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Warum man um 4 Uhr morgens am produktivsten ist

Vier Uhr morgens? Die Meisten von uns waren zu dieser Zeit wahrscheinlich das letzte Mal wach, weil sie gerade aus dem Club gekommen sind. Dabei empfiehlt es sich nicht nur für Workaholics, den Wecker so lange vor Sonnenaufgang zu stellen.

Die Morgenstunden bieten sich nicht nur für Overachiever und CEOs an

Früh aufstehen ist für die Meisten von furchtbar, viele Menschen im Schichtdienst kennen es nicht anders. Vor allem im Winter, wenn von draußen nur düstere Kälte lockt, lassen die, die es können, den Wecker gerne zwei, drei oder acht mal in den Schlummermodus fallen. Das ist zwar per se nicht schlimm, aber bietet auch keine gute Grundlage, um einen guten erfüllten und produktiven Tag zu haben. Denn ein guter Start kann häufig den Rest des Tages bestimmen. Und es ist kein Geheimnis, dass viele der „Super-Erfolgreichen“ ihren Wecker zu unsagbaren Zeiten stellen. Genauer gesagt um vier Uhr morgens. Und tatsächlich sind es nicht nur Bauern, Morning-Show-Moderatoren, Krankenschwestern Flugbegleiter oder Eltern kleiner Kinder, die so früh Aufstehen. Auch Apple-CEO Tim Cook oder First Lady Michelle Obama haben Gefallen daran gefunden, ihr Bett zu verlassen, wenn noch Sterne am Himmel sind. Zu den Frühaufstehern zählen allerdings nicht nur Workaholics, sondern auch viele „Normalsterbliche“. Warum entscheiden sich Menschen, vor dem Rest der Welt aufzustehen und in den Tag zu starten? Und wie schaffen sie das?

Hilary Potkewitz, Reporterin beim Wall Street Journal, hat sich die Routinen der unterschiedlichsten Menschen angesehen, die sich für dieses Modell entschieden haben. Sie nutzen die Zeit, um Sport zu machen, sich um ihre Mails zu kümmern, persönliche Projekte voran zu bringen oder zum Meditieren. Für viele ist das die einzige Zeit, um dem Trubel des Alltags zu entkommen. Denn selbst, wenn man nicht CEO oder Spitzenpolitikerin ist, hat man tagsüber häufig keine Gelegenheit, sich von Handy und Internet zu befreien, weil die ständige Erreichbarkeit erwartet wird.

Ein früher Start verspricht Zeit für Ruhe und Konzentration

So beginnt zum Beispiel Russ Perry, der 33-jährige Gründer einer Grafikdesignfirma, den Tag mit einem Gebet – das sei wie ein Pep-Talk an sich selbst, so Perry. Danach beschäftige er sich mit seinen E-Mails und den Finanzen der Firma, bevor er ins Fitnessstudio geht. Wenn er um 6:30 Uhr vom Sport nach Hause komme, sei meistens einer seiner Töchter wach und die Ruhe vorbei.

„Dieser Teil meines Tages ist der geplanteste und organisierteste. Von hier an ist alles Chaos.“

Das ist für die meisten Menschen, die so früh aufstehen, die größte Motivation: zwischen vier und sechs Uhr gibt es keine Ablenkung. Die Uhrzeit verspricht Einsamkeit und Ruhe. Denn um vier Uhr morgens schreibt dir niemand eine Mail, niemand postet auf Facebook und vor allem erwartet niemand eine Reaktion auf Nachrichten. Es ist wohl die einzige Zeit des Tages, in der sogar das Internet und soziale Medien keine Aufmerksamkeit einfordern. Das ist entschleunigend und fördert die Produktivität. Und bei einigen auch die Kreativität: Peter Shankman, ein Unternehmer und Redner aus New York, erzählte Hilary Potkewitz, dass er jeden Tag  um vier aufstehe und sich zwei Mal die Woche mit einem Freund treffe, um in der leeren Stadt laufen zu gehen.

„Wenn ich die ganze Zeit aufpassen muss, dass ich nicht in Menschen rein laufe und auf den Straßenverkehr achten muss, kommen meine Ideen nicht.“

Auch Karen Schwalbe-Jones, die 46-jährige Besitzerin eines Fitnessstudios, nutze die Morgenstunden zum Workout, bevor sie in den Unternehmens-Manager-Modus umstellen müsse. Früher habe sie versucht, die Zeit für einen Lauf oder Pilates-Stunden am Nachmittag zu finden. Meistens, so sagt sie, seien ihr diese Tage entglitten und spätestens zur Mittagszeit wäre sie leicht reizbar und unentspannt gewesen. Trotzdem hat ihre Routine für sie, wie für viele andere auch, einen Nachteil: Spätestens zwischen 21 und 22 Uhr liegen die meisten Frühaufsteher im Bett. Den Abend mit Freunden zu verbringen, Essen zu gehen oder ein gemütlicher Abend mit der Familie ist da selten drin.

„Im Moment ist es die beste Lösung für meine Familie, aber eines Tages würde ich doch gerne wieder die Möglichkeit haben, Abendessen zu gehen und nicht durchzudrehen, wenn ich merke, dass es halb zehn ist.“

Wenn man also, wie die meisten Menschen, auf acht Stunden Schlaf angewiesen ist, muss man sich gut überlegen, ob und wie man sein Sozialleben an den neuen Rhythmus anpassen will. Die Vorteile sind verlockend: wie oft liegen wir Abends im Bett und können nicht schlafen, die Augen träge von den ganzen Bildschirmen und das Hirn erschöpft von ständigen Multitasking? Wie oft nehmen wir uns vor, nach der Arbeit zum Sport zu gehen und tun es dann doch nicht, weil wir lieber weiterarbeiten, spontane Verabredungen oder die Couch uns locken?

Wenn man unzufrieden damit ist, dass die eigene geistige Leistung nach einem langen Arbeitstag nur noch für Dinge taugt, die eine niedrige Hirnaktivität fordern, ist diese Umstellung bestimmt keine schlechte Idee. Und die Frühaufsteher haben einige Tricks, um den inneren Schweinehund zu überwinden und das meiste aus dieser wertvollen Zeit heraus zu holen. Wenn man etwa aufsteht, um zum Sport zu gehen, empfiehlt es sich, in Sportklamotten zu schlafen und direkt nach dem Aufstehen die Sportschuhe anzuziehen. Denn mit Schuhen an den Füßen ist es eher unwahrscheinlich, dass man sich nochmal ins Bett legt. Frühe Sportkurse haben zwei Vorteile: man trifft Leute, die den gleichen Rhythmus schätzen und man bleibt motiviert, weil man mehr oder weniger erwartet wird. Es gibt Kaffeemaschinen, bei denen man programmieren kann, wann sie den Kaffee machen. So kann man gleich nach dem Aufstehen einen frischen Kaffee genießen.

Wenn man die Morgenstunden dazu nutzt, Mails zu lesen und zu verfassen, sollte man sie so timen, dass die zu einer moderaten Uhrzeit raus gehen. Sonst denken die Empfänger schnell, man sei 24/7 erreichbar und die morgendliche Ruhe ist dahin. Außerdem empfiehlt es sich, das Handy im Flugmodus zu lassen, damit die mögliche Ablenkung nicht lockt – zwischen vier und sechs Uhr morgens werden sowieso keine Antworten erwartet.

Muss es denn sein?

Andererseits ist für viele von uns diese Zeit, in der wir uns von Netflix-Serien in unbekannte Welten entführen lassen oder einfach unseren komplettes Instagram-Feed durchscrollen, ohne das Gesehene wirklich aufzunehmen, wichtig, um abschalten zu können. Außerdem hält uns auch zu Abendstunden wenig davon ab, das Handy in den Flugmodus zu schalten und uns Zeit für uns zu gönnen. Denn das sind ja andersrum die Stunden, in denen die Frühaufsteher schlafen – also auch unerreichbar und unproduktiv sind. Es erfordert zugegeben etwas mehr Disziplin, abends das Handy aus zu lassen, wenn die Gedanken noch kreisen. Aber morgens um vier aus dem Bett zu kommen ist ja auch nicht gerade easy. Vielleicht sollte man sich dementsprechend einfach seine ganz persönliche Zeit am Tag einrichten und ein Date mit sich und seinen eigenen Bedürfnissen machen. Ob das um 4 Uhr morgens oder 22 Uhr abends ist, muss jeder für sich selbst herausfinden.

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