Foto: Depositphotos

#metoo: Wo fängt Sexismus an und wie gehe ich als weibliche Führungskraft damit um?

Sexismus am Arbeitsplatz ist immer noch an der Tagesordnung und wird viel zu oft stillschweigend hingenommen. Für weibliche Führungskräfte wie mich, die subtilen Sexismus beobachten, ist das oft eine Zwickmühlen-Situation: Wie reagieren? Einfach Weglachen oder konkret ansprechen und Konsequenzen für den nächsten Karriereschritt befürchten? Ein Plädoyer für selbstbewusstes Kontern.

 

Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz – eine Selbstverständlichkeit?

Als ich vergangene Woche mit einigen Kolleginnen bei der Mittagspause ins Plaudern kam, habe ich etwas von mir gegeben, dessen Bedeutung mir erst einige Sekunden später klar wurde. Es ging um sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz. Ich, völlig nüchtern: „Ich glaube, das ist jeder Frau irgendwie schon mal passiert.“ Zustimmendes Nicken in der Runde. Was? Wirklich? Dass Belästigung am Arbeitsplatz eine Selbstverständlichkeit ist, zeigt: Wir sollten weiter darüber sprechen, gemeinsam in den Dialog gehen. Auch nach der großen #metoo-Welle.

Die Geschichte einer Kollegin, die über Monate von einer Führungskraft sexuell belästigt und gestalkt wurde, ist ein Härtefall der besonderen Art. Sie schmälert harmlosere Übergriffe und sexistische Sprüche, die die meisten Frauen im Berufsalltag wohl schon erlebt haben, aber in keiner Weise.

Sind wir Frauen zu empfindlich, legen alles auf die Goldwaage? Oder sollten wir die Grenzen frühestmöglich aufzeigen? Wo fängt Sexismus am Arbeitsplatz eigentlich an?

Mitlachen oder „Spielverderberin“ sein?

Ist es die Aussage eines Kollegen, der die Vermarktung eines Produktes pushen will und in die ausschließlich weibliche Runde hinausschreit: „Und dann zieht ihr euch alle Bunny-Puschel an!“ Lache ich als Führungskraft – als Ausdruck meiner Verzweiflung, in dem Versuch, die ‚gute Stimmung‘ zu halten, und über die längst überholte Art des Alt-Herren-Humors? Oder setze ich bewusst ein Zeichen und mache deutlich, dass keine in der Runde lacht – außer ihm?

Es geht weiter: Wie positioniere ich mich als Frau bei abendlichen Netzwerk-Veranstaltungen, wenn es mal „dreckig“ wird? Wenn die Herren plötzlich wie kleine Jungs über gemalte Zeichnungen lachen, die sie als Frauen mit geöffneten Beinen deuten? Lache ich mit, um dazuzugehören? Oder mache ich das, wozu mir eigentlich zumute ist: Augen verdrehen?

Mut, um klar Position zu beziehen

Ich finde das schwierig und kann in solchen Situationen nicht intuitiv reagieren, weil ich Konsequenzen befürchte. Es erfordert Mut, als Frau in einer Männer-dominierten Arbeitswelt klar Position zu beziehen und „die Spielverderberin“ zu sein. Denn es bleibt die Frage zurück: Wie viel Courage kostet mich am Ende des Tages vielleicht den nächsten Karriereschritt?

„Die meinen das ja nicht so“; „Ist doch nur ein Witz“; „Nicht überbewerten. Ist nur Spaß. Einfach mitlachen“ – Aussagen von Menschen in meinem Familien-, Freund*innen- und Bekanntenkreis. Nach dem Gespräch neulich bei der Mittagspause, weiß ich nicht, ob ich das noch gelten lassen kann. Bitte versteht mich nicht falsch: Ich kann über gute stereotype Witze aus vollem Herzen lachen. Carolin Kebekus bedient sich regelmäßig der Stereotypisierung. Sie ist Comedian – da funktioniert das so. Haken dran. Aber: Gilt das auch in der Arbeitswelt? Als Frau und Teamleiterin in einer Vorbildfunktion, die Werte wie Chancengleichheit und Gerechtigkeit hoch hält?

Meine Strategie für das nächste Mal: Angriff statt Opferrolle

Vermutlich ist die Frage der richtigen Strategie auch stark vom Unternehmen und dessen Kultur abhängig. Ich hatte mal einen Job, da wurden die ‚hottesten chicks’ mit den höchsten High Heels und den knappsten Outfits zum Champagnerverkauf eingesetzt, um Umsatz zu steigern. Die Rolle der Frau war hier unausgesprochen ganz klar definiert. Eines Abend versuchte der Zeigefinger, mich heranzuwinken. Ich weigerte mich und erntete entsetze Blicke. Das war nicht nur mutig, sondern ist dringend notwendig, um klarzumachen, dass auch subtile Formen des Sexismus nicht ok sind. Natürlich scheiterte ich in diesem Unternehmen – zum Glück. Denn meine Werte und Überzeugungen stimmten nicht mit der Firma überein. Insofern: Für die Gesundheit und ein erfülltes langes Arbeitsleben finde ich diese Strategie schmerzlich, aber klug.

Und wie ist die Strategie bei den Witzen, die ja so „nicht gemeint“ sind? Ich hab mal gehört, wir sollten so mit unserem Gegenüber sprechen, wie er oder sie selbst auch spricht. Der*die pubertierende, kaugummikauende Jugendliche, der*die seine*ihre dreckigen Turnschuhe in der S-Bahn auf dem Sitz parkt, wird kaum auf ein höfliches „Könnten Sie bitte Ihre Schuhe vom Sitz nehmen“ reagieren. Zielführender wäre vermutlich: „Schuhe runter, sonst dürfen du und deine Sneakers beim nächsten Halt noch ein paar Kilometer machen.“

Beim nächsten Mal also direktes Kontern: „Ey Kollege, für die Vermarktung des Produktes haben wir dir schon ein extra kurzes Sporthöschen aus Samt und das T-Shirt mit Strasssteinchen in XS besorgt!“

Ich finde die Vorstellung witzig – aber vielleicht ist das auch nur mein ordinärer Frauen-Humor.

Artikelbild: Depositphotos

Mehr bei EDITION F

5 Dinge, die Frauen tun können, um ihre Kolleginnen zu unterstützen. Weiterlesen

Feminist Fight Club: „Wir müssen das Patriarchat bekämpfen – nicht uns gegenseitig”. Weiterlesen

Was wirklich jeder Vorgesetzte gegen sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz tun kann. Weiterlesen

Anzeige