Foto: Unsplash | Chinh Le Duc

Ich brauche kein Kleid, das zeigt, wie oft ich begrapscht werde – glaubt mir einfach!

Ein Kleid von Schweppes soll zeigen, wie oft Frauen in Clubs belästigt werden. Man hätte sie natürlich auch einfach fragen können. Ein Kommentar.

Belästigung lässt sich nicht mit einem sensorischen Glitzerkleid messen

Aufdringliches Verhalten, schmierige Anmachsprüche und immer wieder Hände an Stellen, an denen man sie nicht haben möchte: Für viele Frauen ist sexuelle Belästigung ein trauriger Bestandteil von Abenden in Clubs und Bars. Wie die Falafel auf dem Heimweg gehört es zum Ausgehen dazu, dass man sein Getränk nicht aus den Augen lässt und Codewörter mit Freund*innen vereinbart.

Ich erinnere mich an einen Typen, der mich so lange nicht in Ruhe ließ, bis ich ihn wutentbrannt anschrie; und an einen Mann, der versuchte, sich mit in meine Toilettenkabine zu drängen. Eine Freundin wurde in einer Bar auf dem Weg von der Toilette zurück zu ihren Freund*innen von einer Männergruppe eingekesselt und aufgefordert, einen der Männer zu küssen – sonst würde man sie nicht gehen lassen. Die Freundin war zu dem Zeitpunkt 16.

Mit solchen Erfahrungen sind wir nicht allein, Frauen weltweit müssen sie machen – so auch in Brasilien. Laut einer Studie der NGO Think Olga haben 86 Prozent der brasilianischen Frauen Belästigung erfahren, viele davon im öffentlichen Raum. Der Getränkehersteller Schweppes hat nun ein Kleid entwickelt, das optisch belegen soll, wie häufig Frauen im Laufe einer Partynacht belästigt werden. The Dress for Respect ist mit Sensoren ausgestattet, die zählen, wie oft die Frauen berührt werden. In Echtzeit werden die Berührungen an ein Forschungsteam übermittelt und dort ausgewertet. Das nicht repräsentative Ergebnis des bisherigen Testlaufs: In drei Stunden und 37 Minuten wurden drei Frauen insgesamt 157 Mal berührt.

157 Mal begrapscht in unter vier Stunden

Das Ziel der Kampagne sei es gewesen, die Lebensrealität brasilianischer Frauen im Nachtleben sichtbar zu machen und Männern zu verdeutlichen, mit welchem Ausmaß von Belästigung Frauen sich beim Ausgehen auseinandersetzen müssen. Ein nobles Vorhaben? Wohl eher nicht. Denn letztendlich zeigt The Dress for Respect nur, was aufmerksame Menschen bereits wissen: In Clubs findet Belästigung statt und in den meisten Fällen sind die Betroffenen weiblich. An dieser Tatsache ändert auch die schönste Imagekampagne nichts.

Was für die eine Person eine legitime Berührung ist, kann für eine andere eine klare Grenzüberschreitung darstellen. Eine zufällige Berührung auf der Tanzfläche wird plötzlich messbar, gewaltvolle Worte bleiben versteckt. Darum ist es so wichtig, den Betroffenen zuzuhören, ihren Worten Glauben zu schenken und sich aktiv dafür einzusetzen, dass mehr sichere Räume entstehen.

Wer Belästigungen in Clubs wirklich bekämpfen möchte, setzt sich für die Ausbildung von Awareness-Teams ein, damit Betroffene ausgebildete Ansprechpartner*innen vor Ort haben. Auch Schulungen der Service-Teams in Clubs können helfen, damit diese schneller und effektiver einschreiten, genauso wie die Beteiligung an Aktionen wie Luisa ist hier! vom Frauen-Notruf.

Der Originaltext von Katharina Alexander ist bei unserem Kooperationspartner ze.tt erschienen. Hier könnt ihr ze.tt auf Facebook folgen.

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