Foto: #UncensoredBerlin

Zensierte Bilder – wie Soziale Netzwerke mit ihren Richtlinien diskriminieren

Soziale Netzwerke bestimmen selbst, welche Inhalte von den Plattformen verbannt werden. Das trifft vor allem Künstler*innen, die sich mit sexueller Vielfalt beschäftigen. iHeartBerlin stellt die verbannten Werke aus.

„Dieser Inhalt wurde gelöscht“

Irgendwie schaffen es die Algorithmen von Facebook immer wieder, dass der Newsfeed hauptsächlich aus witzigen Memes und Katzenvideos besteht. Über nackte Körper scrollt man kaum noch. Denn eine Sache können Soziale Netzwerke besonders gut: Sexualität und nackte Körper zensieren – egal ob Kunst oder nicht. Fotos mit Nippeln, Brüsten, Genitalien werden immer wieder entfernt und Accounts derer gelöscht, die sich gesellschaftspolitisch oder künsterisch an den nackten Körper ranwagen. Die natürlichsten Dinge wie Geburten, weiblichen Nippeln und stillende Müttern verschwinden so aus dem digitalen Abbild der Welt.

Dabei war das Internet einst ein offener Raum. Nacktheit im Internet schockt die Generation Porno ohnehin nicht mehr. Doch es haben sich prüde und diskriminierende Richtlinien in das einst so offene Internet eingeschlichen. Irgendwo in den seitenlangen Ungetümern namens „Nutzungsbedinungen“ steht detailliert, inwiefern Körperflüssigkeiten, Menstruationsblut oder Brüste abgebildet werden dürfen: Männernippel „Ja“, Frauennippel „Nein“.

Vielleicht könnten wir uns langsam daran gewöhnen, den Frauenkörper auch einmal ohne seine sexuelle Dimension wahrzunehmen.  

(- Silvia Follman in: Free your nipples! Gegen die Zensur der weiblichen Brust)

Ausgedacht haben sich diese Standards nicht etwa die Gesetzgebenden, sondern die Plattformen selbst. Facebook, Instagram und Co werfen dabei alles in einen Topf, was zu viel Haut und Sex in die Timeline der Nutzer*innen bringt. Künstlerische Fotografien mit einem aufklärenden Ansatz werden genauso gelöscht wie ein pornografisches Video. Die Richtlinien regeln sogar, wie explizit Texte über Sex auf Facebook sein dürfen.

Die Zensur trifft vor allem Künstler*innen und Fotograf*innen hart, die sich in ihrer Arbeit mit Körpern und Sexualität auseinandersetzen. Sie könne ihr Werke nicht in digitalen Galerien der Welt präsentieren. Natürliche Vielfalt in den Timelines wird dadurch weniger und weniger. Wer es trotzdem wagt, „explizite Inhalte“ hochzuladen, wird höchstwahrscheinlich zensiert. Und genau diese Inhalte finden sich dann in der Ausstellung #UncensoredBerlin wieder. Wir haben uns die Ausstellung angeschaut und mit dem Initiator Claudio Rimmele gesprochen. Der Creative Director plädiert für weniger Zensur im Internet.

„Zensur-Räume, wo keine sein müssten“

Claudio Rimmele (links), Frank R. Schröder (rechts), Andreas Dohmen und Olga Potschernina haben die Ausstellung kuratiert.

Lieber Claudio, hier an den Wänden hängen Fotografien von nackten Menschen, Nahaufnahmen von Vulven und Sex. Was hat es damit auf sich?

Wir sind darauf gekommen, weil wir in unserem Blog Stücke präsentieren, die sich mit Sexualität auseinandersetzen. Die Fotograf*innen wurde immer wieder in den Sozialen Netzwerken zensiert. Deshalb bieten wir der Kunst jetzt hier eine Bühne. Wir zeigen Berliner Künstler*innen, deren Werke zu anstößig für Social Media sind – vor allem für Facebook und Instagram. Das sind beispielsweise Fotografien von männlichen und weiblichen Geschlechtern, Penen und Vulven. Wir zeigen Menschen zuhause, die sich ablichten und das Thema Mutter sein: Eine Frau, die Milch gibt und eine Frau, die nackt mit ihrem Kind spielt. Die Werke bilden Menschen, Natur und das körperliches Stillleben ab.

Verbannt von Social Media – weibliche Nippel sind nicht erlaubt. Bild: Eylül Aslan

Warum dürfen diese Bilder nicht in den Sozialen Netzwerken erscheinen?

Community-Richtlinien entscheiden über die Inhalte, die gezeigt werden dürfen. Weibliche Nippel sind beispielsweise nicht erlaubt. Das finden wir diskriminierend. Wir haben uns gefragt, was eigentlich mit all diesen Fotos passiert, die nicht auf Social Media gezeigt werden dürfen. Wir wollten die Werke wieder zurück in den realen Raum bringen und deshalb hängen sie hier in der Ausstellung.

Bilder von Blut sind an sich nicht auf Facebook & Co verboten. Menstruationsblut schon. Bild: Joanna Legid

Warum sprichst du von Diskriminierung?

Es gibt von der Gesetzgebung Vorlagen, was beispielsweise Pornografie ist und was Akt-Kunst. Aber diese Vorgaben gelten nicht für soziale Medien. Die machen sich ihre eigenen Gesetze in Form von Community-Richtlinien. Das finden wir problematisch. Es ist diskriminierend, wenn die Brust einer Frau nicht genauso gezeigt werden darf, wie der nackte Oberkörper eines Mannes.


Pornografie definieren die Social Media Plattformen selbst. Bild: Majdi Laktinah

Wie sähen Soziale Netzwerke deiner Meinung nach idealerweise aus?

Ich wünsche mir, dass soziale Medien es schaffen, Rassismus, Sexismus, rechte und virtuelle Gewalt einzudämmen. Das ist total wichtig. Genauso stehe ich dafür, dass Künstler*innen in ihrer Arbeit nicht eingeschränkt werden.

Es wäre schön, mehr vielfältige Körper auf Social Media zu sehen. Bild: Mischa Badasyan

Darf Kunst alles?

Soziale Medien sind heutzutage auch unser reales Leben und haben einen großen Einfluss auf unseren normalen Alltag. Uns hat es gestört, dass die Plattformen die Künstler*innen an ihrer Arbeit hindert und in gewisser Weise auch diskriminiert. Ich finde, das ist nichts, was zensiert werden sollte, denn das ist unsere Natur.

Sexuelle Handlungen dürfen auf den Sozialen Netzwerken nicht abgebildet werden. Bild: Spyros Rennt

Vielen Dank für das Gespräch!


Nackte Körper müssen nicht immer sexualisiert werden. Bild: Anna Hell

Auch wenn sie von Social Media verbannt wurden, bleiben die Bilder dem Internet erhalten. Auf iHeartBerlin.de wird die Ausstellung digital fortgeführt. Auf dem Blog bekommt ihr diverse Körper und sexuelle Vielfalt zu sehen.

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