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“K” wie Kokolores

Über Romantik, Auf-K-abenverteilung und Sauerstoff

 

„Mama, kann man eigentlich mehrmals heiraten?“
Mein 5-jähriges Töchterlein macht Hochzeitspläne. „Ja“ sage ich, woraufhin sie
erwidert: “Oh cool, dann heirate ich alle Männer und dann gehören alle mir.“ Als ich einwende, dass man sich vorher erst scheiden lassen müsse, findet sie das sehr schade. Ich tröste sie: „Wer weiß, vielleicht ändern sich ja auch die Gesetze bis du erwachsen bist und das ist dann doch möglich“. Ein Aufleuchten im Kindergesicht: „Ok, dann heirate ich zehn Männer!“.

Gemeinsam überlegen wir, was die Spezialitäten der Männer sein sollten: Der eine sollte viele Witze erzählen können, der nächste kaputte Spielsachen reparieren können, usw…..

Schließlich frage ich nach dem letzten Mann, mein Mädi sagt spontan: „Der soll die ganze Zeit immer bei mir sein.“

Oh Kindermund! Ist das nicht genau das, was in unserer sogenannten Rushour des Lebens zwischen 30 und 40 in Paarbeziehungen mit kleinen Kindern entweder nicht mehr möglich, oder gar nicht mehr gewünscht ist, diese Zweisamkeit? Wo soll sie auch stattfinden? Vorbei die Zeit des gemeinsamen um die Häuser Ziehens, vorbei die Zeit der romantischen Nachtspaziergänge. Lernte man sich beim Tangoabend kennen, kann heute nur noch einer alleine dort hingehen, war früher die Sneak im Off-Kino die gemeinsame Leidenschaft, kann sich heute nur noch einer alleine mit einem Film überraschen lassen. Gemeinsame Theaterabende mit after-hour- Analysen im Foyer – passé. Ganz
zu schweigen von wilden Partynächten, die – geben wir’s doch zu, uns auch
manchmal ein bisschen fehlen… Die Ausnahmen bilden vielleicht einige wenige
teure Babysitter-Abende, WENN sich die Kinder dann auch mal von jemand anderem ins Bett bringen lassen.

Sofa, Sofa und nochmals Sofa? Vielleicht ist ein Tatort-Sonntag-Abend pro Woche ganz erbaulich und kuschelig,aber dann?


Auch die tiefgründigsten Gespräche und wildesten Sexualpraktiken entbehren ihrem Reiz, wenn sie in den immergleichen vier Wänden zu den immer gleichen Kinderschlafenszeiten stattfinden müssen.


Sie werden förmlich erstickt. Und so fängt ein jeder an nach Luft zu schnappen. Nach Luft, außerhalb von Kindern, Küche, Karriere und Kleinfamilienwohnung. Auch Partner oder Partnerin, nun hauptsächlich als Kohle-Ranschaffer und
Kinderbetreuer agierend, erscheinen womöglich schon ganz grau vor lauter Ks,
die sich ja ewig weiter fortsetzen lassen: über Kauflandgroßeinkäufe, Kakabeseitigung, Kindergarten- und Kuchenbackdienste, Katastrophenmanagement, Kinderkutschfahrten, Klamottencheck, Krankenlagerbetreuung, etc… reichen sie hin bis schlussendlich
zum „sexy“ Klo putzen.


Der Gender Care Gap


Da nun auch heute noch die allermeisten Ks – bis auf das Karriere-K, von den Männern übernommen werden und diese Ks in der Summe und in der Regel einen Seven to nine –Job bedeuten (mit Säuglingen eher seven to seven to seven), liegt die Luftschnapp-Option für diese Männer mit
kleinen Kindern bei ungefähr gleich Null. Den Frauen bleibt – ausgehend vom
Karriere-K- immerhin noch die Option: „Schatz es wird heute später“. Ob
Mittags-, Kaffepause oder after-work-chat mit den Kollegen/innen, immerhin –
kleine Inselchen Niemandsland. Außerdem greifen die Damen dann gern auch zum (durchaus berechtigten) Ausgleichsargument: Da sie den ganzen Tag im Büro säßen, bräuchten sie den sportlichen Ausgleich am Abend. Während die Männer weiterhin zu Hause mit den Kindern beschäftigt sind und diese nun auch noch alleine in endlosen Zeremonien ins Bett zu liebkosen suchen, freut sich Frau beim Yoga.

Die meisten Familienväter kleiner Kinder, die ich kenne, die zumindest ab und zu mal ein wenig an der Luft umherflattern dürfen,  erkämpfen sich
ihren Sauerstoff so mühsam, dass für diesen Kampf die erkämpfte Menge
Sauerstoff direkt wieder draufgeht, wenn nicht das Doppelte. Ein Nullsummen-
bzw. Verlustspiel.  Jeder Kubikzentimeter Sauerstoff kostet teuerste Rechtfertigung, sodass Frau ganz nebenbei auch noch im Detail über Pläne und Aufenthaltsort des Mannes während dessen Freiflug im Bilde ist.

Bitter ist für die Männer natürlich insbesondere, dass sie mit wenig Anerkennung für ihren seven to seven to seven – Job rechnen dürfen, während sich die Frauen zumindest hin und wieder in ihren beruflichen Erfolgen sonnen können, wenigstens aber handfesten Mammon aufs Konto bekommen.

Oh pardon,
da hat sich ein Fehler ins Programm eingeschlichen:


Liebe Leser, bitte im obigen
Abschnitt „Männer“ gegen „Frauen“ austauschen und „Yoga“ gegen „Fußball“.


Aber mal im Ernst, wie liest sich das? Der Gender Care Gap liegt laut aktuellem
Gleichstellungsbericht der Bundesregierung immer noch bei 52%. Übersetzt heißt das: Frauen in Paarbeziehungen leisten durchschnittlich 1,5 Stunden mehr Familienarbeit täglich. Zur Familienarbeit zählt quantitativ alles, was für das Paar oder die Familie getan wird, Erwerbs-, Haushalts- und Sorgearbeit. Natürlich liegen diese 1,5 Stunden Mehrarbeit der Frauen in der unbezahlten Sorgearbeit. In Familien mit Kindern liegt der Gender Care Gap bei 83,3%.

Doch selbst in kinderlosen Paarbeziehungen ist er mit 35,7 % bereits erstaunlich hoch.

Meine Freundin beugt dem heute schon
vor. Vor kurzem sagte sie zu ihrem mittlerweile langjährigen Freund, mit dem
sie (noch kinderlos) zusammenwohnt und studiert: „Ich möchte dass wir uns
verabreden wenn wir den Abend gemeinsam verbringen wollen. Wenn wir nicht
verabredet sind möchte ich nicht wissen wo du bist und ich werde keine
Rechenschaft darüber ablegen wo ich bin und was ich tue.“ Der Freund war
spontan perplex und begeistert. Weg war sie, die Erwartungshaltung, jeden Abend
nach Hause zu „müssen“, weg war das schlechte Gewissen bei eigenen
Interessensverfolgungen, weg war das Zuständigkeits- und Verantwortungsgefühl
für den anderen. Seltener wurde die gemeinsam verbrachte Zeit, aber frisch,
froh, frei und wieder prickelnd gestalteten sich ihre Verabredungen.  Sie hatten sich plötzlich wieder viel zu
erzählen und bereicherten sich gegenseitig. Nur einmal sagte der Freund: „Kann es sein dass du nicht mehr für mich einkaufst?“. „Ja“ sagte
meine Freundin, „meistens esse ich abends nur eine Kleinigkeit und habe bisher
oft nur für dich noch etwas „Richtiges“ besorgt. Wenn ich aber gar nicht weiß
wo und wie du den Abend verbringst, warum sollte ich für dich einkaufen?“. Der
Freund nickte und schwieg. Noch haben sie keine Kinder. Wird meine Freundin
dann in den ersten Monaten, Jahren überwiegend auf ihren Sauerstoff zugunsten des Säuglings verzichten, wünsche ich ihr eine kampffreie Rückeroberung der Atemluft. Oder wenigstens 50% des zugegebenermaßen erheblich geschrumpften Gesamtstoffes. Sodass sich das Paar weiterhin auf Augenhöhe und gleichermaßen (un-) bzw. ausgeglichen begegnen kann.

Oder wir plädieren eben doch für den Gesetzesentwurf meiner Tochter: Jede Frau sollte 10 Männer heiraten dürfen. Einen für jedes K. Das würde dann umgekehrt natürlich auch gelten!

Aus dem zweiten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung:

„(Fehl)anreize in Paarbeziehungen

Die Aushandlungsprozesse in
Paarbeziehungen in Bezug  auf  Arbeitsteilung  sind 
beeinflusst  durch  steuer- 
und  sozialversicherungsrechtliche
Regelungen,  die  zum 
Teil  starke  Anreize 
zur  Spezialisierung  auf  Erwerbs-
oder Sorgearbeit, jedenfalls in Ehen und Eingetragenen  Lebenspartnerschaften,  setzen.“

Gutachten für den Zweiten
Gleichstellungsbericht der Bundesregierung

Erwerbs- und Sorgearbeit gemeinsam neu gestalten

www.gleichstellungsbericht.de


Artikel zuerst erschienen auf: www.maennerheldinnen.com



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