Miriam Jacks hat als Make-Up-Artist sehr jung eine steile Karriere gemacht. Silvia Follmann hat sie in ihrem Concept Store besucht und mit ihr über den harten Weg zum Erfolg gesprochen – und was zu tun ist, wenn man zwischendurch stolpert.
Ihr Erfolgsgeheimnis? Hohe Ziele!
Über der Eingangstür von Jacks Beauty Department thront ein riesiger Lippenstift. Als ich eintrete, eröffnet sich eine mir bis dato unbekannte Welt. Der Besuch in Miriam Jacks neuem Laden ist mein erstes Mal in einer Beauty-Bar. Ich hatte einen tuffigen ‚Mädchenladen’ erwartet und stehe nun auf einer ausladenden Fläche von gut 180 Quadratmetern, auf der Miriam Jacks Vintage-Elemente wie ein altes Buffet, Neonröhren-Schriftzügen und moderne Elemente kombiniert hat. So entsteht eine ganz eigene Stimmung – in der sich vermutlich jeder sofort wohl fühlt.
Stolz zeigt mir Miriam ihr Reich auf zwei Etagen, bevor wir es uns zwischen Spiegeln und Pinseln für ein Gespräch gemütlich machen. Schnell wird klar, dass hinter der zierlichen, strahlenden Frau ein echtes Arbeitstier steckt und ihr Erfolg keine Frage von Glück war.
Du bist gerade mit deinem Laden von der Sredzkistraße in die Kastanienallee umgezogen. War der Wechsel nur eine Frage der Größe oder auch des Standortes?
„Irgendwie ergeben sich bei mir immer wieder Dinge, bei denen ich denke: ‚Ok, das sollte jetzt wohl so sein.’ Wir hatten eigentlich schon einem anderen Laden fest zugesagt, in der gleichen Straße gegenüber, der aber nie fertig geworden ist. Wir wollten nicht länger warten, haben ihn abgesagt und uns am gleichen Tag noch einmal im Internet umgesehen. Meine Mitarbeiterin Ellen hat dann keine zwei Minuten gebraucht, um diesen Laden zu finden. Einen Tag später haben wir uns hier getroffen und eine Zusage bekommen. Es war wirklich so, als habe der Laden auf uns gewartet. Und genau so fühlt sich das hier für mich auch an. Es ist so schön hier. Es ist so eine tolle Location. Klar, macht man sich immer Gedanken über die Nachbarschaft zum eigenen Laden und ja, es ist auf jeden Fall ein Upgrade zur Sredzkistraße, weil die doch etwas abgelegener ist. Aber vor allem hat der Laden selbst ein gutes Flair.“
Auf der oberen Etage dreht sich alles um Make up. Foto: Alexander Rentsch
Wie kam überhaupt die Idee zustande einen eigenen Laden zu eröffnen? Schließlich warst du doch als Make-up-Artist ständig auf Reisen und in aller Welt unterwegs.
„Der Gedanke kam mir schon sehr früh, weil ich aus einer Einzelhandelsfamilie komme. Meine Eltern, meine Großeltern und meine Ur-Großeltern waren alle Einzelhändler. Ich bin quasi in einem Laden aufgewachsen. Meine Eltern hatten ein großes Modehaus in Witten, in Nordrhein-Westfahlen und ich habe dort schon als kleines Mädchen alles mitbekommen: Vom Ordertermin bis zu den Modeschauen. Ich habe die Höhen und Tiefen des Ladens miterlebt. Trotzdem hat mich das nie abgeschreckt. Das habe ich wahrscheinlich von meinen Eltern. Als sie pleite gingen, haben sie einfach wieder alles aufgebaut. Und ich glaube das hat mir gezeigt, dass es immer irgendwie weitergeht.“
Was haben deine Eltern gesagt, als du auch in die Einzelhandelsbranche wolltest?
„Meine Mutter hat mir einen Vogel gezeigt und mich gefragt, ob ich spinne, weil ich schließlich bei ihnen gesehen habe, wie schwer es ist. Mein Vater war genau das Gegenteil und unterstützte mich voll und ganz. In so einem Moment hört man natürlich auf die Stimme, die deine Idee supportet. Aber ich glaube, selbst wenn beide verneint hätten, hätte ich das gemacht.“ (lacht)
Die Barbier-Ecke in Jacks Beauty Departement: Auch Männer werden hier umsorgt. Foto: Edition F
Deine Ausbildung hast du in den USA gemacht. Wie war das und wie ging es danach für dich weiter?
„Genau, ich habe vor elf Jahren in Los Angeles meine Ausbildung an der ‚Make Up Designory School’ gemacht, an der Schule, die ich nun auch nach Deutschland geholt habe. Ich habe danach noch acht Monate dort gelebt und viel Erfahrung durch Assistenzen gesammelt. Denn eine Ausbildung an einer Schule vermittelt die Grundkenntnisse, also: Wie trägt man Make up auf oder wie schattiert man ein Gesicht. Aber alles, was dich hinterher wirklich als Artist ausmacht, das lernst du später. Denn es hat ja nichts mit der Realität zu tun, im Stuhl zu sitzen und sich von einer Mitschülerin schminken zu lassen.“
Wie kamst du schließlich zu deinem Laden?
„Als ich wieder nach Deutschland zurückkam habe ich drei bis vier Jahre gut als Make-up-Artist gearbeitet. Mit etwa 24 Jahren hatte ich dann erstmals wirklich das Gefühl, dass langfristig gesehen ein kleiner Laden toll wäre. Damals habe ich in Köln gewohnt und wollte den Laden dort eröffnen, aber da sollte es nicht sein. Ich habe ein Jahr lang gesucht und nichts gefunden, bis schließlich meine Agentin sagte, ich solle nach Berlin kommen, weil ich dort sowieso besser arbeiten kann. Ich bin also nach Berlin gezogen und hab plötzlich mega gut gearbeitet. Das war, als wäre ich eine komplett andere Person! Ich habe wahnsinnig tolle Jobs gehabt, sehr große Shootings und Editorials gemacht sowie mit renommierten Fotografen gearbeitet. Genau in dieser Zeit wurde mir plötzlich der Laden in der Sredzkistraße angeboten. Im Mai 2009, mit 25 Jahren, habe ich den Laden dann eröffnet. Mit ganz kleinem Budget, mit etwas angespartem Geld und einem ganz kleinen Kredit von der Bank habe ich damals mit sieben Marken angefangen und dann ging alles ganz schnell.“
Foto: Edition F
Was passierte dann?
„Ich wurde sehr schnell von den Medien wahrgenommen, nach einer Woche war ich mit einer ganzen Seite in der Gala und mein Laden wurde immer wieder vorgestellt. Irgendwie kam mein Interiorkonzept gut an. Ich hatte viel vom Flohmarkt, habe ganz viel selbst gemacht und es gab viele kleine Details zu sehen. Ich war auf der Waldorfschule, vielleicht kommt daher der Hang, alles selbst bemalen zu wollen.“ (lacht)
Wie war das schnelle Wachstum für dich?
„Das war toll! Aber für mich ist damit auch der Druck gestiegen. Die Leute hatten immer mehr Erwartungen an mich und meinen Laden, dass etwas ganz bestimmt aussehen muss oder dass ich noch mehr Marken haben müsste. Das war gar nicht so einfach, denn ich habe ja noch Vollzeit als Make-up-Artist gearbeitet. Ich habe dann im Laden Freelancer gehabt, die immer dann da waren, wenn ich mal wieder einen Job hatte. Und wenn ich keinen Job hatte, war ich im Laden. Das heißt, ich habe eigentlich 24/7 gearbeitet, durchgehend. Es war ein ganz schöner Spagat zwischen dem Laden und meinem Job. Und dann habe ich ein Jahr später auch noch meinen Mann kennengelernt, für den ich ja dann auch noch Zeit haben wollte. Schließlich kam auch noch meine Arbeit für L’Oreal im Jahr 2011 dazu. Dadurch habe ich viele TV-Sendungen gemacht, war noch mehr in der Presse und auch das hat den Laden wieder befruchtet. So hat sich alles immer weiter hochgeschaukelt. Zusätzlich kam dann noch meine eigene Produktlinie dazu, die eigentlich aus einem Hobby entstanden ist und die ist dann auch noch durch die Decke gegangen.“
Im “best of beauty”-Regal finden sich die aktuellen Lieblingsprodukte von Miriam und ihren Mitarbeitern. Foto: Edition F
Ein größerer Laden war also die logische Konsequenz, oder?
„Ja, irgendwann habe ich gemerkt, dass dieser Mini-Laden von 50 Quadratmetern nicht mehr zu dem passt, wohin ich mich weiterentwickelt habe. Und auch nicht zu meinem Standing in der Branche. Mein eigentlicher Traum war immer ein Concept Store. Ein Laden in dem du von A-Z alles machen lassen kannst, von der Gesichtsbehandlung über die Maniküre bis zu Make up und Hairstyling. Das war uns vorher nicht möglich. Ich habe zwei Jahre überlegt, ob ich den Schritt zu einem größeren Laden wage, denn das ist ja auch mit einem Investment verbunden. Dann dachte ich aber: Ganz oder gar nicht.“
Das hört sich nach verdammt viel Arbeit an. Wann schläfst du?
„Ich muss sagen: Ich schlafe wieder. Ich habe eine Zeit lang fast gar nicht geschlafen und nur noch gearbeitet. Dadurch hatte ich leider auch ein ziemlich heftiges Burn Out. Ich bin dann drei Wochen nach Indien, habe durchgeatmet und mir überlegt, wo die Reise überhaupt hingehen soll. Die Frage war: Was will ich eigentlich? Ich habe mich dann für den großen Laden entschieden. Ich wollte das einfach und ich wollte auch mehr Personal, das sich eigenständig um Dinge kümmert.”
Ist Arbeit abgeben etwas, das man lernen muss?
„Definitiv. Ich musste Abstand davon nehmen, alles selber zu machen. Das war der Moment, in dem ich angefangen habe, mehr Unternehmerin als Make-up-Artist zu sein. Der Artist-Job ist einer, den man im Hier und Jetzt macht. Da fahre ich ans Set, habe eine Tagesgage, mache das und dann ist das Ding vorbei. So einen Laden hast du, wenn du ihn gut pflegst und aufbaust, für die Ewigkeit. Und vor allem für die Zeit, wenn ich vielleicht Mitte 50 bin und keine Lust mehr habe am Set zu stehen. Also habe ich meinen Fokus auf den Laden und meine eigene Produktlinie gelegt. “
Miriam Jacks hat den Laden auch komplett selbst eingerichtet. Foto: Edition F
Wie hat sich das auf dein Leben ausgewirkt?
„Es war der richtige Schritt, denn ich wurde viel ausgeglichener. Wir sind hier so gut aufgestellt. Meine Mitarbeiterin Susanne macht den Laden als sei es ihr eigener. Sie kennt ihn, sie weiß was passiert und wie die Kunden ticken. Ich bin ja nicht jeden Tag hier präsent sondern ziehe eher die Strippen im Hintergrund. Ich mache den Aufbau und die Artdirektion, die Ideen hinter dem Laden, Kooperationen und die Entwicklung der Eigenmarke. Und das macht mir auch richtig viel Spaß. Wenn die Arbeit einem Spaß macht, dann merkt man sie auch kaum. Ich nehme mir natürlich auch Auszeiten. Zum Beispiel liebe ich es, am Sonntag auf den Flohmarkt zu gehen. Aber eigentlich kaufe ich auch da wieder Sachen für den Laden ein. Man könnte mir also auch wieder unterstellen, dass ich gar nicht frei habe – aber für mich ist das ein Ausgleich. Ich starte gerade außerdem ein Interior-Blog. Ich brauche das einfach. Der Laden ist mein Leben, meine Arbeit und mein Hobby. Er ist etwas, dass ich einfach verdammt gerne mache.“
Du hast sehr jung Karriere gemacht. Wie bist du das angegangen?
„Es war wirklich harte Arbeit und wenig Zufall. Leute, die ich treffe, oder einen Laden, den ich finde. Aber meine Laufbahn kam durch viel Durchhaltevermögen und auch viele Rückschläge zustande. So viele Freunde oder Bekannte aus der Branche, die ich länger nicht gesehen habe, sagen mir immer wieder: ‚Man Miriam, wo du überall zu sehen bist und was du alles machst!’ Aber keiner von denen sieht, was dahinter steckt. Schon alleine der Ausbau des Ladens, das war der Wahnsinn! Es hat viel länger gedauert als gedacht und es war auch viel teurer als gedacht. Aber das siehst du natürlich nicht auf Instagram und Facebook. Dort siehst du nur mein Strahlen.”
Und da denken sicher die meisten, das sei alles gar nicht so schwer.
„Neulich hatte ich auch eine lustige Begegnung mit einer jungen Make-up-Artistin, die zu mir sagte: ‚Du musst sooo reich sein!’ Das war so süß! (lacht) Ich habe mir nur gedacht: ‚Arbeite eine Woche hier und schau hinter die Kulissen, und dann weißt du, wie viele Kosten das alles verursacht!’ Aber all das hält sich bei mir immer die Waage mit der Freude, die das alles macht. Ich glaube, das ist wie ein Kind zu haben: Das liebst du und manchmal treibt es dich eben auch in den Wahnsinn.“
Überall finden sich kleine Details, wie die lächelnden Blumentöpfe. Foto: Edition F
Bist du mit dem Laden jetzt angekommen?
„Dieser Schritt musste sein, um endlich mal zur Ruhe zu kommen. Ich war immer so voller Tatendrang und dachte mir immer: ‚Es muss noch was passieren!’ Und jetzt ist alles so, wie ich es mir immer vorgestellt habe. Jetzt kann ich auch mal die Füße hochlegen. Es ist auch der Zeitpunkt gekommen, an dem ich eine Familie gründen will. Und der Laden steht, ich habe so tolle Mitarbeiter und ich weiß, ich könnte mich hier auch problemlos ein Jahr rausziehen und der Laden würde laufen. Das ist für mich ganz wichtig. Das war auch das, was mich von Beginn an gelockt hat. Dass wenn ich mal Kinder möchte, ich eine Basis habe. Etwas, wo ich sagen kann, das ist mein Zuhause. Es gab Zeiten, da bin ich wöchentlich gereist. Und das war eine wahnsinnig tolle Zeit. Aber jetzt ist auch eine wahnsinnig tolle Zeit. Meine Ziele verändern sich immer wieder. Eigentlich habe ich jedes Jahr tolle, neue Ziele. Die stecke ich auch immer sehr sehr hoch, eigentlich unerreichbar hoch. Ich schreibe sie mir dann als Notiz in mein Handy und schaue einmal im Jahr danach. Und fast immer habe ich mindestens 50 Prozent erreicht.“
Was ist denn die wichtigste Eigenschaft, die ein Make-up-Artist haben sollte?
„Das Allerwichtigste ist Kreativität und auch der Biss. Du musst es richtig wollen. Viele hören nach der Ausbildung auf, weil sie es einfach nicht packen. Aus meinem Jahrgang arbeiten von 20 neben mir nur noch zwei Leute erfolgreich. Um das zu schaffen, darf man sich auch für nichts zu schade sein. Man muss alles mitnehmen. Ich mache bis heute Jobs, für die ich kein Geld bekomme oder gehe Kooperationen mit anderen Künstlern ein. Es ist ein Geben und Nehmen. Leute, die viel mit mir zusammengearbeitet und mir viel gegeben haben, die haben auch von mir immer viel zurückbekommen. Wenn du das nicht machst, hast du keinen Erfolg. Klar, wir müssen alle von etwas leben, aber hier braucht es eben einen guten Mittelweg.”
Was ist das Wichtigste, was du im Umgang mit anderen Menschen gelernt hast?
„Man darf einfach nicht abheben. Und man muss verstehen, wie die Menschen ticken, mit denen man zusammenarbeitet. Nur dann wirst du auch wieder gebucht. Und man darf die Selbstzweifel nicht zu groß werden lassen, wenn man nicht noch einmal gebucht wird. Man kann nicht jedermanns ‚best friend’ sein.“
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