Foto: Annie Spratt - unsplash

Ich glaube an meine Eierstöcke!

„Wenn Sie ein Kind wollen, dann müssen Sie sich jetzt beeilen“, das hat unsere Autorin von ihrer Ärztin gehört. Und woher soll nun der passende Mann kommen?

Warum mir Diagnose „wahrscheinlich unfruchtbar“ keine Angst macht

„Wenn Sie Kinder wollen, sollten sie sich beeilen, sonst können sie keine mehr bekommen“, sagte meine Ärztin und schaute mich ernst an. Mit dieser Diagnose hatte ich nicht gerechnet. Ich wusste, dass meine Hormonwerte nicht gut waren, aber ich habe es immer nur als temporäres Problem gesehen. Außerdem merkte ich bei den Kontrolluntersuchungen, dass sich zum Beispiel meine Östrogenwerte verbesserten, wenn ich mehr für mein Wohlbefinden sorgte. Obwohl meine Ärzte auch hierbei pessimistisch waren und mir zur Einnahme von Hormonen rieten. Aber wie soll mein Körper dazu animiert werden, selbst in Sachen Hormonproduktion aktiv zu werden, wenn er diese bequem von außen zugeführt bekommt? Ist das nicht genau der Fehler, den ich und so viele andere Frauen mit der Einnahme der Pille machten? Der bloße Glaube an meinen Körper hatte es geschafft, eine gewisse Verbesserung der Werte zu erreichen. Ich wollte nicht der rein medizinischen Betrachtung der Ärzte nachgeben, sondern etwas tun, dass sich für mich richtig anfühlte. 

Was mir fehlt? Die neue Diagnose meiner Ärztin lautete: „grenzwertig niedriges AMH“. Der Wert des so genannte Anti-Müller-Hormons wird dazu ermittelt, um zu prognostizieren – vielleicht trifft es auch das Wort spekulieren besser – wie es in den kommenden Jahren um die Fruchtbarkeit einer Frau bestellt ist. Es gibt Auskunft über die Funktionalität der Eierstöcke und inwieweit sie selbst noch aktiv sind oder auf künstliche Stimulation ansprechen werden.  

Natürlich traf mich diese Nachricht zunächst mit großem Erschrecken und Trauer. Einen Tag lang habe ich weinend im Bett verbracht. Nachdem meine Ärztin mich eindringlich fragte, ob ich mir vorstellen könnte, „in den nächsten ein bis zwei Jahren einen Mann als Vater für eigene Kinder zu finden“, begann ich erst zu realisieren, was sie mir sagen wollte. Danach antwortete sie mir expliziter: „Ich glaube nicht, dass das in Ihrem Fall in fünf Jahren noch etwas werden wird mit Kindern.“

Ich bin erst Ende 20 und jetzt bekam ich nahegelegt, mit schnellst möglich einen einen Mann zu suchen, der mir möglichst schnell ein Kind machen würde. Bitte, was? Ich war doch immer besonders stolz auf meine Unabhängigkeit bei diesem Thema. Wie viele Frauen in meinem Bekanntenkreis richten ihr Leben quasi nur noch darauf aus, einen Partner zu finden, sogar losgelöst vom Thema Kinder. Und jetzt soll ich mir Mann und Kindsvater zugleich suchen? Am besten unverzüglich? 

Diese Jetzt-aber-schnell-Heransgehensweise entspricht nicht meinem Selbstbild und meinen persönlichen Vorstellungen vom Glück. Ich bin aktuell glücklich damit, auch nach einer sehr langen Beziehung, die Zeit mit mir allein und meinen Leidenschaften und Interessen richtig genießen zu können. Das bedeutet nicht, dass ich einen tollen Mann als Partner verschmähen würde, aber ich fühle mich als Single absolut wohl.

Nachdem ich viel zum Thema AMH-Wert gelesen habe, weiß ich, dass auch ein niedriger Wert nicht ausschließt, ein Kind zu bekommen werden. Und auch die Kinderwunschexpertin, die ich kontaktierte, bestätigte mir, dass auch Frauen mit unterirdischen Werten, plötzlich schwanger geworden sind. Das Leben kommt doch immer anders, als die medizinische Theorie es vorhersagt. 

Ein Kind um jeden Preis?

Das ist wohl die Schattenseite des medizinischen Fortschritts: Wir neigen dazu, alles erforschen und prognostizieren zu wollen, um unser Leben dann danach ausrichten zu können. In meinem Fall würde das heißen, schnell einen Mann zum Kinder kriegen finden. Ich will das nicht! Ich möchte mein Leben leben, so wie es sich für mich richtig anfühlt. Nicht so, wie es theoretisch nach einer Untersuchung verlaufen könnte. Ich wollte immer Kinder, eigene Kinder, das hätte ich bislang an keinem Tag in meinem Leben in Frage gestellt. Aber nicht um jeden Preis! 

Der Preis dafür wäre jetzt, nicht mehr so leben zu können, wie ich es als erfüllend empfinde. Oder irgendwann in so einer Kinderwunschpraxis, wie ich sie kennenlernen musste, zu sitzen: verzweifelt und gewillt alles Geld und alle Entspanntheit dafür zu geben, ein eigenes Kind zu gebären. 

Es ist ein ganz neuer Gedanke für mich, aber vielleicht sollte ich anfangen vielfältigere Perspektiven zuzulassen, wenn ich von meiner Zukunft träume. Das Erzwingen eines eigenen Kindes um jeden Preis (wobei es keineswegs um den finanziellen Preis geht, sondern um den der Lebensfreude und der Leichtigkeit) soll für mich keine Option darstellen. Vielleicht macht es Sinn, auch eine Adoption in Betracht zu ziehen oder gar keine Kinder. Ich kann trotzdem Verbundenheit zu Kindern verspüren, wie ich es auch jetzt schon tue. Zum Beispiel bei Kindern im Freundeskreis oder über ehrenamtliche Arbeit mit Kindern und Jugendlichen. 

Und auch wenn es irrational klingt: Ich glaube an meinen Körper, an dessen Fähigkeit mich zu überraschen, wie es vielleicht schon bei meinen verbesserten Östrogenwerten der Fall war. Zusätzlich zu dieser Zuversicht bleibt mir die Möglichkeit, meine Eizellen einzufrieren. Dafür möchte ich das Für und Wider näher eruieren. Zumindest stellt diese Option für mich eine gute Seite des medizinischen Fortschritts dar. Zu spüren, dass meine Haltung zu den Dingen gepaart mit den Möglichkeiten der heutigen Medizin mir mehr Perspektiven bietet als ich früher glaubte und als so manche Ärzte denken, hat etwas sehr Beruhigendes. Es gibt nicht den einen Lebensweg und Abweichungen von den Bildern, die wir von unserem Leben hatten, müssen nichts Schlechtes sein. Wir haben viele Möglichkeiten, glücklich zu werden.


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