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Ich hasse meinen Körper – wann hört das endlich auf?

Wie es sich anfühlt, seinen eigenen Körper zu hassen. Tag für Tag, Minute für Minute.

 

Permanenter Selbsthass

Vor Kurzem fragte mich eine Freundin: „Was magst du an deinem Körper?” 

Meine Haare sind zu dünn, zu kurz, zu Straßenköter. Meine Stirn ist zu groß, die Augenbrauen zu hell, zu schmal, zu wenig geformt. Meine Augen sind zu klein, die Wimpern zu kurz. Meine Augenringe sind zu dunkel, die Tränensäcke zu fett – vor allem, wenn ich lache. Meine Nase ist zu breit und zu groß, die Lippen zu schmal, die Zähne zu ungerade. Mein Gesicht ist zu blass, die Haut zu fettig, ich habe zu oft zu viele Pickelchen. Mein Kinn fällt nach hinten ab, meine Ohren sind zu groß und zu speckig. Meine Schultern sind zu rund, zu krumm, zu unvorteilhaft. Die Oberarme sind zu fett, die Finger zu wurstig, die Fingernägel zu abgenagt, zu kurz. Meine Brüste sind zu klein, stehen zu weit auseinander. Mein Bauch ist zu fett, die Hüften zu speckig, ich habe zu viel Love Handles und zu wenig Taille. Der Po ist zu dick, zu groß, zu untrainiert. Meine Beine sind zu kurz, die Oberschenkel zu fett, zu unstraff. Die Knie werfen eklige Falten. Meine Waden sind zu breit, die Fesseln eindeutig zu dick. 

Der Hass ist immer da

Kein Spiegel, in dem ich meinen Körper nicht kontrolliere. Nicht morgens nach dem Aufstehen im Schlafanzug, nackt nach dem Duschen, nach dem Anziehen, nach dem Schminken, nach dem Pinkeln bei der Arbeit. Nicht beim Shoppen im Umkleidelicht, das nichts verzeiht, nicht angetrunken auf der Bar-Toilette, nicht hundemüde beim Zähneputzen.

Kein Essen, das ich genieße. Jeder Biss ein Fehler. „Fuck, schon wieder Pasta. Dabei gab’s zum Mittag doch schon fett Kohlenhydrate. Und morgen heulste wieder vor’m Spiegel rum.” Kein Scrollen durch Instagram, das mir ein gutes Gefühl gibt. Überall weiße Zähne, lange Beine, gebräunte Haut, Designertaschen, schöne Brüste, schöne Kleider, schöne Hintern, kein Gramm Fett zu viel – schöne Menschen haben keine Probleme. Ich hasse schöne Menschen. Ich will so sein wie sie.

Keine Minute, in der ich nicht an meinen Körper denke. In der ich mich nicht vergleiche. In der ich 18-jährige Mädels nicht um ihre schlanken Beine, ihre frische Haut beneide. Kein Rock, kein Sommerkleid, in dem ich mich wohlfühle. Nackte Beine – nackter Horror. Kein Sommer, in dem ich im Bikini herumlaufe. Kein BFF-Bild mit meinen Mädels am Strand. Weil ich mit meinen Freundinnen nicht an den Strand gehe. 

Was denken die anderen über mich?

Kein Selfie, das ich nicht bearbeite, nicht verdrehe – und doch wieder lösche. Kein Foto, das andere von mir machen, das mir gefällt. Kein Bild, in das ich nicht hineinzoome, um meine Beine noch genauer zu betrachten, sie als noch kürzer und widerwärtiger zu empfinden. Nie wieder die helle Jeans, darin sehe ich noch fetter aus. Oversize steht nur schlanken Frauen. Kein Abend, an dem ich nicht darüber nachdenke, was ich am nächsten Tag anziehe. 

Kein Gespräch mit Fremden, bei dem ich nicht darüber nachdenke, was sie von mir halten. Kein Moment, in dem ich ihre Gedanken nicht höre: „Es heißt Lidstrich und nicht Lidstreifen”, „Aaalter, kann die sich mal vernünftig die Augenbrauen zupfen?”, „Mit den Beinen traut die sich, ne helle Skinny anzuziehen?!” Kein direkter Blickkontakt mit Menschen, bei dem ich mich nicht augenblicklich unwohl fühle.

Ich wünschte, es wäre anders

Kein Tag, an dem ich mich nicht dafür gehasst habe, nicht irgendwas zu ändern. Noch mehr auf die Ernährung zu achten, mehr Sport zu machen, meine Augenbrauen regelmäßiger Färben und Zupfen zu lassen. Kein Tag, an dem ich nicht gehofft habe, dass mir das alles irgendwie scheißegal wird. Dass ich #Teambodylove nicht nur hashtaggen, sondern auch fühlen kann. Dass ich nicht nur logisch reflektiere, dass mein Selbstwertgefühl nicht steigt, wenn der Zeiger auf der Waage sinkt – sondern dass ich es spüre. 

Kein Moment in den letzten zehn Jahren, in dem ich glücklich mit mir war. Mich hübsch fand, sexy oder schön. 

„Meine Füße sind okay.”, antwortete ich und lachte. 

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