Nina Pelka ist Produktionsleiterin bei Protonet – der Firma, die den „einfachsten Server der Welt” versprochen hat.
Die Cloud für zu Hause
Den „einfachsten Server der Welt“ versprach Protonet – und hält bis heute einen erstaunlichen Crowdfunding-Rekord: Innerhalb von sechs Tagen sammelte der Gründer Ali Jelveh von Investoren und Privatleuten insgesamt drei Millionen Euro ein und schaffte es sogar bis in die „Tagesthemen“. Die NSA-Affäre war natürlich die beste Werbung, die Protonet sich für seinen Server, die „Cloud für zu Hause“, nur wünschen konnte. Auch wenn Kritiker bezweifeln, dass die orangefarbene Box in ihrer Standardkonfiguration wirklich sicher ist – die Geschichte von des hamburger Startups ist eine außergewöhnliche.
Wir haben mit Nina Pelka, der Produktionsleiterin von Protonet, über ihre Arbeit bei dem Startup gesprochen.
Du bist gelernte Goldschmiedin, seit 2013 Produktionsleiterin bei Protonet, das klingt ja erstmal nach zwei völlig unterschiedlichen Sphären – gibt es Fähigkeiten, die man in beiden Bereichen haben muss?
„Was auf jeden Fall in meinem Job als Produktionsleiterin wichtig ist, ist ein Auge für die Oberflächenqualität, die Feinmotorik, ein generelles Qualitätsbewusstsein, dafür ist mein Hintergrund als Goldschmiedin sehr hilfreich.“
Von der Goldschmiedin zur Produktionsleiterin bei einem IT-Startup – wie kam das?
„Ich habe in Berlin meine Ausbildung zur Goldschmiedin gemacht. Die Branche ist schwierig, es gibt kaum Stellen, ich habe ein paar Betriebe abgeklappert und Berufserfahrung gesammelt, bei zwei Juwelieren und in einer Goldschmiedewerkstatt. Von 2011 bis 2013 habe ich meinen Meister gemacht an der Zeichenakademie in Hanau. Im Anschluss wollte ich der Liebe wegen nach Hamburg zurück, durch einen ehemaligen Auszubildenden bin ich durch Zufall auf protonet aufmerksam geworden. Ich dachte, ein zweites Standbein neben dem Goldschmieden wäre prima.“
Wie sieht dein Arbeitsalltag als Produktionleiterin aus?
„Wir sind ein ganz kleines Team, ich habe die Boxen zeitweise komplett selbst gebaut, bis jetzt im April meine neue Mitarbeiterin angefangen hat. Die Boxenproduktion, die Werkstattorganisation, Abläufe planen und koordinieren, Kommunikation mit Zulieferern, Qualitätsmängel aufspüren, zum Beispiel wenn die Beschichtung von Teilen mangelhaft ist – all das gehört zu meinem Job. Eine klassische Ausbildung, um Server zu bauen, gibt es nicht – Feinmechaniker oder auch Elektroniker wären Ausbildungen, die gut auf den Job vorbereiten – ganz einfach gesagt Leute, die in der Ausbildung mit Kabel und Hardware zu tun gehabt haben, kann man gut brauchen. Andererseits muss man sich ja bei jeder Produktion neu einarbeiten.“
Was hat dich fasziniert an der Aufgabe?
„Ich war gar nicht so der IT-affine Mensch, in der Fachsprache würde man scherzhaft sagen, ich war ein DAU, dümmster anzunehmender User. Mich hat das fasziniert, zu lernen, wie so etwas wie unsere Box entsteht und meine IT-Kenntnisse auszubauen, das war ein schönes Gefühl. Aber besonders toll ist es für mich, mit den Menschen hier zusammenzuarbeiten, das ist eine absolute Bereicherung: Gemeinsam an einer Idee zu arbeiten, den Leuten die Hoheit über ihre Daten zurückzugeben. Diese größere Idee, die fasziniert mich.“
Was genau macht die Arbeit im Team für dich so wertvoll?
„Ich komme ja aus einer recht einsamen Branche – in Goldschiedebetrieben arbeiten oft nur zwei bis drei Leute. Dieser herzliche Umgang hier ist toll, es wird gut kommuniziert, ganz viel Herzblut reingesteckt, es gibt immer ein freundliches Wort auf dem Flur, keiner wird angemuffelt – ich hatte in einem früheren Job mit Mobbing zu tun. Hier sind alle produktiv, ziehen an einem Strang, es gibt keine Egotrips, keine Alleingänge, diese Atmosphäre ist sehr bereichernd für mich.“
Würdest du sagen, für dich ist das Team wichtiger als der Inhalt der Arbeit?
„Grundsätzlich nicht, beides ist wichtig, aber der tollste Job der Welt kann keinen Spaß machen, wenn man jeden Tag mit Bauchschmerzen zur Arbeit geht. Ich habe zur Hause meine kleine Wektstatt und mache meinen eigenen Schmuck, diese Leidenschaft kann ich nebenher noch verfolgen – man verbringt so viel Lebenszeit im Job, dass ich wirklich finde, dass die Atmosphäre sehr wichtig ist, um sich wohlzufühlen.“
Hattest du dich mit dem Thema Datensicherheit schon vor deiner Zeit bei Protonet auseinandersesetzt?
„Eher am Rande, natürlich habe ich Themen wie die NSA-Affäre verfolgt. Bei vielen Entwicklungen habe ich schon vorher kein gutes Bauchgefühl gehabt, etwa wenn ich sehe, was für Bilder Leute bei Facebook für jeden einsichtbar hochladen, da bin ich eher zurückhaltend. Jetzt, wo ich jeden Tag damit zu tun habe und durch Kollegen viel mitkriege, ist mein Bewusstsein für das Thema natürlich enorm gestiegen. In der Goldschmiedebranche haben viele Betriebe ja nicht mal einen Computer.“
Euer Finanzchef hat vor einiger Zeit gesagt, es würde ihn schmerzen, dass die Aufmerksamkeit für Protonet nicht in mehr Bestellungen umgemünzt werden konnte. Wie siehst du das?
„Natürlich bewegt das alle im Team, an der Auftraglage sieht man schließlich, wie es der Firma geht. Wenn ich keinen Druck habe in der Produktion, dann läuft es nicht so gut, so einfach ist das. Nach dem Crowdfunding hatten wir natürlich erstmal den Megadruck: Die Produktion musste von null auf hundert gehen. Als wir nach der Crowdfunding-Kampagne Boxen für alle Investoren zu bauen hatten, die mehr als 2000 Euro investiert hatten, hat das ganze Team mitgeholfen, damit wir das gewuppt kriegen. Danach ist die Anfrage dann eben abgeebbt, wir hatten eigentlich damit gerechnet, dass noch mehr Anfragen kommen, wenn die Leute die Box erstmal in ihrem Büro stehen haben und ihr Netzwerk darüber informieren, und wir weniger Outbound machen müssen. Das war aber nicht so stark der Fall wie erhofft.“
Wieviele Boxen baut ihr pro Tag?
„Das kann man generell nicht so genau sagen, es kommt auch darauf an, wie gut die Vorbereitungen angelaufen sind. Das Gehäuse wird zugeliefert, in unserer Werkstatt selber wird ja einiges selbst gemacht, die Lamellen in Form gebracht, bevor sie beschichtet werden , das Kühlsystem wird hier zusammengelötet. Wenn ich alles zur Hand habe, schaffe ich zehn große Boxen am Tag oder 15 bis 20 kleine. Als Teamleiterin habe ich natürlich noch die ganzen administrativen Sachen zu erledigen, Papierkram, Tabellen, Stücklisten, Inventurlisten.“
Was sind die größten Herausforderungen?
„Erstmal natürlich die Qualitätssicherung. Wenn schlechte Qualität zugeliefert wird, merkt man das logischerweise erst, wenn die Sachen schon da sind, das muss zügig gemanagt werden, der Ausschuss muss in Grenzen gehalten werden. Am wichtigsten finde ich aber die Personalführung, das ist meine größe Herausforderung, weil ich damit noch nicht so viel Erfahrung habe, man muss seinen Mitarbeitern ein Bewusstsein für die Qualität vemitteln.“
Wie sieht die Produktion genau aus?
„Ich habe im September 2013 angefangen. Da bestand Protonet aus zwölf Leuten. Heute sind wir knapp 50. Da hat sich ja überall einiges getan. Als ich bei Protonet angefangen habe, haben wir im Monat so um die zwölf bis 20 Boxen geschraubt. Auf einem Montage-Wagen der Marke Eigenbau, der viel zu klein und für mich viel zu hoch war – mein Vorgänger und Konstrukteur des Wagens war knapp zwei Meter groß. Es mussten Qualitäts-Standards eingeführt werden, Prozesse in der Montage optimiert werden. Wir haben einige Komponenten geändert, weil sie nicht den Qualitätsstandards entsprachen. Nachdem das Marketing dann in andere Räume umgezogen war, bekam die Produktion einen eigenen Raum. Den galt es dann ja auch einzurichten und zu strukturieren, um ein effizientes Arbeiten sicherzustellen. So eine Abteilung muss ja auch erstmal geschliffen werden, bis sie rundläuft. Aber ich denke, das ist ja auch ein Prozess, der nie aufhört. Sonst macht man auch was verkehrt und bleibt auf der Stelle stehen.“
Ihr stellt einiges selbst her, oder?
„Genau, wir bekommen die Lamellen in Blechform angeliefert. Die Form wird ausgestanzt und ausgelasert. Die Rohlinge beziehen wir hier aus Hamburg-Rahlstedt. Bei uns wird das Blechteil dann in einer Presse in seine typische Wabenform gebracht, bevor die Lamelle dann zum Beschichter geht, der auch hier in Hamburg sitzt. Das Kühlsystem bekommen wir zu einem Teil auch hier aus Hamburg von unserem Metallbauer zugeliefert, der auch die Gehäuse fertigt. Den anderen Teil müssen wir leider aus China beziehen, da es hier leider keine Hersteller für dieses Produkt gibt. Die Software für die Schalterplatine wird auch im Haus aufgespielt. Der Rest ghört dann schon zum Montage-Prozess und wird komplett im Haus gewuppt. Die Gehäuse kommen auch Pulver- beziehungswese KTL-beschichtet zu uns. Da befinden sich unsere Zulieferer aber auch alle im Raum Hamburg. Wir achten sehr auf Nachhaltigkeit und Regionalität.“
Zusammen mit der neuen Kollegin seid ihr nun ein rein weibliches Produktionsteam. War das eine bewusste Entscheidung?
„Nein, mir war das egal, wichtig war mir, dass es inhaltlich und menschlich passt. Die neue Kollegin ist gelernte Zahntechnikerin und hat schon in der Endmontage gearbeitet, und auch sonst hat es super gepasst. Ein Motto von uns ist ja, einen Unterschied machen, deshalb ist es natürlich toll, eine reine Frauenproduktion zu haben, andereseits ist es ja auch schockierend, dass das als etwas Ungewöhliches gilt. Es wäre schön, wenn das selbstverständlich wäre – andererseits finde ich es auch gut, eine Vorreiterrolle zu haben, damit das irgendwann einfach ganz normal ist.“
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