Foto: Julia Stock

Wie ich so richtig schön scheiterte und was es mir brachte

Idee: in Italien (Südtirol) als Pädagogin arbeiten;

Grund zum Scheitern: Blauäugigkeit;

Ergebnis: am Fließband arbeiten

 

Vor ein paar Jahren begleitete ich meinen damaligen Freund

ins Ausland. Nach Italien. Genau genommen in die autonome, selbstverwaltete Region
Trentino-Südtirol. Mein Freund wollte dort als Steinbildhauer die Marmorschule
besuchen und ich hoffte auf eine Stelle als Pädagogin.

Goodbye Deutschland!

62% der Südtiroler*innen sprechen  Deutsch, 23% Italienisch und 4% Ladinisch. Für
Stellen im Öffentlichen Dienst (wozu die meisten pädagogischen Stellen gehören)
müssen Deutsch- und Italienkenntnisse 
nachgewiesen werden. Was ich erst erfuhr, als ich vor Ort war – ich kam
mir vor wie eine*r dieser unvorbereiteten Auswander*innen  aus dem Fernsehen, die man vom Sofa aus gut
belächeln kann.

Da ich die Erlaubnis der Berliner Agentur für Arbeit
bekommen hatte, mein Arbeitslosengeld mitzunehmen, musste ich recht schnell
beim Südtiroler Arbeitsamt vorsprechen. Dieses ist wohl auch zu Einheimischen
rigide, und ich als Migrantin hatte folgende Wahl: „Wir freuen uns, Ihnen
diesen Job anzubieten. Oder Sie gehen wieder zurück nach Deutschland.“

Südtiroler Speck

Südtiroler Speck, hier in Deutschland auch Schinken genannt,
hat eine besondere und starke Räucherung. Dies bemerkte ich bereits zwei Tage
später, als ich die gekühlte Werkshalle betrat, in der ich die nächsten Monate
verbringen würde.

Eingesetzt war ich im Picking, das heißt, ich packte am
Fließband Speck in Kartons. Das ist keine qualifizierte Arbeit, das macht
keinen großen Spaß (besonders, wenn die Kolleg*innen einem das Leben schwer
machen) und auf der Karriereleiter nach oben bringt es einen auch nicht.

Was unqualifizierte
Arbeit im Ausland trotzdem bringt

Im Nachhinein kann ich trotzdem mit einem liebevollen Blick
auf die Zeit zurückschauen. Südtirol ist landschaftlich wunderschön, mein
damaliger Freund und ich waren uns nah wie nie zuvor, ich habe eine meiner
besten Freundinnen dort kennengelernt. Außerdem ist die Anfangszeit auf dem
Zeltplatz – im September – immer eine Anekdote wert.

Und auch für meinen späteren Berufsweg hat sich diese Lücke
in der pädagogischen Arbeit als gewinnbringend herausgestellt. Ich beweise
durch diesen Job Durchhaltevermögen, Bereitschaft zu ungewöhnlichen Arbeitszeiten
und –aufträgen. Und durch die Erfahrung, Ausländerin zu sein, vertiefte ich
meine interkulturelle Kompetenz.

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