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Es passiert etwas Großartiges, wenn wir..

..stillstehen.

In unserer heutigen Zeit fast ein Unwort: Stillstand. Uääw. Wer still steht, an dem geht das Leben vorbei. Langsamkeit wird verprügelt von den Brüdern Dynamik und Effizienz. Höher, schneller, weiter mal 2 zum Quadrat.
Beim Wort „Stillstand“ bekommen viele Menschen eine schmerzhafte Gänsehaut und müssen in eine braune Papiertüte atmen. Ich war eine von Ihnen. Aber jetzt liegen in eben dieser Papiertüte Kartoffeln und Pastinaken und warten darauf, für ein gesundes Abendessen zurechtgemacht zu werden.

 

Ich bin dafür, dass Langsamkeit wieder in Mode kommt.

Ich bin gegen „von allem Zuviel“.  Wir sollten in Momente wieder so richtig herzhaft reinbeißen, anstatt nur an der Oberfläche zu lecken.

Haben wir denn Zeit „gewonnen“, wenn wir sie pressen, nur damit wir
vermeintlich mehr von ihr haben?

Gepresste Zeit schmeckt ungenießbar

Begreifen wir wirklich, was wir gerade erleben, wenn wir – kaum sind wir angekommen – schon wieder weiterziehen? Wir haben mehr davon, einen einzigen Moment richtig wahrzunehmen und uns auf ihn einzulassen, anstatt viele davon zu sammeln, uns aber von keinem richtig ausfüllen zulassen. Nur wenige Momente schaffen es, ihr Potenzial zu entfalten. Die Allermeisten genießen leider nur noch unsere Rückansicht, ehe sie richtig losgelegt haben.

Ich glaube, dass mit uns viel geschehen kann, wenn wir warten.

Hört ihr das Hecheln?

Das ist unsere Seele, die fluchend und völlig aus der Puste versucht, uns einzuholen. Erleichtern wir ihr die Arbeit und bleiben zur Abwechslung mal stehen. Die wird Augen machen. Und wenn sie dann endlich bei uns angekommen ist, dann -passiert erstmal gar nichts.

Wir sind vollkommen überfordert mit der Situation, vereint zu sein. Das braucht
etwas Zeit. Einklang passiert nicht von heute auf morgen. Wir haben uns mit unserer Seele so dermaßen auseinandergelebt, dass wir uns erst langsam wieder annähern müssen:


„Du auch hier?“
„Jap.“
„Und, wie geht’s Dir so?“
„Läuft.“
„Joa, bei mir auch.“
„Soll heute noch was geben, wa.“
„Hab ich auch gehört.“
„Tja ja.“ 

Das braucht alles seine Zeit. Aber die haben wir nicht, haben wir ja schon festgestellt. Dynamik und Effizienz lauern uns auf, jeden Tag. Wenn wir nicht in das Zeitfenster passen, dann werden wir eben passend gemacht. Wie? 
Durch unsere Gesellschaft, unser Umfeld und schließlich uns selbst. Also sprinten wir
weiter, während unsere Seele mit zitternden Knien versucht, aufzustehen, um ihren Marathon fortzusetzen. Denn wir wollen was sehen, erleben und entdecken, SCHAFFEN. Ja, wir wollen etwas schaffen. 
Aber wer sagt, dass dies nur mit Schnelligkeit funktioniert?

Wir fangen an, Erlebnisse in ihrer Breite zu sammeln, nicht aber in ihrer Tiefe.

Viele von uns Fragen sich, warum sie eine Art Unruhe verspüren. Wir fühlen uns getrieben, gehetzt und bekommen Panik, wenn wir unser Leben mit sinnlosen Tätigkeiten füllen. Wir lechzen nach Sinnhaftigkeit, wollen Ausschöpfen und alles auf unserem Weg mitnehmen. Wir leben nur einmal.
Diese Unruhe ist eine schlecht geschminkte Vetterin der Brüder Dynamik und
Effizienz. Denn sie bringt uns dazu, niemals in Erwägung zu ziehen, abzuwarten
und anzuhalten. Sie treibt uns an, peitscht uns nach vorn und lässt uns eiskalt
und außer Atem zurück, während sie mit den Brüdern einen Trinken geht.


Und da liegen wir, ohne Substanz, leer und völlig abgekämpft

am Boden, weil wir uns selbst ein Stillhalten nicht gegönnt haben. Weil wir geglaubten, dass uns dadurch Zuviel entgeht. Weil links und rechts keine Optionen für uns waren und wir dadurch all die Möglichkeiten, die sich ergeben hätten, nicht wahrgenommen haben. 
Wir verstehen nicht, warum wir trotz unserer Schnelligkeit nur an der Oberfläche vom Möglichen kratzen. Aber das Mögliche wird nicht mit Dynamik erreicht, sondern mit Bewusstsein. Und Bewusstsein funktioniert nicht, wenn wir Zeit rationalisieren und versuchen, in jede mögliche Lücke noch mehr von ihr zu stopfen. Zeit verdoppelt sich nicht, wenn wir schnell sind. Denn der Maßstab für Zeit liegt nicht in der Anzahl unserer Fußspuren, sondern in ihrer  Tiefe. 

Mut zur eigenen Langsamkeit.

Machen wir es (uns) bewusst! Egal, was wir tun. Egal, ob wir in den Augen anderer zu schnell oder zu langsam dabei vorgehen. Für Langsamkeit gibt es keine Messeinheit. Lassen wir uns nur von uns selbst definieren und von keinem anderen. Wir lernen Selbstverteidigung. Wir haben mit unserer ausgewählten Langsamkeit genau die richtige Schnelligkeit.

Denn selbst gewählte Langsamkeit und Stillstand sind die Klitschko-Brüder unter den Soft Skills.

Nur weiß das niemand. Aber mit diesem Wissen sollen sich Dynamik und Effizienz ruhig nochmal blicken lassen. Mit Menschen, die mutig und diszipliniert genug sind, in all der fließenden Masse um sie herum innezuhalten, würde ich mich nicht anlegen wollen.

Und jetzt kommt der Aha-Moment: Auch wenn wir stillstehen, ist alles im Fluss! BAAAM!

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