Foto: Fauxels | Pexels

Studie zu Vielfalt im Job: Von Diversitätsmaßnahmen profitieren privilegierte Menschen

Diversitätspolitik allein führt laut einer Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) nicht zu Chancengleichheit.

Wer pflegt uns? Wer bringt uns im Krankenhaus das Essen ans Bett? Wer zieht unsere Betten nach einer Übernachtung im Hotel ab? Und wer kann entspannt eigene Projekte digital aus dem Homeoffice managen? Durch die Corona-Krise wurde klar, welche Gruppen auf dem Arbeitsmarkt weltweit benachteiligt sind. Die vergangenen Monate haben gezeigt, dass Menschen aus marginalisierten Gruppen nicht nur gesundheitlichen Risiken ausgesetzt sind, sondern auch weniger Sicherheit auf dem Arbeitsmarkt haben: Die Beschäftigungsformen sind unsicher, die soziale Absicherung ist schwächer.

Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hatte schon vor Ausbruch der Pandemie mit der Arbeit an einem Bericht begonnen, der sich mit genau diesen Ungerechtigkeiten und der Vielfalt auf dem Arbeitsmarkt befasst. Das Ergebnis: Insgesamt habe die Vielfalt in der Gesellschaft und Wirtschaft zugenommen – gleichzeitig deckt die Studie aber auch erhebliche Defizite in der Nutzung der Potenziale diverser Gruppen auf.  

Frauen in Teilzeit und selten im Management

Zu diesen Gruppen zählt die Studie Frauen, ältere Arbeitnehmer*innen, LGBTI+-Personen, Menschen mit Behinderung und migrantisch gelesene Menschen. So ist die Erwerbsbeteiligung von Frauen in den vergangenen zwei Jahrzehnten zwar gestiegen, dennoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass Frauen in den OECD-Ländern einer bezahlten Arbeit nachgehen, immer noch um zwölf Prozentpunkte geringer als bei Männern. Wenn Frauen erwerbstätig sind, arbeiten sie mit größerer Wahrscheinlichkeit in Teilzeit, steigen seltener ins Management auf und arbeiten tendenziell in weniger lukrativen Sektoren.

Laut Studie ist die Arbeitslosigkeit von Einwanderer*innen im internationalen Durchschnitt 50 Prozent höher als bei Menschen, die im Land geboren wurden. Im Vergleich: In Deutschland ist die Beschäftigungsquote von Einwanderer*innen um 8,7 Prozentpunkte niedriger. Menschen mit einer Behinderung haben in Deutschland eine um 20 Prozentpunkte schlechtere Beschäftigungsquote als Menschen ohne Behinderung. Hier schneidet Deutschland vergleichsweise gut ab, andere OECD-Ländern weisen noch schlechtere Werte auf. 

Neben einer Übersicht über die Vielfalt auf den Arbeitsmärkten beschäftigt sich die Studie auch mit den Maßnahmen, die von Unternehmen oder der Politik umgesetzt wurden, um für mehr Vielfalt auf den Arbeitsmärkten zu sorgen. Quotenregelungen seien dabei besonders für vergleichbar privilegierte Gruppen nützlich und helfen Frauen in Führungspositionen bei ihrem Aufstieg.

Größte Hürde: Bewerbung

Das verbreitetste Instrument zur Förderung von benachteiligten Gruppen ist das Diversitätstraining in Unternehmen. Die Studie kommt zum Ergebnis, dass dadurch aber gegenteilige Effekte möglich sind. Es könne eine „Wir tun doch was – Beschwerden sind ungerechtfertigt“-Einstellung begünstigen. Sinnvoll wären hingegen eher anonyme Bewerbungen, in denen etwa der Name, Geburtsort und das Geburtsdatum geschwärzt werden. Wenn Personen erst einmal eingeladen würden, hätten sie bessere Chancen.

Die größte Hürde sei demnach, überhaupt zum Bewerbungsgespräch eingeladen zu werden. Wichtig sei laut OECD-Studie zudem die Kontaktaufnahme zu „Frauen und Minderheiten“, da diese weniger Netzwerke sowie häufig nicht genug Wissen über offene Stellen hätten. Generell würden von Diversitätsmaßnahmen die verhältnismäßig privilegierten Menschen unter den Benachteiligten profitieren, nämlich diejenigen mit akademischem Hintergrund.

Diversität sollte grundsätzlich breiter gedacht werden, es darf also beispielsweise nicht nur um die kurzfristige Anstellung von im Ausland geborenen Menschen gehen, sondern auch um die langfristige Mitarbeiter*innenbindung und deren Beförderung. Dabei sollte nicht an niedrigeren Hürden für die einzelnen Gruppen gearbeitet werden, sondern an der Chancengleichheit insgesamt. Offenheit sei intersektional, denn die Förderung der Akzeptanz gegenüber einer Gruppe kann laut der Studie auch die Einstellung gegenüber anderen Gruppen positiv beeinflussen.

Anzeige