In Sachen Selbstbewusstsein können die meisten von uns noch den ein oder anderen Tipp gebrauchen. Anna Groß und Petra Meyer unterstützen speziell Frauen dabei, sich ihrer Stärken bewusst zu werden – wir haben mit ihnen gesprochen.
Wie werde ich mir meiner Stärken bewusst?
Habt ihr schon einmal jemanden: „Ich bin wirklich viel zu selbstbewusst“ sagen hören? Kommt eher selten vor, würden wir behaupten. Es ist doch eher so: Viele von uns wünschen sich, souveräner aufzutreten, die eigene, abweichende Position auch in größeren Gruppen überzeugend vertreten zu können und beim ersten Anflug von Kritik nicht direkt von Versagensängsten geplagt zu werden.
Deshalb können wir alle in Sachen Selbstbewusstsein noch den ein oder anderen Tipp gebrauchen. Die gute Nachricht ist: Was man nicht von Natur aus hat, kann man sich antrainieren. Welche Eigenschaften eine selbstbewusste Person ausmachen und welchen Einfluss die Bewertung anderer auf unsere Selbstwahrnehmung hat, haben uns Anna und Petra verraten, deren großer Wunsch es ist, vor allem Frauen dabei zu unterstützen, endlich an sich selbst zu glauben und sich ihre Schwächen zu verzeihen.
Selbstbewusstsein ist ein sehr großes Wort. Welche Eigenschaften zeichnet eine selbstbewusste Person eurer Meinung nach aus?
Petra: „Tatsächlich ist für mich der wortgetreue Kern des Wortes der Schlüssel zum Verständnis: sich seiner selbst bewusst zu sein. Ganz nah an diesem Bild sind für mich dann Eigenschaften wie ‚in sich ruhend‘, ‚klar‘, ‚empathisch‘ “.
Im Laufe unseres Lebens begegnen uns viele Menschen, darunter Geschwister, Lehrer, Freunde und Kollegen, die uns bewertet und das auch offen mitgeteilt haben. Deshalb: Wie viel Fremdbild steckt eigentlich in dem Bild, das wir von uns selbst haben?
Petra: „Bei mir bestand das Bild meiner selbst ganz lang NUR aus dem Fremdbild (lacht). Aber ganz im Ernst: Ich glaube, dass wir meist dazu erzogen werden, uns messen zu lassen. Und das findet naturgemäß immer von außen statt. Es gilt also, erstmal zu erlernen, was der Blick nach innen mir geben kann. Vielleicht ist das der Kern dessen, was ‚erwachsen werden‘ tatsächlich bedeutet…“
Anna: „Deshalb ist es wichtig, sich nicht nur auf Fremdurteile zu verlassen und ihnen womöglich auch noch nachzugeben, obwohl man es ganz anders möchte. Es geht bei einem Bewusstsein für sich selbst doch auch gerade darum, zu gucken, wer bin ich eigentlich wirklich, was macht mich aus und wie kann ich das beeinflussen.“
Wie schaffe ich es, dieses eventuell verzerrte Selbstbild zu korrigieren?
Anna: „Dinge unbedingt hinterfragen und nicht immer alles als unumstößlich annehmen. Wir werden im EDITION F Webinar zu dem Thema auch über verschiedene Techniken sprechen, wie man das angehen kann. Wenn ich mich mit dem Fremdbild nicht wohl fühle, ist das auf jeden Fall ein guter Motor, um Veränderungen und Korrekturen anzustoßen.“
Petra: „Vertraute Menschen sind ein weiterer wichtiger Angelpunkt, denn ich allein kann blinde Flecken bei mir oft nicht entdecken. Ich nutze außerdem immer wieder das Fasten, um mich auf mich selbst zu konzentrieren, andere meditieren oder laufen stattdessen. Das sind aber nur Hilfsmittel, wenn du schon auf dem Weg bist.“
Habt ihr einen persönlichen Trick für Tage, an denen man sich selbst so gar nicht ausstehen kann?
Anna: „Selbstzweifel können sehr niederschmetternd sein, oft sind wir selbst unsere größten Kritikerinnen. Um sich davon selbst nicht zu sehr zu zerlegen, kann zum Beispiel helfen, für jeden Zweifel auch ein gutes Gegenbeispiel zu suchen und sich vor Augen zu führen, dass es viele Situationen gibt, die genau das Gegenteil von dem sind, was uns gerade zweifeln lässt.“
Bei den Themen Selbstvertrauen und Stärken wird oft mit geschlechterspezifischen Stereotypen wie „Frauen haben ein schlechteres räumliches Vorstellungsvermögen als Männer“gespielt: Ist da aus eurer Sicht etwas dran?
Anna: „Nein, da ist nichts dran. Mensch ist erstmal Mensch. Aber was daran hängt, sind gesellschaftlich geprägte und dadurch teilweise verinnerlichte Selbstbilder, die weit von dem entfernt sind, wie wir sind und sein könnten.“
Petra: „Für mich liegt Selbstbewusstsein auf einer anderen Ebene als bestimmte Kenntnisse oder Fähigkeiten, daher ist es für mich erstmal geschlechtsneutral. Tatsächlich ist es aber wirklich so, dass gerade die frühe Prägung, besonders im Kindergartenalter, unser Bild von uns selbst formt. Wenn dort schon in Geschlechterrollen gespielt und Aufgaben danach vergeben werden, dann wird es lange dauern, diese vermeintlichen Selbstverständlichkeiten wieder los zu werden. Über den Inhalt solcher Stereotypen rede ich nicht, die regen mich nur auf!“
Woran liegt es eurer Meinung nach, dass Frauen im Job-Kontext tendenziell weniger offensiv mit ihren Stärken umgehen als Männer?
Petra: „Das ist ein extra Thema, über das hier bei EDITION F ja auch viel diskutiert wird – es hat oft damit zu tun, dass wir noch nicht klar über unseren Ort und unsere Rolle sind, mit der wir punkten wollen. Warum uns Frauen das schwerer fällt? Ich vermute, dass es bis jetzt tatsächlich noch am fremdbestimmten Selbstbild liegt. Demnach müsste es aber bald besser werden, denn hier ist ja viel Bewegung drin.“
Wieso liegt es euch so am Herzen, besonders Frauen dabei zu helfen, ihr Selbstbewusstsein dauerhaft zu stärken?
Anna: „Wir leben in einer sehr stark männerdominierten, enorm sexistischen Gesellschaft. Frauen und auch andere Identitäten abseits einer hegemonialen Männlichkeit müssen an jeder Stelle und bei jeder Gelegenheit empowert werden, die sich ergibt, denn es gibt wahnsinnig viele Beispiele, wo genau das Gegenteil passiert – wo sie gebremst oder angegriffen werden, sich nicht entfalten können und sich nur über große Hindernisse hinweg entwickeln können. Je stärker das Bewusstsein für die eigenen Stärken ist und je besser frau sich ihre Schwächen auch verzeihen oder sie am besten sogar in Stärken ummünzen kann, desto besser!“
Petra: „Ich liebe Netzwerken und ich finde es super spannend, kluge Frauen kennen zu lernen, denn das macht Mut und Freude. Wir alle haben wirklich unglaubliches Potenzial in uns und wenn ich diese Zuversicht in ein paar Frauen wecken kann, dann bin ich einfach nur glücklich!“
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