Männern wird gern unterstellt, ständig an Sex zu denken und sich beim Sex emotional völlig abkoppeln zu können. Es gibt allerdings immer mehr Studien, die diese Sichtweise infragestellen.
Männer und Sex, das ist ganz einfach?
Männer und wie sie Sex haben, ganz einfach: gerade heraus und ohne Weiteres zu befriedigen. Männer denken ständig daran. Männer wollen immer. Männer können sofort, hier und jetzt, mit jedem*r. „Wie war dein Name nochmal? Ach ja, stimmt.”
Männer und Sex, das haben wir gelernt, das haben wir irgendwo gelesen, aufgeschnappt oder vielleicht sogar erlebt, ist damit ganz anders als Frauen und Sex.
Frauen und Sex, das ist kompliziert. Frauen können nicht so leicht. Sie wollen nicht immer. Sie brauchen Stimmung. Sie wollen gemeint sein, ganz persönlich. Und das soll mindestens ein tiefer Blick in die Augen zeigen. „Könntest Du vielleicht das Licht ausmachen? Danke.”
Ganz natürlich
Was Männer so anmacht, ist klar definiert. Davon bekommen schon jugendliche Mädchen eine Ahnung, wenn ihnen geraten wird, doch die verrutschten Träger ihres Tops hochzuziehen. Es könnte die falschen Signale senden. Denn Männer denken eigentlich immer an Sex, und wenn sie ihn dann bekommen, läuft alles so ab, wie es für sie gemacht ist. Ein natürlicher Ablauf, diese männliche Lust. Reiz und Entladung. „Ich bin gekommen.” Ach was.
Von wegen natürlich
Dass das nicht so natürlich, sondern vor allem das Grundgerüst der sexuellen Doppelmoral ist, kann man eigentlich nicht oft genug sagen. Denn dieses „Männer hier, Frauen dort“ ist nicht nur fehlerhaft, es ist auch lusttötend. Und zwar für alle Beteiligten.
Diese Sichtweise macht etwas mit uns, sie wirkt sich ganz konkret auf unseren Sex aus. Auf unsere Lust und unser Begehren. Daher ist es wichtig, sich dieses Begehren genauer anzuschauen. Neu anzuschauen. Denn aktuelle Studien zu sexuellen Verhaltensdifferenzen zwischen Frauen und Männern weisen deutlich weniger Differenzen auf, als die konventionelle Sichtweise uns glauben macht.
Beispiel: Männer, Sex und Gefühle
In einer Studie von Soziologen*innen der Vanderbilt University in Nashville, Tennessee wurden die Antworten von mehr als 1.000 heterosexuellen Teilnehmer*innen einer Umfrage zum Sexleben ausgewertet. Die Wissenschaftler*innen stellten dabei fest, dass gerade im mittleren Lebensabschnitt Beziehungsfaktoren für die Freude am Sex für Männer wichtiger als für Frauen waren: „Die emotionale Befriedigung von Frauen war eng mit körperlichen sexuellen Praktiken verbunden, wohingegen das körperliche Vergnügen von Männern mit Beziehungsfaktoren in Verbindung steht.”
Männern ist also die Beziehung zur Sexualpartnerin wichtig? Und damit hängt sogar die Freude am Sex zusammen? Wer hätte das gedacht!
Und es geht noch weiter. In einer Studie von Sexualwissenschaftler*innen der Universitäten Guelph im kanadischen Ontario und Southampton in England wurden ganz ähnliche Ergebnisse zutage gefördert. Für die Studie wurden 30 heterosexuelle Männer zu ihrer sexuellen Lust befragt. Es zeigte sich, dass die Lust der Teilnehmer – alle in langfristigen Beziehungen – nicht so geradeheraus war, wie man meinen könnte. Sie war weder konstant hoch noch überhaupt konstant, sondern sie hatte vielmehr etwas mit den Emotionen der Männer und mit ihrer Zufriedenheit in der Beziehung zu tun.
Was Lust macht
Konkreter: Die meisten Männer gaben an, dass der größte Lustfaktor für sie sei, von der Partnerin begehrt zu werden. Bei zwischenmenschlichen Problemen ging konsequenterweise auch die Lust flöten. Nach einem Streit etwa. Wenn allerdings emotionale Intimität gespürt wird, wird auch der Sex als schöner empfunden. Von der Partnerin nicht begehrt zu werden, ist entsprechend auch der größte Feind der Lust. Es verleidet die Lust und belastet das Selbstbewusstsein.
Wer solche Studienergebnisse einmal weiterdenkt, wird schnell darauf kommen, dass hartnäckige Weisheiten zum Thema Männer und Sex das Begehren vieler Menschen ganz schön verleiden kann. Denn es gibt starre Rollen vor, zwingt zur Performance. Männer, die dieser Rolle entsprechen wollen, müssen mit Dauerpotenz ihre Männlichkeit unter Beweis stellen. Frauen, die unumwunden begehren, dürfen sich fragen, ob sie nicht pathologisch aus der Reihe scheren. Und immer so weiter.
Diesen Kreislauf des vermeintlich natürlichen Begehrens kann durchbrechen, wer sich klar macht, dass sexuelles Begehren viel komplexer ist, als es die Abfolge von Reiz und Entladung vorgibt. Und dann auch besseren Sex haben. Denn das ist die Konsequenz.
Der Originaltext von Gunda Windmüller ist bei unserem Kooperationspartner ze.tt erschienen. Hier könnt ihr ze.tt auf Facebook folgen.