Foto: Frank Ockenfels 3/AMC

Schafft die Werbebranche den Imagewechsel?

Werbeagenturen denken um und bemühen sich um mitarbeiterfreundlichere Arbeitsbedingungen. Jüngstes Beispiel: Die Hamburger Agentur Thjnk.

 

Schlechtes Image der Branche

Werbeagenturen gelten nicht gerade als Traumarbeitgeber. Man mache Überstunden en masse, Termin- und Leistungsdruck seien hoch und eine aggressive Ellenbogenmentalität herrsche vor, heißt es. Und das noch dazu bei vergleichsweise schlechten Einstiegsgehältern, denn Tarifverträge gibt es nicht. Die vieldiskutierte Generation Y, die bekanntlich keine Lust hat, sich zum Sklaven ihrer Arbeit zu machen, sondern nach Sinnhaftigkeit sucht, lockt man mit solchen Bedingungen kaum. Das Image der einst schillernden Branche schwächelt, kreative Talente sind Mangelware. Kein Wunder, dass schon seit ein paar Jahren die Agenturen über Nachwuchsprobleme klagen.

Im März prangerte Stephan Grünewald vom Wirkungsforschungsinstitut Rheingold im Interview mit W&V den hohen Druck in Werbeagenturen an, weil dieser schöpferisches Arbeiten und Kreativität verhindere. Der Psychologe forderte gar einen Gehaltsenzug bei Überstunden. Als „pervers“ bezeichnete er es, dass gerade solche Branchen die „Grundbedingungen von Kreativität und Innovationsfähigkeit ignorieren“ würden. Doch auch bei den Agenturen selbst findet längst ein wenig Umdenken statt. Um im Recruiting Talente von ihren Qualitäten als Arbeitgeber zu überzeugen, lassen sie sich einiges einfallen: 2011 wählten Scholz & Friends mit ihrer „Pizza Digitale“ die vielleicht spektakulärste Aktion: In Kooperation mit einem Lieferservice schickten sie bei Pizzabestellungen aus Agenturen noch eine weitere Pizza mit, auf der ein QR-Code aus Tomatensoße zu den Jobausschreibungen von Scholz & Friends führte. Die Berliner Agentur Brandpunkt warb unlängst mit einem Video im Stil von Wallraffs Undercover-Reportagen um neue Mitarbeiter. Inhalt: die arbeitnehmerfreundlichen Konditionen der Agentur.

Alles neu bei Thjnk

Bei Thjnk sparte man sich die Energie für eine Image-Kampagne und veränderte schlicht die Agentur selbst. Seitdem Karen Heumann und Armin Jochum mit an Bord sind und aus kempertrautmann Thjnk wurde, haben sie vieles umgekrempelt. Strukturen und Prozesse wurden professionalisiert, die Work-Life-Balance wurde zum großen Thema. „Wer überdurchschnittliche Ergebnisse liefern will, braucht einfach Zeit”, erklärte die Werberin schon vor einem knappen Jahr im Interview mit der Welt am Sonntag. „Den eigenen Leuten diese Freiräume zu verschaffen, ist heute die größte Aufgabe von guten Chefs.“ Der gute Wille ist da – ob es guter Auftragslage mehr als ein Vorsatz bleibt, muss sich noch zeigen.

Was das Ergebnis der Umstruktierung sonst noch umfasst, präsentierte die Hamburger Agentur vor wenigen Tagen beim jährlichen Pressegespräch im Rahmen des Branchen-Festivals Cannes Lions. Der Vorstand siedelte demnach aus der achten in die zweite Etage um und sitzt nun mitten im Team. In die ehemaligen Chefetage sind stattdessen Mitarbeiter eingezogen. Es gibt Kundentage für Mitarbeiter, Kunden und Presse und Stammtische für bessere Kommunikation zwischen den Standorten Hamburg, Düsseldorf und Berlin. Für Motivation soll mittwochs der Mettbrötchen-Tag sorgen, man trifft sich zum Thjnk & Drink oder Kulturrat, am Jahrestag haben alle frei. Abgeschafft wurde indes die wenig beliebte Clean-Desk-Policy. Alles nur Firmen-PR? Es scheint etwas dran zu sein, Thjnk meint es offenbar ernst: Der Instagram-Account der Agentur gibt ein paar fotografische Belege für die neue kollegiale Ausrichtung von Thjnk, außerdem wurde die Agentur 2014 auf die Liste der besten Arbeitgeber Hamburgs gewählt und hat nach eigenen Angaben so viele Bewerber wie noch nie. Das könnte doch für andere Agenturen Anreiz genug sein, es Thjnk nachzutun.

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