Katja Schleicher ist Trainerin und Expertin für Public Speaking und Medienauftritte. Christiane Wolff hat sie gefragt, worauf sich besonders Frauen bei Podiumsdiskussionen gefasst machen sollten und wie sie sich am besten vorbereiten.
Fallstricke für weibliche Rednerinnen
Zwei Fälle aus meinem Bekanntenkreis haben mir mal wieder vor Augen geführt, welche Fallstricke es geben kann, wenn man als Frau auf die Bühne geht. In einem Fall wurde die weibliche Mitdiskutantin von ihren vier männlichen Kollegen – und sogar von der Moderatorin – im Verlauf der Diskussion schlicht links liegen gelassen. Jeglicher Versuch, sich ins Gespräch einzubringen, wurde von den männlichen Protagonisten ignoriert.
Darüber hinaus gab es für die fünf Podiumsteilnehmer zu wenige Mikrofone – die sich natürlich gleich die vier männlichen Protagonisten geschnappt haben. Beim zweiten Fall – es ging um einen Vortrag, bei dem die Referentin einen Kollegen mit in die Veranstaltung als Redner gebracht wurde und sie dann bei der Ankündigung durch den Moderatoren schlicht als Mitarbeiterin des männlichen und nach ihr Vortragenden angekündigt wurde.
Katja Schleicher ist Trainerin und Expertin für Public Speaking und Medienauftritte mit besonderem Augenmerk für weibliche und männliche Kommunikationsmuster und erlebt ähnliche Fälle immer wieder. Ich habe sie für euch gefragt, was sie empfiehlt:
1. Wie bereite ich mich am schlauesten auf einen Vortrag oder eine Teilnahme einer Podiumsdiskussion vor?
– „Notiere vorher, was das Publikum aus deinen Wort-Beiträgen erinnern soll. Was ist für das Publikum besonders nachvollziehbar und von besonderem Interesse? Am besten als priorisierte Liste notieren. Danach zu jedem einzelnen Punkt einen Satz notieren, der als Schlagzeile abgedruckt stehen könnte. Danach jeden dieser Sätze auf einem Extra-Blatt notieren. Dann Argumente und Beispiele, eventuell auch Statistiken et cetera auf dieser Seite sammeln. Schon durch diese Vorbereitung verinnerlicht ihr alle Inhalte viel besser und reduziert Unsicherheit auf der Bühne.
– vorab einen Telefontermin mit der Moderatorin oder dem Moderator machen. Herausfinden, in welche Richtung die Podiumsdiskussion gehen soll. Was ist die Intention des Veranstalters? Was die des Moderators? Mancher Moderator ist froh, wenn sich in der Vorbereitung schon eine inhaltliche Richtung von Seiten der Diskutanten ergibt. Kennt der Moderator die anderen Diskussions-Teilnehmer? Wenn ja, woher? Es macht einen Unterschied, ob der Moderator ein Ex-Kollege ist oder ein Journalist, den der andere noch nie leiden konnte…
– die anderen Podiumsteilnehmer vorher telefonisch kontaktieren. Das wird viel zu selten als Vorbereitung genutzt. Die meisten erzählen gern, worum es ihnen besonders geht. Hier lassen sich wunderbar Allianzen bilden, auf die man während der Podiumsdiskussion zurückgreifen kann. Und bei denen, die sich querstellen, weiß frau dann schon von vornherein, wo es kompliziert werden könnte.
Tun:
Wer vorher einen Plan gemacht hat, kann nachher flexibler auf alles reagieren, was auf der Bühne passieren kann (und wird.). Gern einen Sparring-Partner zur
Vorbereitung einladen. Du musst nicht jede gute idee selber haben.
Lassen:
Auf Bruder Zufall vertrauen („Ich bin ein nettes Mädchen und warte erstmal, was mir der Moderator für Fragen stellt“). Es passiert ohnehin genug Unerwartetes auf der Bühne.“
2. Wie wirke ich auch mit meiner Kleidung am professionellsten? Worauf sollte ich achten?
„Ich überlasse alle Styling-Tipps (Farbe, etc.) den entsprechenden Experten und konzentriere mich hier nur auf die Dinge, die auf der Bühne essentiell sind: Unbedingt vorher mit dem Veranstalter abklären, was es für Mobiliar auf der Bühne gibt: zu tief im Couchsessel hängen ist genauso schwierig wie ein unbequemer Barhocker ohne Rücken-Lehne und Bein-Stütze…Danach könnt ihr euch über Rock-Länge und Hosenschnitt Gedanken machen. Immer daran denken: Sitzt ihr auf einer erhöhten Bühne, schaut das Publikum in direkter Linie auf eure Knie und die Schuhe. Wenn ihr auf Barhockern sitzt oder lehnt, wird die Po/Hüft-Partie betont. Steht ihr an Tischen, gilt es besonders auf den Oberkörper zu achten.
Das Outfit immer in der Bewegung testen. Wer auf die Bühne stakst, weil er auf High Heels nicht laufen kann, macht sich lächerlich. Wer sich ständig am Oberteil oder der Hose rum zupft (weil verrutscht), wirkt wenig souverän. Das Outfit unbedingt einmal Probe tragen (Büro, Meeting, Präsentation). Und erst danach entscheiden, ob ihr euch auch nach vier Stunden und leicht gestresst noch wohl darin fühlt.
Ein Test-Selfie kann nie schaden (dann zeigt sich schnell, ob eventuell der BH durchscheint etc.). Vorher überlegen, wo der Empfänger für das Mikrofon und das Mikrofon selbst befestigt werden können.“
Kann ich mein Lampenfieber reduzieren? Wenn ja, wie?
„Gute Vorbereitung ist wirklich die halbe Miete. Fragt euch außerdem, was euch gut tut vor einem Auftritt: Manche brauchen Ruhe und Selbstbezogenheit, andere reduzieren die Aufregung gerade, indem sie mit anderen reden. Rechtzeitig da sein. Last Minute verstärkt Stress grundsätzlich. Wer kann und mag: bewusst ausatmen. Hilft in jeder Stress-Situation. Ja, und es hilft auch, wenn man weiß, wo die Toiletten sind. Wenn man dahin rennen muss, endet das oft mit Stolpern und umgeknickten Knöcheln. Bei wem es ganz schlimm ist: eine Freundin oder andere Vertrauensperson mitnehmen, die einem den Rücken frei- und die Hand hält.“
Der Weg zur Bühne ist ja auch schon ein Teil meines Auftritts. Hast du Tricks?
„Zwei Aspekte werden – besonders von Frauen – gern vernachlässigt: beim Aufgang auf die Bühne immer Blickrichtung Publikum (nicht zum Moderator/zur Moderatorin!) Immer einen Schritt mehr als notwendig auf das Publikum zugehen, auch gern in den Bühnen-Mittelpunkt. Bloß nicht husch husch auf den zugewiesenen Platz verschwinden und abtauchen…“
Meine Vorstellung als Rednerin oder Podiums-Diskutantin. Was gibt es dabei zu berücksichtigen?
„Auch hier hilft gute Vorbereitung und die Beantwortung der Frage, womit man in Erinnerung bleiben will. Ein Vorab-Mail an die Diskussionsleitung, auf welche Aspekte du Wert legst in der Vorstellung. Die meisten Moderatoren fragen das ohnehin, oft aber nur kurz vorher und damit zu spät. Zur Veranstaltung selber immer einen oder zwei Ausdrucke mitbringen. Große Schrift! Man weiß ja nie, wem man den Zettel in die Hand drücken muss.“
Auf der Bühne komme ich nicht zu Wort oder werde durch den Moderator oder die Moderatorin ignoriert. Wie kann ich ins Gespräch kommen?
– „Ganz genau hinhören, wenn einer der anderen Panel-Teilnehmer ein Argument vorbringt und dann a) schnell, b) mit kräftiger Stimme und c) ohne sich zu entschuldigen an diesen Beitrag anknüpfen. So was wie „Was xx da sagt, hat besonders große Relevanz für xxx.“ Meist folgt dann nochmal eine Nach- oder weiterführende Frage des Moderators und man hat sich schnell wieder ins Spiel gebracht… Nicht ewig auf eine Frage des Moderators warten!
– Dafür sorgen, dass man sich nicht erst von jemandem ein Mikrofon besorgen muss (wenn zum Beispiel zu wenige bereitgestellt worden sind). Clip- oder Bügel-Mikrofone sind Handmikrofonen immer vorzuziehen! Es lohnt sich, vorher bei den Tontechnikern vorbeizuschauen, hallo zu sagen und einen Soundcheck zu machen…“
Darf ich auf der Bühne Gefühle zeigen? Wenn ja, wo ist die Grenze?
„Ja, wenn du deine Gefühle im Griff hast. Sie sollten nicht der Chef im Ring sein. Freude, Empörung oder auch mal Frustration zu zeigen hilft, die eigene Botschaft zu verdeutlichen. Die entscheidende Frage ist: Wieviel ist gut fürs Publikum? Niemand erträgt eine Heulsuse auf der Bühne, die man vor lauter Schluchzen nicht mehr versteht. Aber jeder fühlt mit, wenn man sich ehrlich gerührt oder verärgert zeigt. Allen ungeduldigen Perfektionistinnen sei hier nochmal mitgegeben, dass besonders dieser Aspekt Zeit und Übung braucht. Dranbleiben, wenn es die ersten Male nicht klappt.“
Ich komme aus dem Text, fange an zu stottern und verhaspele mich. Wie finde ich meinen roten Faden wieder?
„Wer die Vorbereitungstipps berücksichtigt, reduziert dieses ,Black Out’-Risiko schon mal um die Hälfte. Ansonsten lieber stoppen, kurze Pause und dann nochmal neu ansetzen. Auf gar keinen Fall krampfhaft versuchen, den ohnehin schon schiefen Satz geradezubiegen.“
Aus dem Publikum oder von meinen Mitdiskutanten kommt ein scharfer Angriff. Wie reagiere ich souverän?
Als allererstes Ein- und Ausatmen. Die eigene Botschaft vor Augen holen und diese zum Kern der Antwort machen. Auf gar keinen Fall in den Gegenangriff oder Gegen-Beschuldigung übergehen. Das sorgt nur dafür, dass man sich auf das Spielfeld des Angreifers begeben muss. Also weit aus der eigenen Komfort-Zone. Auf persönliche Angriffe antwortet ihr am besten maximal mit einem Schulterzucken. Eine Podiumsdiskussion ist keine Gerechtigkeits-Veranstaltung. Und Moderatoren sind keine Richter, die für gleiche Verteilung der Wort-Beiträge verantwortlich sind. Von denen erwartet man, dass sie das Geschehen interessant und abwechslungsreich gestalten, vielleicht auch kontrovers. Von daher sollte es eure oberste Prämisse sein, genau solche Beiträge zu liefern. Klug, pointiert, charmant. Solche Teilnehmer lädt man immer wieder gern ein.“
Dein ultimativer Geheimtipp!
„Vorher ein Glas Champagner trinken. Aber nur eins!“
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