Foto: Maria Christina Gabriel

Was macht eigentlich eine Doula?

Maria Christina Gabriel (35) ist Spirituelle Mentorin und Birth Doula. Sie lebt seit zwei Jahren in New York City und unterstützt seit Anfang 2017 werdende Mütter auf dem Weg zur selbstbestimmten Geburt. Im Interview erklärt sie, was eine Doula im Unterschied zur Hebamme macht, warum Empowerment von Schwangeren und Gebärenden so wichtig ist und was sich an unserem Blick auf Geburten ändern muss …

 

Liebe Christina, ich verfolge deine Arbeit schon länger auf Facebook und Instagram und schätze deinen spirituellen Ansatz sehr. Wie siehst du
die Schwangerschaft aus spirituller Sicht?

Maria Christina Gabriel: Die Schwangerschaft ist ein wichtiger Übergang im Leben einer Frau, der Partnerschaft und der ganzen Familie. Oftmals wird die Geburt begleitet von einem spirituellen Erwachen und einer völlig neuen Lebensperspektive. Geburt bedeutet völlige Hingabe an die Natur. Egal, was man plant und welche Erwartungen man mit in den Kreißsaal bringt: Jede Geburt hat ihren eigenen Rhythmus, völlig losgelöst von Zeit. Was viele nicht wissen: Fruchtbarkeit findet in all unseren körpereigenen Chakren statt und kann während der Schwangerschaft entsprechend unterschiedliche Emotionen und Ängste triggern. Das muss keine Frau „aushalten“. Ganz im Gegenteil: Daran lässt sich schon vor der Geburt arbeiten.

Wie kann man die Zeit von der Empfängnis bis zur Geburt als werdende Mama spirituell gestalten?

Ich empfehle da die Arbeit von Walter Makichen und sein Buch „Spirit Babies“.
Mit der Seele des zukünftigen Kindes zu sprechen, kann eine wichtige Bindung lange vor der Geburt sein. Die Idee, in Meditation zu gehen und danach zu fragen, ob es Wege gibt, eine Empfängnis zu fördern oder eine gesunde Schwangerschaft und sanfte Geburt zu unterstützen, kann emotional einiges bewegen. Was braucht das Kind, um zu inkarnieren? Ebenso kann es hilfreich sein zu prüfen, ob es noch emotionale Verstrickungen zu früheren Partnern gibt, die das eigene Energiefeld beeinflussen und damit eine Empfängnis
erschweren. Die Verbindung von Seele, Verstand und Körper sollte nicht
unterschätzt werden.


Auch nicht während der Geburt – welche spirituellen Aspekte hat der Geburtsprozess für die Mutter, das Kind und die ganze Familie?

Es ist ein Übergang, der Beginn von etwas Neuem im Leben. Ich finde den Begriff der „Sacred Passages“ im Englischen sehr passend. Partner, die zu Eltern werden. Frauen, die zu Müttern erwachen. So viel in der Art, wie wir
gebären, hat mit unserem Familienfeld und unserem Lebensstil zu tun. Es
kann eine spannende Reise sein, sich während der Schwangerschaft auch mit der eigenen Geburt zu befassen. Durfte man im eigenen Tempo hier ankommen, oder haben Medikamente nachgeholfen? Wurde die Nabelschnur gleich gekappt oder gewartet, bis das Blut aus der Plazenta zurück gelaufen ist – Studien zeigen, welch positiven Einfluss das aufs Baby hat. Wie hat die eigene Mutter die Schwangerschaft empfunden?

Alles sehr wichtige Fragen und Hinweise. Was rätst du werdenden Müttern sonst noch?     

Vor allem aber rate ich, all die verrückten Bilder aus den Medien wieder zu verlernen: Kreischende, schweißnasse Frauen in weißen Tüchern, die nach der Geburt ein drei Monate altes, sauberes Kind in den Arm gedrückt
bekommen. Was wir brauchen, ist Aufklärung und offene Gespräche. Sich
wieder auf den eigenen Körper, die Gesetze der Natur einzulassen, ist eine kraftvolle Medizin. Daher lieber echte Geburten ansehen und sich damit mental füttern. Dieses Geburtsvideo zeigt zum Beispiel eine ganz andere Seite. Viele denken, hier würde etwas schief laufen, denn man erwartet schon konditioniert, dass Geschrei, literweise Blut und Hektik im Raum sein müssen.

Anfang des Jahres hat du deine Ausbildung zur Birth Doula abgeschlossen. Wie kam es dazu?

Wie so oft im Leben begann die Reise ganz woanders. Ich wusste zwar schon immer, dass ich mit Kindern arbeiten werde, doch hatte lange Zeit keinen blassen Schimmer, wie das aussehen könnte. Und: Ob ich überhaupt dafür bereit war. Ein wichtiger Anstoß waren tatsächlich Frauen aus meinen Mentorships, die lange versucht haben, schwanger zu werden, ein weiteres Kind zu bekommen oder ihre Babys verloren haben. In meinem Leben kenne ich das mittlerweile sehr gut, dass meine Arbeit in gewisser Weise Kreise schließt. Manchmal bedeutet das, sich erst mit Verlust und Abwesenheit zu befassen, bevor es um das Empfangen geht.

Wie sah deine Ausbildung aus?
     

Ich habe die Ausbildung bei Lindsay, Domino und Sam vom Carriage House Birth gemacht. Was toll an ihrem Kurs ist: Als Doula ist man sofort Teil
einer großen Community. Mich hat es außerdem von Anfang an interessiert, Erfahrungen bei Hausgeburten zu machen. CHB ist dafür
bekannt und das passte daher sehr gut für mich. Basis der Ausbildung ist erst einmal eine Menge Theorie. „The Birth Partner“ von der großartigen Penny Simkin empfehle ich allen Schwangeren und Begleitpersonen für die Geburt.
Bis zum ersten praktischen Teil der Ausbildung werden Essays eingereicht, Geburten per Video beobachtet und analysiert sowie ein Statement, warum man Doula werden möchte, abgegeben. Danach geht es an die Praxis. Gebärstellungen, Atemtechniken, Wehen zählen, Möglichkeiten zur Entlastung bei Rückenbeschwerden, Aufbau der Doula Tasche… Im ersten Jahr sammelt man sofort live Erfahrungen in Breastfeeding Support Gruppen, im Geburtsvorbereitungskurs, usw. und kommt direkt in den Kontakt mit werdenden Müttern. Außerdem muss man im ersten Jahr bei drei Geburten dabei sein. Wie schnell man mit der Ausbildung fertig hat, hängt ganz vom eigenen Lerntempo ab.

Wie sieht deine Arbeit konkret aus?
 
Eine Doula ist eine Geburtshelferin. Sie arbeitet nicht medizinisch und ersetzt keine Hebamme und keinen Arzt. Ihr Support gilt der werdenden Mutter. Ich sage gerne: Während alle sich erwartungsvoll bei der Geburt ums Becken sammeln, ist die Doula Ansprechpartnerin auf Augenhöhe für die Frau.

Wann lernst du die Frauen kennen?

Wir arbeiten etwa ab der 36. Woche zusammen. Gehen Techniken zur Entspannung und Schmerzbewältigung durch, entwickeln einen Geburtsplan, beantworten noch offene Fragen. In Absprache mit ihr setze ich einen Space, eine Stimmung im Raum für die Geburt. Ich arbeite mit Ölen, Düften und Affirmationen. Begleite durch unterschiedliche Gebärstellungen, unter die Dusche oder bereite das Gebärbecken vor. Außerdem vermittle ich zwischen Krankenhauspersonal und den Wünschen der Familie. Manchmal auch unter den Mitgliedern einer Familie. Als Doula bringe ich Ruhe in die Situation und helfe gegebenenfalls auch dem Partner seine Rolle während der Geburt zu finden – ganz nach den vorher besprochenen Wünschen.


Noch mal genau für mein Verständnis: Was unterscheidet eine Doula von einer Hebamme?

Doula und Hebamme arbeiten Hand in Hand. Während eine Hebamme auch medizinisch einwirken kann, ist die Doula für den emotionalen Support da. Empowerment spielt eine große Rolle bei der Geburt: Als Doula ermutige ich die Mama, die eigenen Bedürfnisse auszusprechen. Oftmals wissen Frauen gar nicht, welche Optionen sie haben. Wir bauen Ängste durch falsche Erwartungen ab und nutzen praktische Mittelchen, um die Phasen der Geburt erträglicher zu machen. Das gilt auch und vor allen Dingen, wenn man im Krankenhaus ist und es hektischer zugeht, als man es sich wünscht.

Wie fühlt es sich für dich an, Frauen durch diese Transformationsphase zu begleiten?

Es ist eine sehr intime und bereichernde Zeit. Geburten bringen Momente völliger Demut mit sich. Keine Geburt ist wie die andere. Egal, wie sehr man alles planen möchte und welche Erwartungen es gibt, die Natur wird ihren eigenen Weg gehen. In unserer heutigen, oft losgelösten Sicht auf Natur kann die Geburt eine starke Neu-Verbindung auslösen. In der Tat ist Natur nichts Äußerliches. Natur ist nicht das, was wir bei einem Waldspaziergang oder im Garten erleben. Natur wirkt durch uns. Ihre Zyklen beeinflussen unsere. So richtig verstanden habe ich das erst durch diese Arbeit. 

Hast du ein Ritual, das du an schwangeren Leserinnen weitergeben kannst?  

In den USA ist es gerade sehr angesagt, BlessingWay Rituale statt einer Babyshower zu feiern. Diese Tradition stammt von den Native Americans. Dabei kommen die Frauen aus Familie und Freundeskreis zusammen, um die Zeit des
Übergangs zu feiern. Es kann Kerzenrituale für die werdende Mama
beinhalten, Segnungen, Waschungen mit Rosenwasser und vieles mehr. Alle Elemente versinnbildlichen dabei die Fruchtbarkeit von Mama Earth, die durch uns Frauen wirkt. Im Kreise von Frauen werden die guten Wünsche an das Kind
zelebriert. Oft stehen die Frauen zum Spalier zusammen und die werdende
Mama geht langsam durch ihren ganz eigenen „Kanal“. Einige Ideen dazu finden sich auf meinem Pinterestboard und am 18. März gebe ich einen Workshop dazu in Hamburg. Generell sollte alles zelebriert werden, was der Mama gut tut: Bewegung, Selbstfürsorge mit guten Ölen und Düften, Fußbäder, usw. Ein Buch, was ich allen meinen Mamis empfehle ist „First Forty Days“
von Heng Ou. Sich mental, körperlich und emotional gut zu nähren ist
ein wichtiges Element im Postpartum. Eine gute Vorbereitung macht die
ersten Wochen entspannter.

Nach deiner Einschätzung: Ist Doula in Deutschland ein Berufsbild mit Zukunft?

Ich wünsche Frauen, dass sie sich stärker dafür einsetzen, ihre Optionen zu kennen. Mutig sind, Gegebenheiten zu hinterfragen. Wenn wir daran denken, dass die auf dem Rücken liegende Gebärhaltung, die am häufigsten in
Krankenhäusern praktiziert wird, es vor allem den Ärzten einfacher
macht, nicht aber dem Baby hilft, nach unten zu wandern, wundere ich mich. Warum ist das so? Wir brauchen bessere Aufklärung. Ob spirituell oder nicht: Wenn wir darüber sprechen, wie eine Geburt schmerzfreier und schneller verlaufen kann, dann gibt es doch offensichtlich noch reichlich Redebedarf.

Stimmt …

Das Fundament bildet für mich mehr Bewusstheit für unseren Körper zu entwickeln. Menschen an unserer Seite zu haben, die uns zeigen, wie das geht. 
Ich finde es schade zu sehen, dass die Arbeit von Hebammen in Deutschland so
wenig geschätzt wird und Versicherungen und Staat es so schwierig
machen. Es ist absolut wichtig, dass wir medizinische Möglichkeiten der Versorgung haben, sollten vor, bei oder nach der Geburt Komplikationen entstehen. Doch im Kern ist Geburt ein natürlicher Prozess, kein medizinischer. Dazu könnten wir noch einmal ein ganz eigenes Interview führen (lacht). Für alle, die das Thema interessiert, empfehle ich die Dokumentation The Business of being born.
 

Das Interview erschien zum ersten Mal auf MOMazing – Das Mama Yoga Love Mag.

     

     

    

     


     


     

     

  

     

  
    

     

    


    

     

     

   

     

     

   

     

     

     

     

     

   

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