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So wollen die Parteien Regenbogen-Familien stärken – oder auch nicht

Die „Ehe für alle“ ist beschlossen, doch einige Fragen für Regenbogenfamilien bleiben noch offen, wie zum Beispiel beim Abstammungsrecht. Wir geben einen Überblick, was dazu in den Wahlprogrammen der Parteien steht.

 

Neue Familien: Sollte ein Kind mehr als zwei rechtliche Eltern haben können?

Die Freude in der vergangenen Woche war groß: nach vielen Jahren Kampf gegen rechtliche Diskriminierung stimmte die Mehrheit der Bundestagsabgeordneten für die Öffnung der Ehe. Gleichgeschlechtliche Paare können künftig wirklich heiraten, der Begriff „Verpartnerung“ wird bald Geschichte sein. Damit einhergehen soll auch, dass zwei zusammenlebende Frauen oder Männer endlich das Recht bekommen, ein Kind zu adoptieren.

Bislang praktizierten Frauenpaare vor allem die so genannte Stiefkindadoption. Wenn eine Frau beispielsweise per Samenspende schwanger wurde, musste ihre Partnerin bislang das Kind adoptieren um damit nicht nur soziales, sondern auch rechtliches Elternteil des Kindes werden zu können. Diese Regelung galt ab 2005 und wurde 2013 dahingehend erweitert, dass auch adoptierte Kinder einer Person von Partnerin oder Partner adoptiert werden können. 

In der Kinderfrage bringt die „Ehe für alle“ jedoch auch jetzt noch keine vollständige rechtliche Gleichstellung von gleichgeschlechtlichen Paaren. Während bei einem Ehepaar aus Frau und Mann der Partner bei der Geburt eines Kindes automatisch als rechtlicher Vater anerkannt wird – unabhängig davon, ob er auch der biologische Vater ist – ist die nicht gebärende Mutter bei einem lesbischen Paar nicht automatisch auch die rechtliche Mutter des Kindes. Sie müsste weiterhin das leibliche Kind ihrer Partnerin adoptieren. Diese Ungleichbehandlung möchte unter anderem der Lesben- und Schwulenverband e.V. (LSVD e.V.) in einer Anpassung des Abstammungsrechtes beseitigt sehen, um die Ehe von lesbischen Paaren auch hier einer heterosexuellen Ehe gleich zu stellen. Gabriele Lünsmann vom LSVD e.V. bekräftigte am Mittwoch: „Wenn Kinder von lesbischen Paaren als Wunschkinder in deren Partnerschaften hineingeboren werden, müssen beide Mütter endlich von Geburt an gleichberechtigte rechtliche Eltern ihres Kindes sein können.“

Der LSVD e.V. schlägt die automatische Elternschaft auch für schwule Paare vor, sofern die leibliche Mutter des Kindes auf die rechtliche Verwandtschaftsbeziehung zum Kind verzichten möchte.

Regenbogenfamilien rechtlich absichern

Doch würde die Anpassung tatsächlich den Bedürfnissen aller Familien gerecht? Queere Familien gibt es in ganz unterschiedlichen Konstellationen. Dass zwei Frauen per Samenspende Mütter werden, ist dabei eine Variante. Doch es gibt auch Co-Parenting-Konstellationen, in denen sich mehr als zwei Menschen für ein Kind entscheiden, und die Verantwortung teilen möchten – wenn zum Beispiel eine Frau gemeinsam mit einem schwulen Paar ein Kind bekommt. Doch bislang gilt im deutschen Recht: Mehr als zwei Eltern sind nicht möglich.

Das Bundesjustizministerium hat in der aktuellen Legislaturperiode eine Arbeitsgruppe zum Abstammungsrecht eingesetzt, die Vorschläge zu Änderungen um Familienrecht vorlegen sollte, die unter anderem durch den Fortschritt der Reproduktionsmedizin notwendig geworden sind. Tatsächlich hat diese Arbeitsgruppe, deren Abschlussbericht nun vorliegt, eine kleine „Revolution“ in seinen Empfehlungen an Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) ausgesprochen. Die elf Expertinnen und Experten haben sich für eine „Mit-Mutterschaft“ ausgesprochen, die vorsieht, dass die Partnerin einer gebärenden Frau automatisch – also wie Ehemänner schon jetzt – oder durch ausdrückliche Anerkennung zur Zweitmutter werden könnten. Eine Adoption wäre dann nicht mehr nötig. Eine Elternschaft von mehr als zwei Personen lehnt die Arbeitsgruppe jedoch ab. 

Der LSVD e.V. hingegen empfiehlt in seinem Beschlusspapier von 2017 „Regenbogenfamilien im Recht“, dass der Gesetzgeber Regelungen für eine Mehrelternschaft von bis zu vier Personen schaffen sollte, die die Gründung von Regenbogenfamilien erleichtern könnten.

Vorbild Kalifornien

In US-amerikanischen Bundesstaat Kalifornien ist die Mehrelternschaft seit 2013 gesetzlich verankert (Senate Bill No. 274). Eine maximale Anzahl von Eltern ist nicht festgelegt, das Gesetz spricht von „mehr als zwei“. Auf diesem Weg schützt das Gesetz nicht-traditionelle Familienstrukturen und gibt allen Elternteilen, die sich um das Kind kümmern möchten, einen gesicherten rechtlichen Status und sichert zudem Kindern aus Regenbogenfamilien zu, dass ihre Beziehung zu mehr als zwei Elternteilen als bedeutsam anerkannt werden. Eine Frage, die Rechtsprechung oder das Abstammungsrecht ebenso beantworten müssten ist, was geschehen würden, wenn die Eltern, zum Beispiel zwei Frauen, eine Zwei-Elternschaft anstreben und sich der Samenspender im Nachhinein als rechtlicher Vater einklagen wollte.

Eine Reform des Abstammungsrechtes, die mehr als zwei Eltern berücksichtigen würde, wäre aber nicht nur für gleichgeschlechtliche Paare oder Co-Parenting-Konstellationen eine sinnvolle Erweiterung. Auch heterosexuelle Paare werden mit der Regelung, dass verheiratete Männer automatisch als rechtlicher Vater der neugeborenen Kinder ihrer Frau gelten, teils vor erhebliche rechtliche Probleme gestellt. Zwar war diese Regelung zunächst dafür gedacht, Kuckuckskinder zu schützen, die durch einen Seitensprung entstehen, doch nicht immer erfüllt diese gesetzte Vaterschaft ihren Zweck. Denn ist eine Frau beispielsweise schon getrennt und noch verheiratet und wird von einem neuen Partner schwanger, steht der Ehemann trotzdem als rechtlicher Vater in der Geburtsurkunde des Kindes – es sei denn, die Scheidung gelingt noch in der Schwangerschaft. Die Erzeuger außerhalb dieser Ehe haben jedoch ohne Scheidung keine Chance, rechtlicher Vater zu werden. Entscheidet sich also ein Ehepaar zusammenzubleiben, obwohl das Kind eines anderen Mannes erwartet wird, kann dieser mit der aktuellen gesetzliche Regelung keine rechtliche Verbindung zum Kind eingehen – selbst wenn alle drei Erwachsenen das wünschen würden. 

Denkbar wäre auch der Fall, dass ein verheiratetes Paar, bei dem der Mann unfruchtbar ist, sich für eine Samenspende aus dem Freundeskreis entscheidet und dieser Mann im Leben des Kindes ebenso eine rechtliche Rolle spielen soll. 

Auch heterosexuelle Familien sind bunt

Familienbilder und die damit verbundenen Wertevorstellungen befinden sich seit Jahren im Wandel und die neu entstehenden Patchworkfamilien sind dabei nur ein Beispiel dafür, dass weit mehr als zwei Erwachsene für Kinder zu festen und guten Bezugspersonen werden können. Woher rührt also die gesetzliche Zurückhaltung, in Betracht zu ziehen, dass mehr als zwei Personen auch rechtliche Verantwortung übernehmen könnten und diese gut ausfüllen würden?

Nachdem die „Ehe für alle“ noch kurz vor der Wahl der gesellschaftlichen Realität auch im Bundestag Ausdruck verliehen hat, wird die Diskussion über rechtliche Formen des Familienlebens sicherlich weitergehen – und je nach Wahlausgang hier verschiedene Ideen diskutiert und eventuell beschlossen werden. Denn: Familien in Deutschland werden immer vielfältiger.

Wir geben daher zusätzlich einen Kurzüberblick, welche Pläne sich in den einzelnen Wahlprogrammen finden.

Was sagen die Parteien zur Mehrelternschaft?

Die Idee der Mehrelternschaft findet sich in den Wahlprogrammen der größeren Parteien bei der Linken und der FDP wieder. Bei der Linken heißt es: 

„Kinder brauchen Erwachsene, die sich liebevoll und verbindlich um sie kümmern. Eltern und Sorgeberechtigte sind nicht unbedingt dieselben Personen. Wir setzen uns dafür ein, dass auch (bis zu) vier Personen Eltern für ein Kind sein können, also in Co-Elternschaft das gemeinsame Sorgerecht innehaben.“ 

Die FDP spezifiziert die Mehrelternschaft nicht, ist sich aber in ihren Vorschlägen außerdem einig mit der Arbeitsgruppe des Justizministeriums und verankert im Programm: 

„Wird das Kind mit Hilfe einer Samenbank gezeugt, so soll die eingetragene Lebenspartnerin der Mutter von Geburt an auch rechtlich zweite Mutter sein können.“

Zur Mehrelternschaft heißt es bei den Liberalen:

„Mehreltern-Familien sind Realität und müssen auch bei der rechtlichen Elternschaft abgebildet werden.“

Bei der SPD wird im Programm lediglich eine Reform des Abstammungsrechtes erwähnt, ohne konkrete Ideen dazu auszuführen:

„Die Vielfalt der heutigen Familienkonstellationen und der wissenschaftliche Fortschritt in der Reproduktionsmedizin führen dazu, dass die biologischen Eltern immer häufiger nicht die sozialen Eltern sind. Deshalb setzen wir uns für ein modernes Abstammungsrecht ein, das diesen neuen Konstellationen Rechnung trägt.“

Im Programm der Grünen findet sich eine abgeschwächte Form der vollen Mehrelternschaft, die sich „elterliche Mitverantwortung“ nennt und damit nicht nur Regenbogeneltern, sondern auch Stiefeltern eine rechtliche Verbindlichkeit ermöglichen könnte:

„Wir wollen das Familienrecht weiterentwickeln und für diese Familien ein Angebot schaffen, das sie in ihrer Verantwortung als Eltern rechtlich stärkt (Rechtsinstitut der elterlichen Mitverantwortung). Damit wollen wir klar regeln, welche Rechte und Pflichten, beispielsweise in der Schule, beim Arztbesuch oder im Alltag, aber auch welche Verantwortung für das Kind die leiblichen und die nicht leiblichen, aber miterziehenden Eltern haben.“

Bei der CDU finden sich zu neuen Modellen des Familienlebens keine Ideen oder die Thematisierung eines Änderungsbedarfes. Dort heißt es lediglich:

„Wir respektieren die unterschiedlichen Formen des Zusammenlebens.“

Die AfD möchte nicht einmal, dass Familien jenseits der Hetero-Kleinfamilie sich Familie nennen dürfen – politische Ideen für diese Familien gibt es dementsprechend keine: 

„Die AfD will, dass sich die Familienpolitik des Bundes und der Länder am Bild der Familie aus Vater, Mutter und Kindern orientiert. Wir lehnen alle Versuche ab, den Sinn des Wortes „Familie“ in Art. 6 Abs. 1 Grundgesetz auf andere
Gemeinschaften auszudehnen.“


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