Im Vorwahlkampf der US-Demokraten stritten sich ältere und jüngere Feministinnen darum, wer ins Rennen geschickt werden sollte – Hillary Clinton, die erste Frau mit Chancen auf das höchste Amt im Staat oder Bernie Sanders, der für linke Politik steht. Monate danach zeigt sich: Auch heute fliegen Hillary noch nicht die Herzen aller Feministinnen zu. Liegt das an ihrem Wahlkampf? Wir haben uns diesen in den letzten Wochen vor Ort in den USA angeschaut.
Frauen wählen für alle
„Lasst uns mal was für Frauen machen!“ Wer schon mal Wahlkampf gemacht hat, kennt diesen Satz. Was genau soll das sein? Frauen sind die Mehrheit der Wähler in den USA und haben Interesse an mehr als zwei Themen. Studien zeigen: Frauen wählen nicht nur für sich, sie wählen für ihre Familien, für ihre Gemeinschaft. Wer bietet die besten Schulen für meine Kids? Welches Steuersystem finde ich gerecht? Wer schafft am meisten Sicherheit im Land? Gerade in den USA eines der Top-Themen bei Frauen. Männer wählen um einiges egoistischer.
Welche Themen stellt Hillary im Wahlkampf also nach vorne? Mit dem Slogan „Stronger Together“ zeichnet die Clinton-Kampagne einen Gegenentwurf zu Trump und steht für ein Land der Vielfalt, Offenheit und Modernität. Schwerpunkte in ihrem Wahlkampf sind eine starke Wirtschaft und Jobs, Investitionen in Infrastruktur und kostenfreie Unis. Frauen werden dabei nicht als Single-Issue Voter angesprochen. Stattdessen ist Gleichstellung ein Querschnittsthema. Beim „klassischen“ Frauenthema Mutterschutz setzt Clinton auf ein Miteinander: Sie fordert zwölf Wochen bezahlten Urlaub für beide Elternteile bei Geburt eines Kindes. Eine Art sozialpolitische Revolution in einem Land, in dem sich der Staat in nichts einmischen soll.
Für sie sind Frauen oft der entscheidende Grundstein für erfolgreiche politische Programme, zum Beispiel beim Thema Polizeigewalt. Sie verleiht Müttern von Opfern der Polizeigewalt eine Stimme – so geschehen beim demokratischen Parteitag, weil sie davon überzeugt ist, dass diese Mütter der Schlüssel für Veränderung sind.
Women Power im Wahlkampf-Team
Es geht um einiges und das mobilisiert viele Frauen, aktiv in den Wahlkampf einzugreifen. Hillary scheint mit ihrer Mobilisierungsmaschine diesen Aktivismus für sich nutzen zu können. Die Story „Frauen gegen Trump“ als Kampf gegen Sexismus und Rassismus funktioniert. Zum ersten Mal in der Geschichte der US-Wahlkämpfe bilden Frauen die Mehrheit der Spenderinnen für eine Präsidentschaftskampagne: 60 % der Spenden für Hillary Clinton kommen von Frauen. Die überwiegende Zahl der Freiwilligen, die Tür-zu-Tür-Wahlkampf machen, Spenden über das Telefon einsammeln oder Wähler registrieren, sind Frauen. Das Geheimrezept: Frauen reden mit Frauen über Politik. Die Erfolgschancen für gegenseitiges Vertrauen und Verständnis sind höher als wenn Männer den Wählerinnen die Welt erklären.
Spricht man mit den weiblichen Freiwilligen zum Beispiel beim Haustürwahlkampf und fragt nach der Motivation, hört man oft zwei Gründe: Ich unterstütze Hillary, weil sie eine Frau ist und die Wahl der ersten US-amerikanischen Präsidentin ein historisches Ereignis ist. Oder: Ich habe in den Vorwahlen Bernie gewählt, aber es steht für uns Frauen so viel auf dem Spiel, dass wir Hillary unterstützen müssen.
Ihre Stimme erheben Frauen auch zunehmend in sozialen Netzwerken. In der letzten Woche haben erstmals mehr Frauen (61%) als Männer auf Facebook zu Trump gepostet, geliket und kommentiert – mit hoher Wahrscheinlichkeit pro Hillary. Ihre Social Media-Strategie ist darauf ausgelegt, dass vor allem Influencer als Sprachrohr für sie agieren. Während des TV-Duells werden ihre Unterstützerinnen mit Share-Bildern auf allen Kanälen, sogar per SMS versorgt.
Feminismus light auf der Bühne
„Women´s rights are human rights“ – kaum ein Satz taucht so häufig in Hillarys Reden auf wie dieser. Und kaum einer bringt so viel Applaus. Hillary gibt sich auf der Bühne eher als präsidiale, verlässliche Kandidatin und weniger als kämpferische Feministin, auch wenn sie es vielleicht ist. Ihre Wahlkampfstrategen bestätigen dies. Hillary will zu allererst als kompetenteste Anwärterin auf das Präsidentschaftsamt wahrgenommen werden und erst danach als erste weibliche Kandidatin im Rennen um das Weiße Haus. In den letzten Wochen hat sie in ihren Reden vor allem das Bild von sich selbst als Mutter und Großmutter bemüht: Die sich kümmernde, herzliche Frau. Eine Frau, die Präsidentin für alle Amerikaner sein möchte, trotz der Spaltung im Land. Um die jüngeren Feministinnen zu begeistern, ist das zu wenig. Für sie ist Hillary nicht wütend genug, sie steht nicht für eine radikale Veränderung.
Wer macht dann Bambule und Remmidemmi und reagiert auf unsägliche Äußerungen von Trump? Den kämpferischen Feminismus in der Kampagne überlässt Hillary anderen. Als sie nominiert wurde, betonten junge Feministinnen wie Lena Dunham, die Bedeutung ihrer Wahl für Frauen. Auch heute noch postet Dunham täglich Pro-Hillary-Instagram Bilder, besucht Freiwillige oder hält Reden für Clinton. Als der Locker-Room Talk die Schlagzeilen bestimmte, war es Michelle Obama, die diesen mit schärfsten Worten zu verurteilen wusste. Als Trump Hillary im letzten TV-Duell als Nasty Woman bezeichnete, machte Elizabeth Warren, die Senatorin aus Massachusetts, in ihren Wahlkampfreden daraus ein geflügeltes Wort.
Feminismus ist Popkultur
Was die Kampagne wiederum sehr gut kann: Sexistische Angriffe auf Hillary werden mit witzigen Feminismus-Artikeln quittiert. Trump sprudelt nur so vor guten Vorlagen für die Demokraten. Authentische Antworten sind das Nasty Woman Shirt, das nun alle tragen, oder die Woman Card als Reaktion auf Trumps Aussage, Hillary spiele die Frauenkarte.
Der Wahlkampf punktet auch, wenn er auf Symbolik setzt und Gänsehautmomente generiert. Alicia Keys, die „This Girl is on Fire“ zur Nominierung von Clinton als Präsidentschaftskandidatin performt und dabei ruft „This is an incredible night for American and feminist history.“ Oder auch das Symbol der gläsernen Decke: Augenzwinkernd verbringt die Clinton-Kampagne den Wahlabend in einem New Yorker Gebäude mit einer hohen Glasdecke.
Clinton hat einen feministischen und weiblichen Wahlkampf geführt, gespickt mit kleinen Witzen über ihre Hosenanzug-Kollektion. Jetzt geht es darum, dass vor allem Frauen am Dienstag für sie stimmen. Wir dürfen uns hoffentlich am Abend des 8. Novembers auf den Durchbruch der gläsernen Decke durch die erste designierte US-amerikanische Präsidentin freuen.
Titelbild: Flickr I Nathania Johnson I CC BY 2.0
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