Foto: Pixabay

Zweifel gehören zum Leben dazu – warum sie nicht zum Beruf machen?

Die Fächerkombination Anglistik und Kulturwissenschaften ist beliebt – aber was macht man dann damit, wenn man mit dem Studium fertig ist? Magdalena Kaminska erzählt im Interview, wie sie über viele Wege zum Coaching kam.

 

Vom Studium zum Coaching

Mit einem Interesse für Kultur und Sprachen liegt der Gedanke nah, sich nach der Schule für die Fächerkombination Kulturwissenschaft und Englisch zu entscheiden. Was passiert aber, wenn man sich seiner Interessen zwar sicher ist, aber keine sicheren Aussichten für das Leben nach der Uni hat? Diesen Zweifeln begegnet Magdalena Kaminska auch heute noch in ihrem Job.

Allerdings handelt es sich dabei nicht mehr um ihre eigenen Zweifel, sondern die ihrer Klienten, die sie als Coach bei der beruflichen Orientierung unterstützt. Wir haben mit ihr über ihre Erfahrungen im Studium und bei der Arbeit gesprochen.

Bild: Magdalena Kaminska

Was wolltest du als Kind
gerne werden und warum?

„Ich wollte Archäologin
werden. Nicht weil ich so gerne gebuddelt habe, sondern weil ich neue Kulturen entdecken wollte. Da ich lange Zeit Querflöte gespielt
habe, dachte ich auch kurzzeitig an ein Musikstudium, dafür fehlt mir aber die
Disziplin.“

Für welches Studium hast
du dich stattdessen entschieden?

„Ich habe Kulturwissenschaften und Anglistik an der Uni Leipzig studiert. KuWi, weil ich nach meinem
Abitur in Hannover in das Heft
‚Studienmöglichkeiten in Niedersachsen
reingeschaut habe und das Fach gleichsam breit gefächert und vage genug fand,
um all meine Interessen abzudecken. Für Anglistik habe ich mich aus ganzem
Herzen entschieden. Ich habe erst in der 11. Klasse mit dem Englischlernen
begonnen, war aber nach meinem ersten Schottland-Urlaub hingerissen.“

Konntest du während
deines Studiums schon erste Praxis-Erfahrungen sammeln?

„Ich habe mal ein viermonatiges Praktikum an der Schaubühne Lindenfels in Leipzig gemacht. Das war zwar
mein einziges Praktikum, dafür war es aber sehr zeitintensiv und ich war Teil
eines engagierten Teams.

In
welchen Bereichen hast du dort mitgeholfen?

„Ich konnte mich in der
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit austoben, durfte Texte für das Programmheft
des Kinos schreiben und Veranstaltungen bewerben. Dazu gehörte auch, ab und zu
abends an der Kasse zu stehen und Karten zu verkaufen. Natürlich konnte ich mir
die Darstellungen anschließend aber auch selbst anschauen.

Viele
Soft Skills habe ich mir außerdem in meinem Nebenjob als Kellnerin angeeignet, zum
Beispiel solche Dinge wie Konfliktmanagement oder den Umgang mit Stress.
Kellnern wird als sinnvoller Job neben dem Studium wirklich unterschätzt.“

Musstest du dir manchmal
blöde Sprüche von anderen anhören, wenn du erzählt hast, was du studierst?

„Ich habe mal als
Werkstudentin bei VW gearbeitet. Einer meiner Kollegen fragte mich, was ich
studieren würde.
Kulturwissenschaften’, sagte ich. Naturwissenschaften?’ fragte er. Nein, Kulturwissenschaften’. Ach, so mit Theater und Oper und so?’

Genau’, sagte ich. Da drüben ist ein Historiker’ sagte er und
zeigte auf das gegenüberliegende Produktionsband. Danach schaute er mich an und
sagte:
Dann sehen wir uns am
Band wieder.’“

So ist es dann aber nicht gekommen. Konnten dir deine praktischen Erfahrungen bei deiner
beruflichen Entwicklung helfen?

„Das Praktikum war super
für mein Selbstbewusstsein. Durch die praktische Arbeit und das Feedback von
anderen konnte ich sehen, wo meine Stärken liegen und habe gemerkt, dass ich
auch schwimmen kann, wenn ich ins tiefe Wasser geschmissen werde. Das war auf
jeden Fall eine gute Grundlage für vieles, was danach kam.“

Was kam dann nach dem
Studium?

„Direkt nach dem Studium
bin ich als Kulturassistentin des Instituts für Auslandsbeziehungen für ein
Jahr nach Olsztyn in Polen gegangen und habe dort Jugendkulturarbeit gemacht.
Nebenbei habe ich bei einer NGO gearbeitet, die sich seit Jahrzehnten mit dem
Deutschen kulturellen Erbe im Nordosten Polens beschäftigt. Das Thema hat mich
so fasziniert, dass ich nach meiner Rückkehr nach Leipzig eine Vertretung
dieser Organisation in Leipzig gegründet habe.

Nach zwei Jahren bin ich an die Uni gewechselt und habe drei Jahre
lang das European Paediatric Hodgkin Network koordiniert. Das ist ein großes
europäisches Projekt, in dem es um die bestmögliche medizinische Versorgung
krebskranker Kinder aus vielen Ländern der EU geht. Später habe ich als
Wissenschaftsmanagerin gearbeitet, aber die bewusste Entscheidung für einen
Beruf habe ich ehrlich gesagt erst mit dem Coaching getroffen.

Davor
führte einfach eins zum anderen, auch wenn ich alles unglaublich interessant
fand und keine Erfahrung missen möchte.“

Wie kann man sich deine
Tätigkeit als Coach vorstellen und wie bist du auf diese Idee gekommen?

„Der Wunsch, mit anderen Menschen zu arbeiten, war neben all
meinen anderen Interessen immer da. Seit ich vor etwa fünf Jahren eine
Weiterbildung zum systemischen Coach und zur Prozessbegleiterin gemacht habe,
begleite ich Klienten, die sich aus unterschiedlichen Gründen beruflich
verändern möchten. Das mache ich in meiner Praxis in Leipzig. Zum Coaching kam
ich – wie zum Studium der Kulturwissenschaften –  wieder wie die Jungfrau
zum Kinde. Ich las darüber in einer Broschüre und dachte: Das ist genau das,
was ich machen möchte!“

Gibt es so etwas wie
typische Klienten, die deine Beratung in Anspruch nehmen?

„Zu mir kommen Leute,
die in ihrer Arbeit unglücklich sind oder mehrere Jobmöglichkeiten für sich
sehen und sich nicht entscheiden können. Tatsächlich sind das oft
Geisteswissenschaftler.“

Und wie läuft deine
Beratung dann ab?

„Als erstes sammeln mein
Gegenüber und ich alle wichtigen Punkte, die bei der beruflichen Entscheidung
oder Orientierung zu beachten sind und schreiben diese auf. Das bringt
Durchblick und eine große Erleichterung für meine Klienten, denn Coaching ist
zuallererst ein Ordnen und Klären. Dann kommen wir zum eigentlichen Plan für
die Zukunft.“  

Wie erstellt man denn einen beruflichen Zukunftsplan?

Oft schauen wir erstmal
in die Vergangenheit
. Ich frage nach Fächern, die in der Schule Spaß gemacht
haben, nach ihren Hobbys und Leidenschaften und danach, was für Fähigkeiten und
Kenntnisse im bisherigen beruflichen Werdegang liegen. Diese Aufzeichnung hilft
uns dabei, zu entdecken, was meinen Klienten früher einmal wichtig war. Ich
mache immer wieder die Erfahrung, dass diese Dinge oft vergessen werden, aber
heute immer noch einen Hinweis darauf geben können, was man wirklich machen
möchte.“

Auf eine gewisse Weise
bist du also doch noch Archäologin geworden. Würdest du dich im
Nachhinein denn auch wieder für dasselbe Studium entscheiden?

„Ich würde auf jeden
Fall wieder Anglistik studieren, aber diesmal vielleicht gepaart mit Psychologie
und einem internationalen Schwerpunkt.“

Welche Tipps würdest du
anderen geben, die eine ähnliche Karriere wie du anstreben?

„Geisteswissenschaftler
sind meist vielseitig interessierte Menschen, die mit den Einschränkungen
anderer Fächer  nicht klarkommen würden. Genießt also eure vielfältigen
Interessen und engagiert euch schon im Studium in eine Richtung, die ihr euch, sagen wir mal, für die ersten fünf Jahre nach dem Studium auch beruflich vorstellen
könnt.“

Was möchtest du
persönlich gerne noch erreichen? Siehst du dich zukünftig im selben Job?

„Ich werde auf jeden
Fall immer coachen. Das ist eine echte Leidenschaft. Parallel kann ich mir aber
auch noch weitere interessante Projekte vorstellen. Mir fehlt im Coaching
manchmal der internationale Aspekt und auch das Projektmanagement, das meinen
beruflichen Werdegang bisher geprägt hat, würde ich gerne wieder aufnehmen.“


Mehr bei EDITION F

Mit einem Literaturstudium findest du später bestimmt keinen Job? Von wegen! Weiterlesen

War es doch ein Fehler, mein Studium abzubrechen? Weiterlesen

Nein, das Leben ist nicht immer leicht! Weiterlesen

Anzeige