Wie etabliert man sich als Frau in den oberen Management-Ebenen, wenn alle anderen Thomas oder Michael heißen. Man kann etwas gegen das Ähnlichkeitsprinzip in der Personalauswahl tun, sagt die Management-Beraterin Annette Alsleben.
Der Erfolg der harten Kerle – oder doch nicht?
Der aktuelle Bericht der Allbright-Stiftung aus April 2019 bringt es wieder mal auf den Punkt: In den deutschen Vorstands-Etagen hält die Thomas-Kultur weiter an. Als Nachfolge werden nahezu ausschließlich Männer ernannt, die dem Ähnlichkeitsprinzip entsprechen und damit als „sichere Kandidaten“ gelten.
Ganze 91,2 Prozent der Vorstandsmitglieder in den 160 deutschen Börsenunternehmen waren am 1. Februar 2019 männlich. Dabei ist die Hälfte der Bevölkerung weiblich und die Gleichberechtigung gesetzlich seit langem geregelt. Man mag dies zurückführen auf die aktuell „unsicheren Zeiten“, auf die „raue Wirtschaftslage“ und den „starken Gegenwind“ auf der politischen Weltbühne. Wir erleben dort harte Kerle wie Trump, Erdogan oder Putin. Denen trauen viele Bürger*innen zu, die Lage „in den Griff“ zu kriegen, durchzugreifen und in eine gute Zukunft zu führen. Durchsetzungsstärke ist gefragt. Je härter, desto besser.
Aber mal ehrlich: In den täglichen Nachrichten verfolgen wir doch alle schon seit längerem, wie es um den Management-Erfolg bei diesen „harten Kerlen“ bestellt ist. Aktuelle Zahlen, die dies belegen, sind überall abrufbar.
Die Logik von gestern für die Probleme von morgen
Kundige Expert*innen belegen, dass die derzeitige wirtschaftspolitische Schieflage in der Welt auf die Machtbedürfnisse einzelner, Populismus und nationalistische Alleingänge zurückzuführen ist. Mechanismen, die sich bereits in den letzten Jahrtausenden der Geschichte nicht bewährt haben.
Ich halte es da eher mit dem Managementvordenker Peter Drucker, der die Entwicklungen in unsicheren Zeiten wie folgt kommentierte:
„The greatest danger in times of turbulence is not the turbulence. It ist to act with yesterday’s logic.“
Schlagkräftige Argumente also für eine notwendige Veränderung. Ergänzend dazu das bereits zu Genüge Genannte: In gemischten Management-Teams werden nachweislich bessere Ergebnisse erzielt. Alles bekannt, millionenfach gehört und in zahlreichen wissenschaftlichen Studien belegt.
Es nutzt alles nichts. Aktionen wie Equal-Pay-Day, Weltfrauentag oder 30-Prozent-Aufsichtsrats-Quoten verpuffen nach kurzem Hoch in den Medien wieder in der Versenkung. Es gibt wertvolle Lippenbekenntnisse von namhaften Personen in der Öffentlichkeit. Jedoch: entscheidende Veränderungen führen sie nicht herbei.
Als Frau mit „Thomas“ kann richtig Spaß machen
Es ist daher nur EIN möglicher Weg, bei notwendigen Veränderungen auf die Missstände hinzuweisen. Der für mich viel erfolgsversprechendere Weg ist daher derjenige, der den größten Nutzen und Gewinn verspricht. Und zwar beginnend bei denen, die zunächst die unmittelbare Auswirkung davon zu spüren bekommen.
In mehreren großen Transformationsprojekten bei Global-Player-Konzernen
konnte ich mich selbst davon überzeugen. In der Zusammenarbeit mit der dortigen oberen Chef-Liga erlebte ich immer wieder die vorherrschende Thomas-Kultur. Und ich war dabei oft ganz allein unter Männern. Sie hießen Frank, Thomas, Michael oder so ähnlich. Das Ähnlichkeitsprinzip ist mir daher bestens vertraut.
Dennoch klappte die Zusammenarbeit stets sehr schnell auf vertrauensvoller, partnerschaftlicher Basis. Was riesig Spaß machte und wunderbar funktionierte. Um auf Augenhöhe, mit gegenseitigem Respekt zusammenzuarbeiten, machte ich mir nämlich genau dieses „Ähnlichkeitsprinzip“ zunutze.
Für den Vertrauensaufbau, also für die Basis einer guten Zusammenarbeit, spielte ich die „Wie tun wir miteinander-Spiele“ einfach mit. Damit suggerierte ich „Ähnlichkeit“ und stellte Anschlussfähigkeit her. Herausgefiltert habe ich dabei diejenigen Spiele, die mir überhaupt nicht zusagten. Beim Herunterreden, andere Vorführen und persönlichem Machtgebaren in der Runde habe ich einfach auf „stur“ geschaltet. Oder mit klaren Worten gegengehalten. Schließlich geht es ja auch darum, sich Respekt zu verschaffen.
Ähnlichkeit, ohne sich zu verbiegen
Jede’r erfolgreiche Gebrauchtwagen-Verkäufer*in im Autohaus macht es nicht anders. Man muss sich dabei nicht verbiegen. Es sind einfache Instrumente, um „den Fuß in die Tür“ zu bekommen. Ist man erstmal drin im Club und hat sich das Vertrauen erobert, kann man die Dinge und Inhalte platzieren, die eben überraschend, anders und neuartig sind.
Dabei ist vorausgesetzt, dass man sich stets seiner eigenen Kompetenz und dem eigenen Mehrwert im jeweiligen Setting bewusst ist. Idealerweise hilft dazu in der Anfangsphase auch ein männlicher Mentor aus dem oberen Management, den man bereits in vorherigen Projekten davon überzeugen konnte.
„Breaking the rules“ – gar nicht so schwer
Zusammenfassend helfen die folgenden Schritte: Man beobachtet als Frau die Spielregeln des Miteinanders und wendet diese – gefiltert – in der Kommunikation an. Mit humorvoller Leichtigkeit, Witz und natürlichem Charme. Außerdem wird Vertrauen geschaffen durch fachliche „quick wins“! Um dann wirklich zu überzeugen durch echte Andersartigkeit, die eigene Kompetenz und den Mehrwert, den Frauen damit liefern können.
Man wird sie nicht mehr gehen lassen wollen.
Mehr bei EDITION F
Lieber noch einen Thomas als nur eine einzige Frau! Ohne Quote tut sich in deutschen Vorständen absolut gar nichts. Weiterlesen
Boys Club bleibt Boys Club – Zalandos Vorstand wächst von 3 auf 5 Männer. Weiterlesen
Warum talentierte Frauen so selten in Führungspositionen kommen. Weiterlesen