Foto: @AiWeiwei

Von Kunst und Philosophie

Von Selbstportraits und Selfies

 

Leonardo da Vinci war der Meinung, dass die Malerei die bessere und wahrhaftigere Philosophie sei, denn sein philosophisches Prinzip beruhte auf dem Sehen. Das Sehen war für da Vinci eine gegenüber allen anderen Sinnen höherwertige Erkenntnisform, da das Sehen allein für ihn den direkten Bezug zur Realität darstellte.

Dem Sehen widmen wir uns auch bei unserer philosophischen Dialogführung „Me, myself and I“ am 24. Juni 2017 in München, im Rahmen des 3. Kunstareal Festes. Gemeinsam erkunden wir welche Rolle das Selbstportrait im Laufe der Geschichte hatte und was wir durch genaues Hinsehen erkennen können.

Rembrandt nutzte das Selbstporträt als eine Art philosophischer Suche: Seine frühen Studien stellten ihn in unterschiedlichen emotionalen Zuständen mit entsprechender Körperhaltung dar. Später zeigten die Selbstportraits seine Gedanken zu Schönheit und Verfall des Körpers.

Für Van Gogh waren die Selbstportraits an die philosophische Frage „Wer bin ich?“ geknüpft. Als van Gogh auf dem Schulweg eines Tages an dem Grab seines Bruders vorbeiging, sah er, dass auf dem Grabstein „Vincent van Gogh“ stand. Seine Eltern hatten ihm denselben Namen wie seinem vor seiner Geburt gestorbenen Bruder gegeben. Die Frage nach der eigenen Identität nahm für Van Gogh in seinen Selbstportraits zerstörerische Formen an.

Die Selbstportraits von Picasso zeigen ihn von 1896 als 15-jährigen bis 1972 als 90-jährigen Mann. Frappierend sind vor allem die unglaublich unterschiedlichen malerischen Stilrichtungen über die Zeit hinweg. Dazu sagt Picasso, dass diese nicht als Evolution gesehen werden könne sondern als einen Schritt in Richtung eines unbekannten Ideals.

Seit Beginn des 20. Jahrhunderts ist die Maske ein vorherrschendes Thema in der Kunst der Selbstportraits. Max Beckmann malt sich als Clown, Ernst Ludwig Kirchner als Soldat, James Ensor als Jesus. Die amerikanische Fotokünstlerin Cindy Sherman nutzt das Spiel mit den Rollen in ihren Selbstinszenierungen um weibliche Identität zu hinterfragen.

Der Chinese Ai-Weiwei war einer der ersten, der das Smartphone-Selfie als künstlerisches Medium nutzte. Bekannt ist vor allem das Foto vom 12. August 2009, in dem er den Augenblick dokumentierte, in dem Polizisten ihn vorübergehend festnahmen. Seine moderne Form des Selbstportraits geht hier einher mit einer politischen Botschaft.

 

Nina Schmid, Juni 2017

Anzeige