Das Gender Pay Gap ist keine selbsterfüllende Prophezeiung. Wie ich meine Erfahrungen mit meiner Tochter teile.
Meine 8jähre erklärte mir neulich, dass Frauen weniger verdienen als Männer. Es kam nicht als Frage, es gab auch kein Warum. Sie hatte in den Kindernachrichten vom Equal Pay Day erfahren.
Dazu habe ich eine Meinung und ich wollte meiner Tochter diese mitgeben, denn, dass Frauen weniger verdienen ist kein unveränderlicher Fakt für mich.
Natürlich ist das Thema komplex. Wer Teilzeit arbeitet oder
im Kindergarten oder im Pflegeheim, der verdient weniger. Das sind meist
Frauen, keine Frage. Ich verdiente auch weniger als mein Mann, als dieser noch
Karriere machte in einem internationalen Unternehmen, regelmäßige Gehaltssteigerungen
und Boni inklusive. Dafür war er viel unterwegs, lange Arbeitstage im Büro gehörten
auch dazu. Darauf hatte ich keine Lust. Ich habe auch einen spannenden Job, gehe
auf Dienstreisen und bin manchmal am Wochenende unterwegs. Aber meist gehe ich
um 3 nach Hause, checke die Hausaufgaben der Kinder, trinke mit ihnen Kakao.
Ich habe beides und ich finde das auch großartig. Ich bin auch sicher, dass ich
nicht weniger verdiene als meine männlichen Kollegen. Ich denke sogar, dass ich
mehr verdiene.
Das sagte ich meiner Tochter. Ich erklärte ihr, dass es
wichtig ist zu wissen, was man kann. Dass man das auch seinem Chef sagen muss
und mehr Geld fordern muss, wenn man glaubt, dass man es verdient. Ich sagte
ihr, dass ich sehr gute Arbeit mache, immerhin habe ich die gleichen Aufgaben
in Teilzeit zu erledigen wie meine Kollegen in Vollzeit. Nach 6 Stunden am
Schreibtisch bin ich deshalb reif für den Feierabend.
Ich weiß natürlich, dass es nicht so einfach ist, sein
Gehalt zu verhandeln. Es ist auf jeden Fall schwerer, als sich über zu wenig Gehalt
zu beklagen. Mein Kollege tut dies ständig (was auch der Grund ist, warum ich
glaube, dass er tatsächlich weniger verdient als ich). Er bemängelt, dass die
mehr Geld bekommen, die sich gut verkaufen können. Richtig! Aber da jeder das
weiß, kann man es doch lernen!
Ich habe einen hohen Anspruch an mich und meine Arbeit. Wenn
ich meine Kinder im Kindergarten oder im Hort betreuen lasse, möchte ich in dieser
Zeit etwas Sinnvolles tun. Also keine endlosen Meetings ohne Ergebnis, keine Statistiken,
die keiner braucht, kein Vortäuschen, busy zu sein. Schade um die Zeit! Und
deshalb habe ich in den 6 Stunden (und manchmal auch darüber hinaus am
Nachmittag zwischen Hausaufgaben und Kakao) immer mein Bestes gegeben.
Statt einer Gehaltsverhandlung ging es für mich aber erst
einmal um die Frage, ob ich nach der Befristung einen unbefristeten Vertrag
bekommen sollte. Es sah nicht gut aus. Auf meine Erklärung, dass ich finde, ich
würde einen sehr guten Job machen, bekam ich von meiner Chefin zu hören, dass
ich ja eine sehr hohe Meinung von mir hätte. Noch so ein Thema – Frauen müssen
einfach anfangen, sich gegenseitig mehr zu unterstützen!
Mein Vertrag wurde verlängert. Ich kündigte an, dass ich über
mein Gehalt sprechen wollte. Ich hatte mich gut vorbereitet auf das Gespräch. Ich
wusste, was ich wollte und warum ich das fordern konnte. Es war ein gutes
Gespräch. Nicht sehr emotional, sehr sachlich. Und erfolgreich. Ich bekam mehr
Geld. Weniger, als ich gefordert hatte (ich wollte 100% Gehalt trotz 80% Job). Aber
6mal so viel wie ich mindestens bereit war zu akzeptieren.
Das habe ich meiner Tochter erzählt. Denn ich möchte nicht,
dass sie mit dem Gedanken aufwächst, dass Frauen weniger verdienen als Männer. Genauso
wenig wie mit der Idee, Frauen hätten keine Ahnung von Technik, wären
schlechter in Mathe. Denn schon allein die falsche Idee im Kopf kann Mädchen
und Frauen davon abhalten, die gleichen Leistungen zu bringen wie Jungs und
Männer.
Es liegt immer auch an jedem einzelnen, das zu fordern, was
einem zusteht. Und wer mehr leistet, sollte auch mehr verdienen.
… übrigens habe ich mit meinen Kindern bei der Gelegenheit
gleich etwas Mathe geübt. Denn der Equal-Pay-Day wurde jahrelang auf den
falschen Tag datiert! Denn wenn Frauen 22% Geld weniger bekommen als Männer
bekommen Männer mehr als diese Prozentzahl mehr als Frauen, nämlich 28%. Denn
100% Frauengehalt < 100% Männergehalt q.e.d.