Zuhause aus arbeiten wie sie wollen, keiner soll sich verbrennen.
Endlich wieder einen menschlichen Rhythmus
Von 10.00 bis 18.00 Uhr ist Robin nun unter der Woche im Büro, ziemlich moderate Arbeitszeiten – ganz ohne psychologischen Druck. Ausschlafen, Sport machen und Freunde treffen passen wieder locker in seinen Tagesplan.
„Ich bin dafür, immer ganz langsam anzufangen. Nach hinten raus kann man immer noch eskalieren.“
Ob er im Nachhinein etwas anders machen würde? Er überlegt kurz, verneint dann aber ganz schnell. Zwar sei seine Schulzeit von vielen „Downs“ und auch Schulwechseln geprägt gewesen, er war immer derjenige, der anders war, anders dachte. Aber wenn er nicht selbst irgendwann zu dem Punkt gekommen wäre, an dem er Eigeninitiative zeigen musste, um aus dem Schlamassel herauszukommen, säße er wohl jetzt nicht hier.
Er hätte lediglich früher erkennen sollen, dass er mit Banking und BWL nie glücklich geworden wäre, überlegt er schmunzelnd.
„Ich hätte schon viel früher die Courage zeigen und sagen müssen: Ich konzentriere mich auf das, was ich gut kann – egal ob es euch passt oder nicht.“
In der Startup-Szene fühlt er sich „angekommen“. Dort treffe er Leute, die genauso anders denken und verrückt sind wie er. Das einzige, was er noch vermisse, wäre eine Frau und „ganz viele Kinder, die auf seinem Gesicht umher krabbeln“.
Die Vorstellung, für immer – also für die nächsten 30 Jahre – an der gleichen Arbeitsstelle zu bleiben, lässt ihn tief durchatmen. Für immer? Eine schwierige Frage. Wenn er mal gehen sollte und gar keine Lust mehr hat auf das ganze Startup-Leben, hat er auch schon einen Plan B: Barkeeper in San Sebastián, Fahrradkurier in San Francisco oder Bergführer.
Viel Glück, lieber Robin!
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