Menschen und Alltagsroboter

Kennst du das Gefühl zu funktionieren statt zu leben? Hier findest du die Erklärung warum wir das tun. Und warum die ganze Welt davon profitiert, wenn wir achtsam mit uns selbst umgehen.

 

Sie begegnen uns überall, Alltagsroboter. Sie folgen einem streng geplanten Tagesablauf. Sie hinterfragen nicht, was sie tun, sie arbeiten ihre to Do Liste ab. Sie wissen nicht, wie es ihnen geht, sie funktionieren. Sie begegnen anderen Menschen, aber nehmen uns nicht wahr. Sie erwarten auch von ihren Partnern, dass sie sich vernünftig verhalten. Kennst du sie? Manchmal sehe ich den ersten Roboter schon beim Blick in den Spiegel.

Wir sind alle Alltagsroboter. Nicht zu 100%, aber oft mehr als wir gerne möchten.

Auf seine Art ist es auch wunderbar bequem ein Alltagsroboter zu sein. Es gibt keine großen Fragen. Ob etwas Sinn macht? Philosophischer Quatsch, dafür habe ich keine Zeit. Wie es mir geht? Gut, sieht man doch an meinem Lebenslauf. Also eigentlich. Und wenn ich mich mal unzufrieden fühle? Kein Problem, es gibt viele tolle Produkte für Alltagsroboter. Ein bisschen Yoga, ein bisschen Abenteuer Backpack-Urlaub in Südostasien, ein bisschen gesunde Ernährung. Als Alltagsroboter hat man immer alles im Griff. Vor allem sich selbst.

Auch aus gesellschaftlicher Sicht sind diese Alltagsroboter praktisch. Keiner will was verändern. Alltagsroboter kommen zur Arbeit, machen, was ihnen gesagt wird und kommentieren nicht. Klar, ab und zu sind sie krank oder haben Burnout, aber dann lässt man sie halt reparieren oder ersetzt sie einfach. Es gibt ja genügend.

Ich finde das traurig. Wir sind so sehr Kinder der Leistungsgesellschaft, dass es nicht leicht ist auszusteigen und zu echten Menschen zu werden. Echte Menschen sind nicht immer produktiv und gut drauf. Echte Menschen sind manchmal richtig glücklich und manchmal richtig traurig. Echte Menschen akzeptieren, dass das so ist. Echte Menschen schaffen an manchen Tagen richtig viel und an manchen Tagen brauchen sie eine Pause und Zeit für sich. Echte Menschen gehen achtsam mit sich um.

Neben dem Umgang mit dir selbst, gibt es dann noch die Ebene des Umgangs mit anderen und dem Umgang mit der Welt. Ich glaube das hängt alles zusammen. Du kannst mit anderen langfristig nur so gut umgehen, wie du gut zu dir selbst bist. Und wenn du dich um dich kümmerst, kümmerst du dich
automatisch auch um die Welt.

Wir wünschen uns alle, dass unsere Freunde merken, wie es uns geht. Und wir können auch für sie da sein. Wenn wir uns unsere Gefühle zugestehen und uns Zeit für uns nehmen. Wir möchten unseren Partnern liebevoll begegnen. Sobald wir uns die Ruhe dafür schaffen, können wir das.

Und wenn wir uns die Zeit nehmen, die Welt zu betrachten? Dann sehen wir vielleicht viele Dinge, die wir uns anders wünschen. Vielleicht macht uns das traurig. Ein Alltagsroboter hat keine Zeit traurig zu sein, er muss funktionieren. Ein echter Mensch darf darüber nachdenken, was er oder sie beitragen kann. Jede von uns hat Spielräume, in denen wir bessere Entscheidungen treffen können. Das kann ganz klein anfangen. Wie werden die Leute bezahlt, die euer Büro sauber machen? Wo wird der Kaffee produziert, den du trinkst?

Im ersten Schritt werden wir vielleicht unseren Konsum umstellen. Uns mehr informieren, genauer überlegen, was wir wirklich brauchen. Echte Menschen müssen keine Unzufriedenheit mit Shopping ausgleichen. Im zweiten Schritt möchten wir vielleicht unseren Alltag umstellen. Angeblich verbringen wir etwa 100.000 Stunden mit Arbeit. Hunderttausend! Wie schön es wäre, wenn wir 24/7 echte Menschen sein können. Uns ganz bewusst für alles entscheiden, was wir tun. Unabhängig davon, ob wir dafür bezahlt werden oder es in unserer „nicht-bezahlten“ Zeit stattfindet. Viele Unternehmen hätten plötzlich Rekrutierungsprobleme und müssten ihre Geschäftsmodelle hinterfragen.

Und für alle, die selbstständig sind, freiberuflich arbeiten, an vielen Projekten gleichzeitig dran sind: Mehr noch als bei den angestellten Alltagsrobotern gilt: Nimm dich selbst ernst. Achte auf deine Bedürfnisse. Finde heraus, was du brauchst, damit es dir gut geht. Nur dann wirst du langfristig erfolgreich und gelassen sein.

Die größte Sorge, die mir oft begegnet: Haben wir überhaupt die Zeit echte Menschen zu sein? Immerhin sind Alltagsroboter wahnsinnig effizient.

Einerseits sind sie das. Andererseits sind sie oft krank oder müssen erst motiviert werden. In jedem Alltagsroboter steckt ja ein echter Mensch. Und der protestiert, wenn er nur funktionieren soll. Zu Recht, wie ich finde. Es ist wichtig, dass wir wissen, wie es uns eigentlich geht.

Meine These: Jede und jeder von uns kann ein echter Mensch sein. Dinge tun, die für dich wichtig sind. Bei denen du dich als ganzer Mensch einbringen kannst. Dein Leben von Roboter auf Mensch umzustellen klappt nicht von heute auf morgen. Aber es geht wunderbar jeden Tag ein bisschen weniger Roboter zu sein und ein bisschen mehr Mensch. Wenn du dich dafür entscheidest.

Dieser Artikel erschien zu erst als Gastbeitrag von Tina Röbel bei FIELFALT.

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