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Diese Studie macht wütend: Sexuelle Belästigung im Job führt bei Opfern zu einem Karriereknick

Ein Forscherteam aus den USA kommt in einer Studie zu deprimierenden Ergebnissen: Viele Frauen sehen nach einem sexuellen Übergriff am Arbeitsplatz im Jobwechsel ihre einzige Chance – und nehmen dafür eine Verschlechterung ihrer Lebenssituation in Kauf.

Angenehmes Arbeitsumfeld? Oft nur Theorie

Eine Frau, die an ihrem Arbeitsplatz sexualisierte Gewalt oder sexuelle Belästigung erfährt, muss natürlich zunächst mit der akuten Situation umgehen: Entscheidet sie sich dafür, die Übergriffe ihren Vorgesetzten oder einer offiziellen Stelle zu melden? Je nachdem, in welchem Umfeld sie sich bewegt, wird sie Unterstützung und Ermutigung erfahren, oder weitere Demütigungen, Vorwürfe, Abwiegeln. Im besten Fall gibt es Vorgesetzte, die professionell reagieren und die in der Lage sind, ihre Mitarbeiterin zu schützen, zu unterstützen und in Zukunft ein sicheres und angenehmes Arbeitsumfeld für sie zu garantieren.

Leider ist das viel zu oft Theorie. Eine aktuelle Studie, erschienen in der amerikanischen Fachzeitschrift „Gender & Sociology“, beleuchtet einen wichtigen Aspekt, der mitunter aus dem Blick gerät: Nämlich die Frage, welche Auswirkungen Übergriffe und Belästigungen auf die weitere Berufslaufbahn der Opfer haben.

Die beiden Professorinnen und ein Professor kombinierten für ihre Studie Umfragedaten mit Erkenntnissen aus persönlichen Interviews mit betroffenen Frauen, die sich in den ersten Jahren ihrer Berufslaufbahn befanden. 80 Prozent der Frauen, die körperliche Übergriffe oder andere Formen sexueller Belästigung erfahren hatten, wechselten innerhalb von zwei Jahren danach ihren Job. Von den Frauen, die keine Belästigung erfahren hatten, waren es nur gut die Hälfte. Nach Berechnungen der Wissenschaftler wechselten Frauen, die belästigt wurden, mit 6,5-mal höherer Wahrscheinlichkeit  den Job als Frauen, die nicht belästigt wurden. Außerdem stellten die Forscherinnen fest, dass neben einem Jobwechsel auch ein Wechsel der Branche und die Verringerung der Arbeitszeit häufig vorkamen bei betroffenen Frauen.

Flucht vor einem vergifteten Arbeitsklima

In persönlichen Interviews erfuhren die Forscher mehr über die Motivation der Frauen, ihren Job zu verlassen: Manche taten das, um weiteren Übergriffen zu entgehen, andere, weil sie unzufrieden waren mit den Reaktionen ihrer Vorgesetzten auf gemeldete Übergriffe. „Viele Frauen, die belästigt wurden, berichteten, eine Kündigung habe sich für sie wie der einzig mögliche Weg angefühlt, um vor einem vergifteten Klima am Arbeitsplatz zu fliehen“, schreibt Heather McLaughlin, Soziologie-Professorin und eine der Co-Autorinnen der Studie.

Im Job zu bleiben und all ihre Energie in die Bemühungen zu stecken, diese negative Atmosphäre zu verbessern ­­– vielen Frauen ist das ein zu hoher Preis.

Diesbezüglich gab es im vergangenen Jahr leider schonmal einen Tipp von Donald Trump, der all jene aufstöhnen ließ, die nichts von einer Täter-Opfer-Umkehr halten: Angesprochen auf die Vorwürfe der sexuellen Belästigung mehrerer Mitarbeiterinnen des Senders „Fox News“ gegen ihren ehemaligen Chef Roger Ailes und konfrontiert mit der Frage, was er sich denn wünschen würde, wenn seiner Tochter Ivanka etwas Derartiges passieren würde, sagte er, er hoffe, sie würde dann einen anderen Job oder eine andere Firma finden.

Jobwechsel als einziger Ausweg

Und genau das kann es ja nicht sein: Dass die Berufslaufbahn von Frauen auch noch unter den Übergriffen leidet. Ganz abgesehen davon ist natürlich bei weitem nicht jede Frau finanziell in der Lage, ihren Job zu kündigen, ohne einen neuen an der Hand zu haben. Viele Frauen, so zeigt die Studie, tun es trotzdem, weil sie keinen anderen Ausweg sehen. Die Folge: Frauen, die von sexueller Belästigung im Job betroffen waren, berichteten zwei Jahre später erheblich öfter von finanziellen Schwierigkeiten als jene, die nicht belästigt wurden. Die Belastung durch die Übergriffe oder Belästigungen war nach Erkenntnissen der Forscher vergleichbar mit dem psychischen Stress, den eine schwere Krankheit oder ein Unfall, ein Überfall oder ein Gefängnisaufenthalt auslöst.

Manche der interviewten Frauen wechselten nach dem Übergriff in Branchen, in denen sie das Risiko für sexualisierte Gewalt und Belästigung niedriger einstuften – klassischerweise Branchen mit einem hohen Frauenanteil und schlechterer Bezahlung. Hallo, Gender-Pay-Gap!

Und so appellieren die Forscher auch dringend an Arbeitgeber, richtig zu reagieren – aus vielen Gründen, darunter auch aus ökonomischer Sicht: Nicht der Abgang belästigter Personen könne die Lösung sein, mit all den verbundenen Kosten; vielmehr müsse es darum gehen, gute Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu halten und so ein angenehmes Arbeitsklima für alle zu schaffen.

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