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Valentinstag – ein bisschen Tradition ist vielleicht gar nicht so schlecht

Wäre ja noch schöner, wenn uns die Blumenindustrie vorschreiben würde, wann wir romantisch sein sollen. Unsere Kolumnistin Nathalie Weidenfeld über das Für und Wider einer Tradition.

Verordnete Romantik

Valentinstag. Mein Mann ist zur Arbeit gegangen. Nachher wird er wieder zurückkommen. Wir werden essen und uns erzählen, wie unser Tag war. Dass heute Valentinstag ist, wird daran nicht im Geringsten etwas ändern. Sollen doch die anderen Männer mit überteuerten Blumen vor der Tür stehen und etwas verlegen „Schatz, ich hab was für dich“ murmeln und verkrumpelte Pralinenschachtel überreichen. Wär ja noch schöner, wenn wir uns von der Blumenindustrie vorschreiben lassen würden, wann wir romantisch zu sein haben. Und dann diese implizite patriachale Gender-Ordnung. Der Mann schenkt, die Frau empfängt. Du lieber Himmel. Wenn die Emanzipation eines gezeigt hat, dann ist es das, dass wir in der Lage, selbst mit dem Auto zu einem verdammten Blumengeschäft zu fahren um uns Blumen zu kaufen, wenn uns der Sinn danach steht. Oder sogar selbst Blumen an einen Mann unserer Wahl zu verschenken. Für eine emanzipierte Frau von heute ist gerade zu Pflicht, mit diesen reaktionären Traditionen zu brechen. Da lobe ich mir doch die Valentins-Tradition im alten Rom. Dort  gab es am 14. Februar eine Art Liebseslotterie, bei der Paare einfach per Zufall zusammengewürfelt wurden. Das nenne ich einen progessiv-subversiven Akt! Nieder mit der bürgerlichen Romantik der Kleinfamilie!

Um 20.30 Uhr ist mein Mann immer noch nicht zurück. Ob er immer noch im Büro ist? Wir wollten doch zusammen zu Abend essen … Ich rufe an. Aber niemand geht ran. So ein Mist, denke ich. Ob ihm eine emanzipierte Frau, die einen progessiv-subversiven Akt begehen wollte, Blumen geschenkt hat und ihn anschießend zum Essen eingeladen hat? Aber das hätte er doch vorher wenigstens Bescheid gesagt, oder? Und wenn er an einer neu aufgelegten römischen Lotterie mitgemacht hat? Möglicherweise wurde er einer jungen hübschen Römerin zugeteilt und ist jetzt bereits auf dem Weg zum Nachtzug nach Italien. Die römische Sitte verlangte, dass das Lotterie-Liebespaar genau ein Jahr zusammenbleibt. Ein Jahr ohne meinen Mann? Die Italienerinnen kochen doch so gut, am Ende bleibt er noch da. Ich will nicht, dass er nach Rom geht! Ich schaue auf die Uhr. 21.15. Wenn ich mich recht erinnere, fährt der Nachtzug nach Rom um 22 Uhr. Wenn ich mich beeile kann ich es noch schaffen. 

Plötzlich klingelt es an der Tür. Ich schrecke zusammen, mache auf. Mein Mann steht vor der Tür. Ich starre ihn an.

„Ich weiß wir feiern ja nicht Valentinstag, aber was soll’s“, sagt er. Dann holt er verlegen eine überteuerte Rose und eine verkrumpelte Pralinenschachtel hervor.

Wir dürfen wir nicht vergessen, dass das alte Rom irgendwann an Kinderlosigkeit zugrunde gegangen ist. Wenn die Römer ihren Frauen mehr überteuerte Rosen und verkrumpelte Pralinenschachtel überreicht hätten anstatt sich jedes Jahr mit einer anderen zusammenwürfeln zu lassen, wäre das vielleicht nicht passiert.

Ein bisschen Tradition ist vielleicht am Ende doch nicht so schlecht.

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