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Warum ihr euer Privatleben in die Arbeit mitbringen solltet

Die Trennung von Privatem und Beruflichem ist in vielen Unternehmen Standard. Doch auf genau diese strikte Unterscheidung sollten Firmen lieber verzichten. CEO Momchil Kyurkchiev erklärt, was für die Vereinbarung von Privatem und Beruflichem spricht.

Beziehungen machen glücklich – auch bei der Arbeit

Vielen Mitarbeiter*innen wird im Laufe ihrer Karriere vermittelt, dass Privates und Berufliches nicht zu vermischen sei. Eine seit über 70 Jahren laufende – und bis heute andauernde – Harvard-Studie, die das menschliche Glück untersucht, liefert dagegen ganz andere aufschlussreiche Einblicke. Laut der Studie glauben die meisten Menschen fälschlicherweise, dass Glück durch Geld oder Ruhm entsteht. Tatsächlich steht aber keines von beidem in direkter Relation mit Glück. Stattdessen hat die Studie gezeigt, dass vor allem intensive Beziehungen glücklich machen. Wenn Privatmenschen also genau dann glücklich sind, wenn sie enge soziale Verbindungen eingehen, warum sollte es dann bei Mitarbeiter*innen anders sein?

Persönliche Beziehungen am Arbeitsplatz fördern

Gründer*in zu sein, hat viele Vorteile: Man kann das Produkt definieren, die Büro-Location auswählen oder die Firmenkultur bestimmen. Es gibt viele erfolgreiche Unternehmen und viele verschiedene Wege, zu führen. Eine Vielzahl von Studien befasst sich mit unterschiedlichen Unternehmensführungen, so zum Beispiel eine der Stanford University: Die Ergebnisse legen nahe, dass Unternehmen mit sozialer Kultur im Vergleich zu anderen viel wahrscheinlicher einen Börsengang erreichen.

Aus wirtschaftlicher Perspektive lohnt es sich also, traditionelle Strukturen zu überdenken und ein Unternehmen auf neue Art aufzubauen: Nämlich so, dass es die Mitarbeiter*innen an erster Stelle sieht und dabei hilft, sich während der Arbeit mit Kolleg*innen zu vernetzen. Und genau bei diesem Modell ist es essentiell, dass Mitarbeiter*innen ihr persönliches Leben in die Arbeit bringen.

Unternehmenskultur wachsen lassen

Es ist nicht leicht, auf Anhieb eine Firma mit einer guten Unternehmenskultur aufzubauen und dann auch dementsprechend wachsen zu lassen, wenn sich das Unternehmen vergrößert. Auf dem Weg sind oft individuelle Anpassungen und Änderungen nötig, damit die entstandene Kultur für alle Mitarbeiter*innen einen Mehrwert bietet. Der Inkubator TechStars, bei dem wir unsere ersten Schritte taten, hatte beispielsweise ein sogenanntes „Highs & Lows Ritual“, das eine enge Bindung herstellte: Einmal pro Woche teilten alle ihre Erfolge und Probleme der vergangenen Tage. Das war für kleinere Gruppen sinnvoll – ab einer Anzahl von mehr als 20 Mitarbeiter*innen ist es allerdings nicht mehr realisierbar, die Belange aller wirklich zu besprechen.

Für größere Gruppen bewährt sich bei uns nun das sogenannte „Big Talk Dinner“. Die Mitarbeiter*innen treffen sich einmal die Woche bei einem Essen, ob nun im Büro, im Freien oder bei einem Retreat. Ziel ist es, möglichst tiefgründige Gespräche mit den Kollegen zu führen: Bei „Big Talk”-Fragen geht es nicht um Smalltalk über das vorangegangene Wochenende – es geht darum, zu verstehen, was das Gegenüber mit seinem Leben anfangen möchte. So bauen Mitarbeiter*innen Nähe auf. Diese Gespräche finden im Team, aber auch abteilungs- oder teamübergreifend statt. Und im Gegensatz zu dem „Highs & Lows-Ritual” kann das „Big Talk Dinner” zusammen mit der Mitarbeiter*innenzahl wachsen.

Sportmannschaft statt Familie

Im Zusammenhang mit Unternehmenskulturen fällt oft das Stichwort Familie. Meiner Meinung nach geht dies aber nicht in die richtige Richtung: Eine Familie kann wenig tun, wenn der Onkel nun mal nicht gerne das Geschirr abwäscht. Viel treffender ist für Arbeitskolleg*innen die Metapher einer Sportmannschaft: Hier baut man eine Gruppendynamik auf, alle verfolgen ein gemeinsames Ziel. Da ist logisch, dass alle sich gegenseitig unterstützen. Wer das nicht tut, der bleibt auf der Strecke.

Bei der Einstellung neuer Mitarbeiter*innen sollte man deshalb darauf achten, dass man nur die Bewerber*innen auswählt, die zur Unternehmenskultur passen. Dafür muss man definieren, was diese eigentlich ausmacht. Das heißt: Prinzipien und Werte, die alle teilen. Unsere Firma  beispielsweise hat folgende fünf Regeln:

„Führe mit Bescheidenheit“, „Sei ein Macher“, „Scher dich nicht um Formalitäten“, „Fördere Innovation“ und „Zeige Dankbarkeit“. Wer diese nicht vertritt, kommt nicht ins Unternehmen. So stellt man sicher, dass alle an einem Strang ziehen.

Arbeitsglück ist privates Glück

Es mag offensichtlich erscheinen – ist angesichts der bisherigen Handhabung dieses Themas aber überraschend kontrovers: Mitarbeiter*innenglück korreliert mit privatem Glück. Um sich bei der Arbeit wohl zu fühlen, muss man sein persönliches Leben einbringen dürfen. Ein Unternehmen sollte es deshalb ermöglichen, untereinander enge Beziehungen aufzubauen – dies hat nachhaltigen Einfluss auf die Zufriedenheit und damit auch auf die Loyalität den Arbeitgeber*innen gegenüber. Will man also eine Firma gründen oder sich bewerben, sollte man nicht nur über die jeweilige Arbeit nachdenken. Stattdessen lohnt es, auch über die Unternehmenskultur zu reflektieren, von der man ein Teil sein wird. Denn es gibt sie, die neue Unternehmensgeneration, die den Mitarbeiter*innen – und den Privatmenschen dahinter – an erste Stelle setzt und so dessen Zufriedenheit dauerhaft erhöht.

Momchil Kyurkchiev ist der Gründer und CEO der Mobile-Marketing-Plattform Leanplum. Das 2012 gegründete Unternehmen mit Hauptsitz in San Francisco ermöglicht personalisierte Kundenansprache auf mobilen Geräten in Echtzeit und hat Standorte in Nordamerika, Asien und Europa. Vor seiner Zeit bei Leanplum arbeitete Kyurkchiev als Software Engineer bei Google im Silicon Valley.

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