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Was mit der Abschaffung von §219a besser würde

Am 12. Oktober steht die Ärztin Kristina Hänel erneut vor Gericht, weil sie Berufung gegen die Geldstrafe eingelegt hat, zu der sie nach §219a verurteilt worden ist. Unsere Chefredakteurin Teresa Bücker kommentiert, warum das Informationsverbot für Schwangerschaftsabbrüche fallen muss.

 

Wie geht es weiter mit §219a?

Noch immer haben die Fraktionen im Bundestag keine gemeinsame Lösung gefunden, wie auf politischer Ebene damit umgegangen werden soll, dass der Paragraf 219a des Strafgesetzbuches dazu führt, dass Ärzt*innen in Deutschland, die sachlich darüber informieren, dass sie ihren Patient*innen Schwangerschaftsabbrüche anbieten, angezeigt und verurteilt werden können. Allein für den Akt der Information. Die Gießener Ärztin Kristina Hänel wurde im vergangene Jahr zu einer Geldstraße von 6.000 Euro verurteilt: Sie hatte sich geweigert, damit aufzuhören, über ihre medizinischen Leistungen zu informieren. Am 12. Oktober ist die Berufungsverhandlung, denn Hänel will es nicht hinnehmen, dass 219a bestehen bleibt und es gleichsam Ärzt*innen und Schwangeren schwer macht. Wenn nötig, will sie bis vors Bundesverfassungsgericht ziehen.

Im Video-Kommentar beantwortet unsere Chefredakteurin Teresa Bücker drei Fragen dazu, was passieren würde, wenn §219a abgeschafft würde und warum es ebenso wichtig ist, auch über §218 zu diskutieren.

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Was würde passieren, wenn das Informationsverbot für Schwangerschaftsabbrüche abgeschafft wird?

„Wenn 219a endlich gestrichen wird, würde das die gesundheitliche Versorgung von Schwangeren in Deutschland tatsächlich verbessern. Denn es ist gerade so, dass wenn Schwangere auf der Suche nach guten, fachlich abgesicherten Informationen zu Schwangerschaftsabbrüchen sind, sie eher an unseriöse Informationen geraten und sie sich eben nicht durch Ärztinnen und Ärzte online informieren lassen können. Das heißt, wir haben eine Verbesserung, wenn das Informationsverbot fällt. Und das ist absolut wichtig. Das Szenario, das aufgemacht wird von Leuten, die 219a behalten wollen, ist, dass dann plötzlich etwa große Banner-Werbung, große Plakatwerbungen für Abtreibung möglich wäre, und das ist wirklich ausgemachter Schwachsinn. Das verbietet auch die Berufsordnung der Ärzte, das wird nicht passieren, und wird tatsächlich nur genutzt, um das Informationsverbot beizubehalten und so zu tun, als würden Frauen sich davon beeinflussen lassen, wenn sie sich sachlich informieren können.“

„Wir haben eine Verbesserung, wenn das Informationsverbot fällt.“

Aber Abtreibungen in Deutschland sind doch sehr gut und überall möglich …

„Es wird immer gesagt, die Versorgungslage in Deutschland wäre bei Abtreibungen eigentlich total gut. Wenn man sich die Gesetzeslage anschaut, sieht man aber, das ist gar nicht so. Denn Abtreibungen sind immer noch im Strafgesetzbuch, das heißt, das ist nichts, was nur medizinisch geregelt ist, und es wird Schwangeren sehr sehr schwer gemacht, a) sich zu informieren, b) den Schwangerschaftsabbruch dann überhaupt vornehmen lassen zu können, weil die Versorgungslage in Deutschland, die wird tatsächlich immer schlechter. Denn in vielen Städten, auch in großen Städten wie zum Beispiel Münster, gerade auch in Bayern, gibt es kaum noch Ärztinnen und Ärzte, die Schwangerschaftsabbrüche anbieten. Das heißt, wir haben in so einem Land wie Deutschland schon den Fall, dass Menschen, die abbrechen wollen, das Bundesland wechseln müssen, und es unheimlich schwer haben, überhaupt herauszufinden: Wo kann ich die Abtreibung vornehmen lassen? Sie müssen freinehmen, sie müssen reisen, und das ist etwas, das untragbar ist. Dann kommt noch hinzu, dass Abtreibungen privat gezahlt werden müssen. Das heißt nämlich noch mal, dass das finanzielle Risiko von Sex eigentlich immer bei den Personen liegt, die schwanger werden können, das sind in der Regel Frauen, und auch da wäre es wichtig, dass das Gesundheitssystem einspringt, um die Kosten gleichberechtigt zu verteilen. Und es ist einfach so absurd, dass so ein Land wie Irland, dass jahrelang ganz restriktiv war, wo Abtreibungen verboten waren, und es jetzt endlich erlaubt ist, ganz progressiv ist, und sagt, Abtreibungen werden sogar kostenlos, die werden über das Gesundheitssystem finanziert, und das macht glaube ich sehr gut deutlich, wie rückschrittlich Deutschland an diesem Punkt ist.“

„Erst wenn wir Schwangerschaftsabbrüche legalisieren – und das ist überfällig – kann die Versorgung auch besser werden.“

Sollte die Debatte auch §218, den eigentlichen „Abtreibungs-Paragraf“, einschließen?

„Der nächste, oder auch der Schritt, der eigentlich parallel erfolgen muss, ist, dass wir natürlich auch über §218 sprechen. Denn das Abtreibung immer noch im Strafgesetzbuch ist, das ist so nicht haltbar, denn das hat die ganzen Einschränkungen zur Folge, wie, dass Abtreibung so schwer zugänglich ist, dass Studierende überhaupt nicht ausgebildet werden, dass Ärztinnen und Ärzte keine Fortbildungen machen, dass Krankenkassen Abtreibungen nicht bezahlen können. Das heißt, erst wenn wir Schwangerschaftsabbrüche legalisieren – und das ist überfällig – kann die Versorgung auch besser werden. Also so, wie sie Schwangere auch wirklich brauchen.“

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