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Kein Job fürs Leben: Warum wir uns das Job-Mosaik mehr denn je erlauben können

Die erste Stelle soll direkt die richtige sein – so fangen nur noch Erzählungen an. Fast nichts hält für die Ewigkeit. Was nicht passt, passt halt nicht.

 

Die erste Stelle soll direkt die richtige sein – so fangen nur noch Erzählungen an. Meine Generation hat längst folgende Erfahrung gemacht: Fast nichts hält für die Ewigkeit. Was nicht passt, passt halt nicht. Ein neuer Anfang tut der persönlichen Weiterentwicklung gut. Und sowieso tragen wir unser Ego viel bewusster ins Vorstellungsgespräch – wohlwissend, dass uns die Lage am Arbeitsmarkt bestens in die Karten spielt.

Ich bin alles andere als ein sprunghaftes Wesen. Klammeraffe, Angsthase – getarnt auf taffe 1,55m. Konstanz liefert die beste Konsistenz für das Stück Torte, das sich mein Leben nennt. Privat ist Sahne und feinster Biskuit, hingegen kommt der Arbeitsalltag mal als Kirsche, mal als pickendes Stück Krokant daher. Sollten Zweifel aufkommen, sich summieren, allzu hartnäckig hängen bleiben, dann: Ex und hopp, lieber Arbeitgeber.

Zwar sind Toppings bekanntlich mehr als Deko, sie sind aber vor allem eines: austausch- und veränderbar. Und so verstehen wir Jobs längst nicht mehr als lebenslange Sicherheit, sondern vielmehr als vorübergehende Gelegenheiten. 

Ein Arbeitgeber muss vor allem schmecken

Gemäß diesem Verständnis fackeln wir nicht lange. Wird ein Arbeitgeber nicht mehr als passend empfunden, hat er sich dann auch ziemlich schnell erledigt. So belegen es die Zahlen: Demnach hat sich das durchschnittliche Arbeitsverhältnis von Personen unter 30 Jahren um mehr als 20 Prozent verkürzt (1). Waren die Geburtenjahrgänge 1960/1961 noch 834 Tage bei einem Arbeitgeber beschäftigt, kam die Generation 1978/1979 nur auf 652 Tage. Auch die XING Gehaltsstudie bezeugt, dass wir uns nur temporär bis kurzfristig an einen Arbeitgeber binden: Jeder Zweite hat in den letzten fünf Jahren seinen Arbeitsplatz gewechselt – mehr als jeder Zehnte sogar gleich zweimal (2).

Ihr bemängelt „Flatterhaftigkeit“, wir antworten: Von wegen! Denn das eigentliche Ziel unseres Job-Hoppings liegt insbesondere darin, die eigene Karriere voranzutreiben (3). Potenzialanalyseund dann straight to the point, wohlwissend, dass ein neuer Arbeitgeber eher zu einem Gehaltssprung verhilft als die interne Beförderung. Geduld zählt nicht zu unseren Stärken, Chancen zu erkennen dagegen schon.

Nur etwa 20 Prozent der 20- bis 35-Jährigen verspüren Loyalität ihrem Arbeitgeber gegenüber (4). Zugegeben: Auf ewig Unternehmenstreue zu schwören, ist gar nicht so leicht, wenn doch an der nächsten Ecke ein neuer potenzieller Jackpot wartet. Ergo ein Arbeitgeber, der wirklich zu mir und den eigenen Bedürfnissen passt. Dafür nehmen wir das Job-Mosaik im Lebenslauf gerne in Kauf. Ich wiederhole: Alles eine Frage der richtigen Argumentation.

Wissen ist Macht

Wir liken und sharen ganz selbstverständlich. Das gilt für Links und Inhalte, aber erst recht für Erfahrungen. Unser Mantra: Böse Überraschungen auf ein Minimum reduzieren in einem Leben, das sowieso viel zu oft überrascht. Hotels und Restaurants buchen wir folglich nicht “auf gut Glück”. Abenteuer ist, wenn wir das natürlich vorab reservierte Lokal aufsuchen und die Speisekarte zur Abwechslung mal nicht kennen. 

Das Bedürfnis, Erfahrungen zu teilen und uns so mitzuteilen, macht erst recht nicht vor dem Arbeitsalltag Halt. Mit etwas Onlinesuche, also dem Screening von sozialen Netzwerken und gezielten Klicks auf Bewertungsplattformen, wissen wir sehr wohl, wie es um potenzielle Arbeitgeber bestellt ist. Für letztere heißt das: Liefert uns Authentizität statt Corporate, denn Filter können wir selbst.

Kenne meinen Wert

In einer Welt, die sich mitunter schneller bewegt als uns lieb ist, halten wir gekonnt gleichauf. Unsicherheiten sind allgegenwärtig – sie prasseln nicht zuletzt medial ständig auf uns ein. Wir reagieren. Mit einem starken Glauben an uns selbst und an die Menschen, die noch mehr an uns glauben. So sind wir zu der Generation geworden, die so viel selbstbewusster am Arbeitsmarkt auftritt. 

Dieses Selbstbewusstsein wurde früh genährt und durchweg gefüttert. Wir wissen, was wir wert sind. So pflegten wir uns schon als Student*innen gegenseitig zu erinnern, dass sich die UNO ihr „unentgeltliches“ Praktikum sonstwo hinstecken kann. Klar, dass wir an unsere Arbeitgeber erst recht entsprechende Ansprüche haben: Lass mich wachsen, lass mich gedeihen, schenk mir Vertrauen und lass mir Handlungsfreiheit. Denn wir sind die Generation Arbeitnehmer, die genau wissen, was sie wollen. Machen personifizierter Hierarchie Ansagen, die unserer Meinung nach notwendig sind – und nicht zuletzt uns selbst zu Gute kommen. 

Ihr braucht uns, wir wägen ab

Wer uns hierbei bestens in die Karten spielt: der Arbeitsmarkt, der sich unlängst vom Arbeitgeber- zum Arbeitnehmermarkt gewandelt hat. Was ich damit meine: Machtverschiebung, olé! Wir sind keine Ressource mehr, die hinter verschlossen Türen getroffene Entscheidungen abarbeitet. Ihr braucht uns. Wir wägen ab.

Anne Juliane ist Manager Communications & Brand bei kununu.com, der europaweit größten Arbeitgeber-Bewertungsplattform mit Standorten in Wien, Berlin, Porto und Boston. Als Zahlen-Nerd weiß sie, dass ein Mensch durchschnittlich 3.716 Tage mit Arbeit verbringt, dies 16 Prozent eines Erwachsenenlebens sind. Was wenig klingt, hat maßgeblich Einfluss auf das persönliche Wohlbefinden. Und daher predigt sie oft und gern: Lasst euch nicht von großen Namen blenden, findet besser einen Arbeitgeber, der wirklich zu den eigenen Bedürfnissen und individuellen Werten passt!

Quellen: 1) FAZ.net 2) XING 3) kurier.at 

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