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Einigung bei §219a – was künftig besser wird und welche Probleme bleiben

Die Große Koalition hat sich auf eine Reform des Paragrafen 219a verständigt. Schwangere können sich künftig zwar besser informieren, doch der Gesetzentwurf deutliche Schwachstellen.

Entwurf sollte ursprünglich im Herbst 2018 vorliegen

Die Große Koalition hat viele Monate gebraucht, um sich auf einen Kompromiss beim Paragrafen 219a, der bislang ein Informationsverbot für Schwangerschaftsabbrüche regelte, zu verständigen. Da die Regierung sich mit ihrem Vorschlag viel Zeit gelassen hat, hatte im Januar sogar das Amtsgericht Kassel den Prozess gegen die Ärztinnen Nora Szász und Natascha Nicklaus ausgesetzt, um auf die Gesetzesänderung zu warten. Klar ist nun: Gestrichen, so wie es zahlreiche Frauenverbände, Bündnisse, die von Anzeigen betroffenen Ärzt*innen, Grüne, Linke und auch einige SPD-Politiker*innen gefordert haben, wird der Paragraf des Strafgesetzbuches nicht.

Die Reform des Paragrafen ist nun ressortübergreifend verhandelt worden. Neben Bundesfamilienministern Franziska Giffey (SPD), Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) waren auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) beteiligt. Laut eines Referentenentwurfs soll das „Werbeverbot“ selbst bestehen bleibt, der Paragraf 219a wird aber ergänzt. So soll es künftig für Ärzt*innen möglich sein, darüber zu informieren, dass sie Schwangerschaftsabbrüche in ihrer Praxis anbieten. Die Gießener Ärztin Kristina Hänel, die nach einer Anzeige nach §219a zu einer Geldstrafe von 6.000 Euro verurteilt wurde, sieht den Vorschlag der Regierung als Minimalfortschritt: „Die neue Einigung bedeutet nur, dass Ärzt*innen jetzt doch informieren dürfen, dass sie Abbrüche machen. Weitere Informationen sind nicht erlaubt. Meine Homepage bleibt weiterhin strafbar. Das kann man Rechtssicherheit nennen, wenn man will“, kommentierte sie auf Twitter.  

Ärzt*innen dürfen keine Informationen bereitstellen

Mit dem jetzigen Gesetzentwurf können sich Schwangere erst in der Arztpraxis selbst über Methoden des Abbruchs informieren, die Ärzt*innen selbst dürfen weiterhin keine weitergehenden Informationen über den Eingriff zur Verfügung stellen. Sie dürfen lediglich von ihrer Website aus auf andere „neutrale“ Informationsangebote verlinken, die im Gesetz festgehalten werden sollen. Welche Informationsangebote das sein werden, ist noch unklar

In Zukunft soll dem eine Änderung im Schwangerschaftskonfliktgesetz sicherstellen, dass eine von der Bundesärztekammer zentral geführte Liste mit Praxen und Krankenhäusern Auskunft darüber gibt, wo Schwangerschaftsabbrüche vorgenommen werden und welche Methoden dort angeboten werden. Die Liste soll monatlich aktualisiert werden. Zudem will die Große Koalition den Zugang zu von der Krankenkasse bezahlte Verhütungsmittel (Pille) verbessern und die Altersgrenze von Frauen für die Kostenübernahme von 20 aus 22 Jahre anheben. Ein Zugeständnis an junge Menschen, sie von den Kosten für Verhütung zu entlasten, wobei die Altersgrenze eher willkürlich wirkt, da sie beispielsweise nicht an Ausbildungszeiten, in denen Menschen weniger Geld zur Verfügung haben, gebunden ist.

Die Angst vor Plakatwerbung

Der Gesetzentwurf enthält zudem eine Spitze, der bei Ärzt*innen für Unmut sorgen dürfte, da sie impliziert, Ärzt*innen könnten ihre Berufsordnung missachten und anpreisend für Abbrüche werben. So lautet die Prognose, was bei einer kompletten Streichung von §219a geschehen würde: „Eine Folge wäre allerdings, dass auch das Anpreisen oder die grob anstößige Werbung für Schwangerschaftsabbrüche straffrei gestellt wäre.“

Zusammengenommen mit der Komplexität, mit der künftig Informationen über Abbrüche zur Verfügung gestellt werden – Ärzt*innen geben an, ob sie Abbrüche anbieten, verlinken dann auf neutrale Informationsangebote und wiederum eine andere Stelle teilt mit, welche Methoden die Praxen anbieten – liest sich aus dem Referentenentwurf weiterhin ein Misstrauen gegenüber Ärzt*innen heraus, die eher eingeschränkt werden müssen, statt dass ihnen vertraut wird: Dass sie ihrem Beruf nachgehen und Menschen in Notsituationen umfassend und kompetent zur Seite stehen möchten.

Festhalten lässt sich: Der Kompromiss der Regierungsparteien ist ein Fortschritt, der das Informationsangebot für Schwangere verbessern wird und Ärzt*innen ein Stück mehr Rechtssicherheit gibt. Ein besserer Entwurf, der Ärzt*innen ihre medizinische Kompetenz bescheinigt und einfache Wege für Menschen schafft, die sich informieren wollen, müsste jedoch anders aussehen. 

Wie es weitergeht: Der Entwurf ist nun in den Ressorts zur Abstimmung und soll am 6. Februar im Bundeskabinett beraten werden. 


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