Foto: Neil Jennings | Flickr

Der Chef im Bademantel

Nicht nur Ellen Paos nun verlorener Prozess gegen Kleiner Perkins zeigt die problematischen Arbeitsbedingungen für Frauen im Silicon Valley.

Die Klagen von Frauen wegen sexueller Diskriminierung im Silicon Valley häufen sich

Den kennt mittlerweile wahrscheinlich jeder: Was ist weiß, männlich, hetero und hängt ab und zu mit asiatischen Jungs ab? Antwort: Silicon Valley.

Vor wenigen Tagen hat Ellen Pao den Prozess gegen ihren ehemaligen Arbeitsgeber, die Risikokapitalfirma Klein Perkins Caufield & Byers (KPCB) verloren. In und um das Gericht in San Francisco ging es zeitweise zu wie auf der Kirmes: Manche Leute hatten ihre Kinder mitgebracht, zusätzliche Stühle mussten herangeschafft werden, die Menschenschlangen reichten bis ins Treppenhaus, die Flure waren vollgestopft mit Fernsehteams, draußen reihten sich die Übertragungswagen der TV-Stationen aneinander.

Vier Wochen hat der Prozess gedauert, dann entschied die Jury, dass KPCB Pao nicht diskriminiert habe und wies ihre Klage ab. Pao arbeitet mittlerweile als Interims-CEO für Reddit. Paos Anwalt hatte KPBC im Prozess als „Boys Club“ bezeichnet, dessen tief verwurzelte Firmenkultur auf eine Diskrimierung von begabten und ambitionierten Frauen ausgelegt sei. Der Anwalt von Kleiner Perkins wiederum sagte in seinem Abschlussplädoyer, Paos Vorwürfe seien „haltlos und frivol“.16 Millionen Dollar Gehalts- und Bonusnachzahlungen hatte Pao gefordert. Klein Perkins ist unter anderem mit Beteiligungen an Google, Amazon und Uber reich geworden, die 16 Millionen Dollar hätte die Firma aus der Portokasse bezahlt – aber um Geld ging es vermutlich beiden Seiten nicht unbedingt als erstes.

Gute Beurteilungen gegen Sex

Während des Prozesses war in der Tat von einigen ungeheuerlichen Details aus dem Innenleben von KPCB die Rede. Pao hatte ausgesagt, bei Beförderungen innerhalb der Firma wegen ihres Geschlechts übergangen worden zu sein, nachdem ein Partner der Firma sie zu sexuellen Handlungen genötigt und sie das abgelehnt habe. Es habe Meetings gegeben, bei denen Frauen nicht zulässig gewesen seien, es habe schlüpfrige Männer-Partys gegeben, zudem hätten Führungskräfte Sex gefordert und gute Beurteilungen in Aussicht gestellt.

Via Twitter ließ Ellen Pao wissen, sie sei enttäuscht, gleichzeitig verbreitete sie aber zehn Botschaften, die sich kämpferisch lesen: Zum Beispiel jene, dass dank Social Media und der intensiven Berichterstattung das Problem der Geschlechterdiskriminierung in der Venture Capital-Branche nun weltweite Beachtung gefunden habe.

Tatsächlich wirft der Fall ein Licht auf die Situation von Frauen im Silicon Valley, sei es im Bereich Venture Capital oder Tech: Der Ort, an dem Unternehmen sitzen, die sich selbst als innovativste Firmen der Welt sehen, hat eine erbärmliche Bilanz, wenn es um Innovation beim Thema diversity geht.

„Männliches, chauvinistisches Denken“

Vivek Wadhwa, Fellow an der Stanford University und Autor des 2014 erschienenen Buches „Innovating Women: The Changing Face of Technology“, kritisierte in der New York Times die „elitäre Arroganz der Silicon Valley-Mafia“, und das „männliche, chauvinische Denken“.

Und nicht nur die Debatte auf Twitter zeigt: Ellen Paos Prozess hat eine Debatte angestoßen, ein Schlaglicht geworfen auf die teilweise skandalös wirkenden Arbeitsbedingungen im Silicon Valley. Die jüngsten Berichte von Unternehmen wie Twitter, Facbook und Google zum Thema diversity kommen zu betrüblichen Ergebnissen, gerade im Tech-Bereich stehen nicht selten 90 Prozent Männer gegen zehn Prozent Frauen und schwarze Mitarbeiter muss man oft mit der Lupe suchen. Die Firmen des Silicon Valley haben jahrelang die Defizite ihrer Einstellungskultur ignoriert – langsam kommt nun etwas in Bewegung, die Firmen fangen endlich damit an, ihre Unternehmenskultur auf das Thema diversity zu überprüfen.

Stellen gehen unter der Hand an Männer

Jennifer Dulski, die Präsidentin von change.org mit Hauptsitz im Silicon Valley, ist zum Beispiel überzeugt, dass viele Firmen dort nicht motiviert seien, Frauen einzustellen: „Ich glaube, es gibt da diese Idee, dieses Vorurteil, dass es unmöglich sei, qualifizierte Frauen für bestimmte Jobs zu finden und ich glaube einfach nicht, dass das stimmt. Ich glaube vielmehr, dass die Leute nicht intensiv genug suchen und vielleicht an den falschen Orten suchen“, sagte sie im Gespräch mit uns.

Ellen Pao jedenfalls ist nicht die einzige Frau, die Klage gegen ein Unternehmen aus dem Silicon Valley eingereicht hat: Auch gegen Twitter hat kürzlich eine ehemalige Mitarbeiterin geklagt. Sie behauptet, in der Firma würde es keine formalen Ausschreibungs- und Bewerbungsprozesse geben, sondern die Stellen würden unter der Hand, bevorzugt an Männer, vergeben. Die amerikanische Immobilienseite Zillow.com wird zurzeit von vier Frauen verklagt, im Zuge der Klage kommen absurd amutende Details ans Licht, etwa Schikanen der IT-Abteilung, die vor dem Zurücksetzen eines Passworts Oben-Ohne-Selfies von weiblichen Mitarbeitern gefordert habe. Der Anwalt der klagenden Frauen sagte dem amerikanischen Fernsehsender Bloomberg TV, niemand würde seine Schwester oder Tochter hier arbeiten sehen wollen. Man muss befürchten, dass das für nicht wenige Unternehmen im Silicon Valley abenfalls gilt.

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