Foto: Martin Stein

Respekt ist anziehend

10 Mio. Menschen in Deutschland haben nichts anzuziehen . Auf jeden Fall nicht das, was ihnen wirklich passt, gefällt und selbst ausgesucht werden kann: Menschen mit Behinderung

Mode ist wie Brot.

Jeden Morgen findet sie statt, und bei den meisten Menschen mehrmals täglich wenn man sich bekleidet, ankleidet, umkleidet bis man sich am Ende des Tages auskleidet. Dabei ist es ziemlich klar für erwachsene Menschen, sollten Eltern diesen Text lesen, meistens auch schon bei sehr kleinen Menschen, dass persönliche Vorlieben, Bequemlichkeit, eigener Stil und manchmal sogar noch praktische Überlegungen bestimmen, welche Kleidungsstücke man wählt. Es ist Teil der Selbstbestimmtheit und der eigenen Würde, auszusuchen, was und wie man sich kleiden möchte. Das ist jedoch nur möglich, wenn die Auswahl vorhanden ist, die für die Meisten von uns online-wie offline selbstverständlich ist.

Das sieht für Menschen mit Behinderung ganz anders aus.

Allein in Deutschland leben ca.10 Mio. Menschen mit Behinderung.Für diese Personengruppe ist es oft sehr schwer bis unmöglich, etwas Passendes zum anziehen zu finden. Bekleidung, die individuell gefällt, passt und praktikabel ist. Wenn man dann noch bedenkt, dass nur ca. 4-5% dieser Menschen behindert geboren werden und alle anderen im Laufe des Lebens dieses Schicksal durch Krankheit oder Unfälle ereilt, ist leicht vorstellbar, dass man selbst oder Mitglieder des persönlichen Umfelds in diese Situation geraten könnten. Dies wusste ich selbst bis vor einem Jahr auch alles noch nicht. Behinderte Menschen und ihre Lebenssituationen sind, wenn man nicht direkt familiär oder beruflich betroffen ist, selten zu sehen. Sie haben ihre eigene Welt von Betreuung,Therapeutischen Einrichtungen, Familien usw..

Im letzten Jahr lernte ich vier junge Frauen mit Behinderung, drei davon mit Down-Syndrom, eine junge Frau im Rollstuhl, kennen. Eine Lebenshilfe Organisation aus meiner Umgebung wünschte sich im Rahmen ihres Jubiläums eine Inklusions-Modenschau. Dieser Auftrag hat mich spontan begeistert. Eine tolle Herausforderung an mein Modeatelier, unsere ganze Erfahrung und unser Können einmal völlig anders einzusetzen. Doch dann wurde mir mulmig. Einfach so den Mädchen etwas anziehen, was ihnen vielleicht bis wahrscheinlich gar nicht gefällt? Aus diesem Grunde bin ich doch selbst Modedesignerin geworden: Weil es das, was mir gefällt und Ausdruck meiner Persönlichkeit ist, nirgends zu kaufen gab.

Planänderung und zugleich geniale Idee: Die Mädchen selbst werden zu Designern!Sie machen die Kollektion, mit ihren Ideen, ihren Vorlieben und das Atelier setzt es in tragbare, passgenaue Kleidung um. So haben wir es gemacht.

Die Modenschau war ein Riesenerfolg, das SWR Fernsehen hat berichtet ( siehe Post vom 27.2.2018 bei denfashion-doctors.blogspot.com)

Alle waren begeistert —und dann? Dann war das Fest vorbei. Aber nicht für mich.

Ich hatte erfahren, dass es für diese Menschen sehr schwer bis beinahe unmöglich ist, Kleidung oder Dinge des täglichen Bedarfs zu finden, die passen, gefallen oder ganz einfach das Leben schöner oder leichter machen.

Zwei Beispiele:

Die Mädchen mit Down-Syndrom mochten es nicht, wenn T-Shirts ausgeschnitten sind. Also zogen sie diese meistens verkehrt herum an. Keine gute Lösung.

Die junge Frau im Rollstuhl musste sich jedes Mal komplett im Rollstuhl verdrehen um an ihren Rucksack zu kommen. Wieso gibt es da keine einfache technische Lösung. Selbstfahrende Autos werden ja auch gebaut, und dann steht man auf dem Supermarktparkplatz damit und bekommt seine Sachen nicht in den Einkaufswagen. Die Liste könnte sehr lang sein..

Denn wieso haben diese Menschen nicht das Passende anzuziehen, das richtige Equipment, die praktischen Accessoires?

Weil sie nicht gefragt werden. Weil sie nicht selbst die Designer sind.
Ja, es gibt Designer die Mode für Menschen mit Behinderung machen, ich weiß.
Doch mein Weg ist neu und wurde so noch nicht konsequent beschritten:

Mit respectdesign schaffen wir eine online Plattform, auf der jeder Mensch mit Behinderung selbst oder mit seinem Betreuer seine eigenen Entwürfe und Ideen vorstellen kann. Hierzu haben wir eine eigene Entwurfstechnik entwickelt. Durch eine Vorbestellung kann jeder mitbestimmen, welches Muster in welcher Menge hergestellt wird, was natürlich eine unmittelbare Auswirkung auf den Preis hat. Diese Produkte werden in Zusammenarbeit mit Inklusionsbetrieben hergestellt und ausgeliefert. Damit sollen neue Jobs für Menschen mit oder ohne Behinderung geschaffen werden. Wir haben bereits Partner und Interessenten gefunden wie z.B. die Firma Blauherz aus Weinheim, die Jeans und Rucksäcke für Rollstuhlfahrer herstellen wird.

Mit respectdesign werden Menschen mit Behinderung zu Designern.

Dreißig Jahre Erfahrung als selbständiges Modeatelier in Entwurf, Schnitttechnik, Produktion fließen in diese neue Aufgabe ein.

respectdesign öffnet Menschen mit Behinderung das bislang verschlossene Tor zur Welt der Mode. Dabeisein mit eigenen Ideen, Andere begeistern und anerkannt werden, das bringt die Mitarbeit und Unterstützung dieser Vision.

Wir fanden einen tollen Filmemacher, der uns dieses Video gesponsert hat: https://youtu.be/bKHQ4qsHkRE

Unsere Crowdfunding Kampagne läuft bei www.betterplace.me/respectdesign

Als Erstes wollen wir eine Kollektion mit Statement T-Shirts für respectdesgin starten ergänzt durch Drucke, die bereits von Menschen mit Behinderung entworfen werden. Das nächste Ziel ist die erste respectdesign Kollektion, ausschließlich von unseren außergewöhnlichen Designern entworfen. Diese wird in einer virtuellen Modenschau präsentiert, denn unsere Zielgruppe ist überwiegend nicht mobil, jedoch durchaus häufig Internetaktiv.

10 Mio. Menschen in Deutschland haben nicht das Passende anzuziehen. Das wollen wir ändern! Nun suchen wir noch Mitstreiter, Sponsoren, außergewöhnliche Designer, die mit dabei sein möchten, um diese Vision Wirklichkeit werden zu lassen.
Respekt ist anziehend. der Link zum Blog:https://respect-design.blogspot.com

Susann Voelske

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