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Frauen dürfen mit so vielen Menschen schlafen, wie sie wollen – kommt drüber weg!

Warum werden Männer immer wie Helden gefeiert, wenn sie mit der 50. Frau geschlafen haben und wir Frauen müssen uns stets dafür rechtfertigen, dass wir mehr als sechs Sexualpartner im Leben hatten?

 

Auch sexuelle Gleichberechtigung ist ein Kampf

In Zeiten, in denen wir für Gleichberechtigung im Job kämpfen, sollten wir dies auch für unser Sexualleben tun! Woher kommt das Stigma, dass Frauen, die viele Sexualpartner haben, Schlampen seien? Ich begebe mich auf einen Feldforschungstrip im Hamburger Nachtleben …

„Digga, ich sag’s dir! Die Olle ist total die Schlampe. Die hat mit Lukas UND Paul gevögelt. Die würde ich nicht mehr anfassen. Hat jetzt bestimmt irgendeine Krankheit oder so.“ Ich schaue von meinem Drink auf. Soviel Dummheit in einem Atemzug macht mich hellhörig. Auch meine Gesprächspartnerin, die Freundin des Gastgebers der Party, auf der ich mich befinde, schaut sich irritiert nach dem Urheber dieser Aussage um. Schnell ist der Übeltäter ausgemacht, denn er grinst dumm zu uns rüber und ruft: „Ist doch so oder?!“ Ich seufze innerlich.

Noch so ein aufgepumpter Möchtegern-Macker der meint, dass Frauen nicht mindestens genauso viel Spaß und wechselnde Sexualpartner haben dürfen wie Männer. Ich richte mich auf, blicke ihm in die Augen und frage ihn so ruhig und sachlich wie eben nach drei Glas Wein möglich, wo denn da nun genau der Unterschied zwischen Frauen und Männern läge. Denn ganz offensichtlich würden Männer für ihre Errungenschaften gelobt, während wir Frauen uns dafür schämen sollten. Die Antwort ist so einfältig und testosterongeladen wie befürchtet: „Naja, wenn du einen Schlüssel hast, der in jedes Schloss passt, ist das super! Aber wenn jeder Schlüssel in ein Schloss passt, ist das eben kacke!“ Wow. Ich wende mich von dem anscheinend im Mittelalter aufgewachsenen Großkotz ab und schenke mir und dem Mädel gegenüber, vor lauter Entgeisterung ist ihr Mund immer noch fassungslos geöffnet, erstmal einen Pfeffi ein.

Sind wir doch nicht gleichberechtigt?

Leider bin ich nicht die Erste und bestimmt auch nicht die letzte Frau, die mit solch veralteten Meinungsbildern konfrontiert wird. Lange habe ich darüber nachgedacht, ob man sich als Mensch mit einem weiblichen Geschlechtsteil wirklich schlecht fühlen muss, wenn man eine gewisse Anzahl an Sexualpartnern überschritten hat. Schließlich hört man das des öfteren. Aber was ist da überhaupt die magische Zahl? Und was passiert, sobald diese überschritten ist? Und wieso ist das Verhältnis so grundlegend anders zwischen Männern und Frauen?

Zeit genau das heraus zu finden. Ich begebe mich auf Feldforschung. Für den Anfang nehme ich mir meinen Freundeskreis vor, also die Leuten, die ich kenne und deren Meinung ich mir zu diesem Thema bereits vorstellen kann. Trotzdem frage ich noch einmal explizit nach. Das Ergebnis ist wie erwartet. Die meisten Mädels lachen bei der Frage und eine gute Freundin sagt zu dem Thema lediglich: „Wie langweilig wäre mein Leben, wenn ich mich auf fünf Sexualpartner beschränken müsste?“ 

Auch der männliche Teil meiner Freunde reagiert tolerant und offen. Die meisten sind der Ansicht, dass jeder Mensch selbst entscheiden sollte mit wie vielen Leuten er oder sie in seinem Leben schlafen möchte. „Solange ihr verhütet, ist mir alles andere egal.“, wirft einer der unfreiwillig Interviewten nüchtern ein. Gut von meinen Freunden war nichts anderes zu erwarten, schließlich sucht man sich keine Leute, die ein komplett anderes Bild von der Welt haben als man selbst. Aber auch das ist ein zwei schneidiges Schwert.

Raus aus der sexuellen Filterblase 

Weiter geht es also zu Menschen, mit denen ich nicht unbedingt in einen Techno-Club feiern gehen oder über die LGBTQ-Rechte in Deutschland und der Welt debattieren würde. Die Hamburger Reeperbahn bietet sich für diese Art von Recherche optimal an. Betrunkene Jungesellenabschiede, aufgebrezelte Gruppen von Mädchen – perfektes Terrain für mein Vorhaben. Ich schnappe mir also zwei Freundinnen und nach dem ein oder anderen Mexikaner, sprechen wir eine Truppe von vier Jungs an, die ihr Glück kaum fassen können. Schnelle Ernüchterung allerdings, als ich sie mit meiner Frage konfrontiere: Wie viele sind „zu viele“ bei jeweils Frauen oder Männern? Schnell ist sich die Menge einig, dass es für das männliche Geschlecht keine Grenze gibt. „Wir müssen uns doch schliesslich die Hörner abstoßen.“, witzelt einer und erntet dafür zustimmendes grölen seiner Freunde. Aha, die Hörner also. Eine meiner Mitstreiterinnen rollt mit den Augen und gibt mir mit einer Handbewegung zu verstehen, dass sie uns für den Rest der Unterhaltung nochmal was zu trinken besorgt. „Danke”, denke ich mir im Stillen. 

Zurück zur Feldforschung. Wie schaut es für den weiblichen Teil der Gesellschaft aus? Da werden die Jungs auf einmal ruhiger und drucksen schüchtern herum. Man wolle uns nicht vor den Kopf stoßen. Wir sähen auf gar keinen Fall so aus wie „die Sorte Mädchen“, die so etwas machen würde. Als ich nachfrage, was denn mit so etwas gemeint sei, reißt einem der Jungs endgültig der Geduldsfaden. Ihm ist wohl klar geworden, dass keine von uns heute mit ihm ins Bett geht. Wie ironisch: „Naja rumhuren eben. Mal ehrlich wer will denn schon mit einer eine ernsthafte Beziehung führen, die schon mit über zehn Jungs geschlafen hat? Die hatte ja dann schon jeder. Also ich würde das nicht machen!“ Tada, da habe ich endlich die erste Zahl und eine klare Meinung noch dazu. Wir bedanken uns höflich und ziehen weiter.

Und wie ist das Selbstbild der Frauen?

Zu unserem Glück treffen wir nur zwei Bars weiter eine Gruppe von fünf Mädels, die einen 20. Geburtstag zelebrieren wollen. Mittlerweile gut angetrunken, gehe ich direkt in die Vollen. Auch hier wieder die Frage: Gibt es für euch ein Limit? Die Mädels kichern wie eine 6. Klasse, die zum ersten Mal Sexualkunde in der Schule hat. Irgendwann einigen sie sich dann auf eine Zahl. Sieben sei schon so das Höchstmaß. Meine Komplizinnen und ich sind geschockt, verbergen es jedoch gut. Wir hatten eigentlich nicht damit gerechnet, dass von weiblicher Seite eine Grenze genannt wird. 

Leicht belustigt stelle ich die Frage, woher denn diese Zahl käme. Das Geburtstagskind äußert sich: „Sonst bekommt man doch keinen Mann mehr ab. Kennt ihr noch Alina aus der Schule? Jeder weiß, dass sie die Dorfmatratze ist und deshalb findet sie auch keinen Freund. Alle lästern doch hinter ihrem Rücken nur über sie ab!“ Arme Alina. Sie hat wahrscheinlich in ihrem Leben schon mehr Spaß gehabt als all diese Girlies zusammen und wird trotzdem mit Hohn gestraft. Letzte Frage des Abends: „Und die Jungs? Wo liegt da für euch das Limit?” Auch hier eine schnelle Antwort. Da gäbe es keine. Die müssten schließlich Erfahrungen sammeln, um später ihre Auserwählte glücklich zu machen! Danach läuft irgendein Song von Calvin Harris und die Gruppe rennt kreischend auf die Tanzfläche.

Die Gesellschaft hat ein Problem 

Nächster Tag. Ich mache mir erstmal Kaffee, Bacon und Eggs und zwei Aspirin fertig und lasse den letzten Abend Revue passieren. Sowohl die männlichen als auch weiblichen Befragten sind sich einig, dass es für Frauen eine Grenze der Sexualpartner geben sollte. Männer wiederum dürfen sich uneingeschränkt ausleben. Okay, zwar basieren diese Ergebnisse auf angetrunkenen Gesprächen auf dem berühmten Hamburger Berg, aber ich denke mein Punkt wird hier deutlich. Denn leider sind es nicht nur die beiden Gruppen die ich befragt habe, die so denken. Eine Vielzahl an Leuten teilt die selbe Meinung. 

Ist das fair? Sicher nicht. Und ist das Quatsch? Auf jeden Fall! Wenn man sich die Aussagen noch einmal anschaut sieht man, dass es für diesen drastischen Kontrast zwischen den beiden Geschlechtern nur einen einzigen Grund zu geben scheint: Am besten sollte eine Frau rein und unbeschmutzt in die Ehe oder zumindest eine Partnerschaft gehen, damit der Mann etwas bekommt, dass sonst noch kein anderer hatte. Was die Frauen hierbei wollen, bleibt völlig auf der Strecke. Und das meine Lieben ist Frauenfeindlichkeit auf höchsten Niveau.

Es gibt keine richtige Zahl. Gut ist, was sich gut anfühlt!

Wir kämpfen seit Jahren für die Gleichberechtigung der Frauen. Wir wollen die selben Aufstiegschancen haben wie Männer, nicht schlechter bezahlt werden und wir wollen mehr sein als nur Armcandy von irgendeinem Kerl. Frauen wollen endlich ernstgenommen werden. Aber warum zur Hölle sind so viele Frauen immer noch unglaublich abhängig von der Meinung der Männer, wenn es um das Thema Sex geht? Warum können wir der CEO irgendeiner riesigen Firma sein, in High Heels und Cartier Colier unsere Mitarbeiter zurechtweisen, aber sobald es um Sex geht, dürfen wir nicht mehr das tun, was uns gefällt und fügen uns dem ganzen sogar noch brav? Denn sonst, Gott möge bewahren, mag uns vielleicht ein gewisser Teil der testosterongeladenen Gesellschaft nicht. Nicht auszudenken, wenn wir nachher nicht geehelicht werden, nur weil wir aus Versehen mit sechs Männern geschlafen haben, die Toleranzzahl allerdings bei fünf lag! Idiotisch wenn ihr mich fragt.

Liebe Frauen, Mädels und ja auch Mädchen, schreibt es euch hinter die Ohren, in den schicken Kalender oder das iPad:  Wir sind schon so weit gekommen und lassen uns so gut wie nichts mehr von anderen Leute diktieren, egal ob Mann, Frau oder irgendwas dazwischen. Niemand kann euch sagen, wie ihr mit eurem Körper umzugehen habt und mit wem ihr diesen teilen möchtet. Ihr hattet in eurem Leben drei Sexualpartner und der oder die dritte passte einfach perfekt? Top! Ihr habt aufgehört zu zählen und ein Bund fürs Leben ist eh nicht so euer Ding? Auch Top! Jeder Mensch, der meint euch erzählen zu können, wie und mit wem ihr eure Sexualität auszuleben habt, ist ein Hinterwäldler und kann getrost aus eurem Leben gestrichen werden. Gleichberechtigung für alle, das bedeutet es Feministin zu sein – auch im sexuellen Bereich!

Ich möchte gerne mit einem der Lieblingssätze meiner Mutter schließen: „Kind, nimm dir die Männer pfundweise. Probieren geht über studieren.“ Meine Mutti war ein sehr weise Frau und sie wäre sicher stolz zu sehen, dass ich nicht die einzige bin, die nach diesem Konzept lebt. Danke Mama!

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