Der Mythos vom perfekten Mentor, der einer Karriere den entscheidenden Schub geben kann, hält sich. Warum das für heutige Berufswege nicht immer das Beste ist und welche Alternativen es gibt.
Der Run auf die Mentoren
Die Bedeutung von Mentorinnen und Mentoren für den eigenen Berufsweg ist unbestritten hoch: Sie öffnen Türen, kritisieren konstruktiv und machen Mut, teilen ihre Erfahrung und helfen damit beim persönlichen Wachstum. Wer einen Mentor sucht, ist damit außerdem nicht allein. Die Nachfrage ist so groß, dass in den letzten Jahren immer mehr von professionelle Mentoring-Angebote entstanden sind: angeboten von Unternehmen selbst, von Berufsverbänden, Stiftungen oder reinen Mentoring-Programmen wie der Organisation MentorMe, die als Angebot für Geisteswissenschaftlerinnen begann und nun Studentinnen und Absolventinnen aller Fachrichtungen mit passenden Mentorinnen matcht. Sie ergänzen die lange bestehenden informellen Mentoring-Beziehungen, die diejenigen bevorzugen, die ohnehin schon über gute Netzwerke verfügen oder leichter Zugang zu erfahrenen Kollegen bekommen, weil sie ihnen ähnlich sind.
Über die Programme wird zum einen bei Menschen, die am Anfang ihrer Karriere stehen, Bewusstsein dafür geschaffen, wie wertvoll eine Mentor sein kann: ,Du musst es nicht allein schaffen‘, ,Der Weg nach oben führt nicht über Ellbogen‘. Zum anderen zeigt sich aber auch: Es gibt nicht genügend Mentorinnen und Mentoren für alle. In Bewerbungsverfahren wird einerseits die Motivation abgeprüft und ob Mentee und Mentor zusammenpassen, auf der anderen Seite werden so die begrenzten Plätze vergeben. Was machen nun die, die leer ausgehen, die in jungen Unternehmen wie Startups arbeiten, bei denen Mitarbeiter sehr ähnliche Berufserfahrung haben, oder in deren Branchen die Möglichkeiten nicht da sind?
Peer-to-Peer-Mentoring
Die gute Nachricht ist: Es gibt für deinen Berufsweg nicht den einen perfekten Mentor, den einen oder keinen, der der eigenen Karriere den entscheidenden Schub geben kann. Wenn kein geeigneter Mentor in Sichtweite ist, muss man die Suche erweitern und das Konzept des Mentorings außerdem neu angehen. Das klassische One-to-one-Mentoring ist ohnehin ein begrenztes Modell. Denn: Warum nicht von vielen Menschen lernen, wenn dazu die Möglichkeit besteht?
Ein guter Anfang kann sein, sich schlicht von einem Kommilitonen, einer Kollegin oder einem Freund als Mentor begleiten zu lassen. Es muss nicht immer die Person sein, die zwei Jahrzehnte mehr Berufserfahrung hat. Aus mehreren Freundinnen, Kollegen oder anderen beruflichen Kontakten kann man zudem eine Peer-to-Peer-Mentoring-Gruppe organisieren, auch bekannt als „Mastermind-Gruppe“, die sich regelmäßig trifft. In solch einer Gruppe kann man gemeinsam nach Lösungen suchen, sich unterstützen aber sich auch gegenseitig überprüfen, ob bestimmte Ziele erreicht wurden. Denn: Wenn ich einer anderen Person zusage, bis zu einem bestimmten Datum beispielsweise ein Vortragskonzept zu erstellen, fällt es vielen leichter, das auch zu tun und den Termin einzureichen. Mastermind-Gruppen dienen nicht nur dem Netzwerken und Dazulernen, sondern auch der Motivation.
Die Autorin Dorie Clark schlägt außerdem das Konzept „mentor board of directors“ vor, das, anders als die Mastermind-Gruppe keine feste Institution ist, sondern dein persönliches Mentoring-Konzept, das anerkennt, dass es den einen Mentor nicht gibt. Die Aufgabe hier ist, die eigenen Lernziele auf unterschiedliche Vorbilder aufzusplitten und diese Personen als Mentoren für einzelne Bereiche zu verstehen. All das Wissen, was berufliche Entwicklungen heute brauchen, kann kaum noch von einer Person allein vermittelt werden.
Doch wie bekommt man Zugang zu den Personen, von denen man lernen möchte? Einige wenige Branchenkoryphäen, Führungskräfte und Vorbilder treffen auf viele Menschen, die sich ein Mentoring wünschen. Selbst das Konzept des „Mentor Board of Directors“, das die Mentoren-Beziehung lockerer versteht und nur punktuellen Austausch erfordert, kann nicht jede Person zu einer Beziehung mit den für sie idealen Mentorinnen und Mentoren versorgen. Wissen und Netzwerke sind nach wie vor eine exklusive Angelegenheit, die für viele kaum zu erreichen sind – aus so simplen Gründen wie ihrem Wohnort. Während sich zum Beispiel in Berlin jeden Tag Gelegenheiten finden, real zu netzwerken und spannende Vorträge zu besuchen, haben Fachkräfte und Manager, die in ländlichen Regionen arbeiten, diese Gelegenheit seltener, genauso wie Eltern, die seltener Abendtermine wahrnehmen können. Viele Fortbildungen sind zudem so teuer, dass sie nur diejenigen erreichen, die schon jetzt gut verdienen oder in Unternehmen arbeiten, die ihren Angestellten teure Fortbildungen bezahlen.
Wie man Wissen zugänglich macht
Mit der „Female Future Force Academy“ will EDITION F in dieser Nische ein neues Angebot schaffen: Exklusives Wissen wollen wir vielen Menschen zugänglich machen, damit daraus neue Möglichkeiten erwachsen, sich beruflich und persönlich zu entwickeln. Und das zu einem Preis, der schon für Menschen in der Ausbildung erschwinglich ist und auch kleinere Unternehmen für ihre Mitarbeiter finanzieren können. Das digitale Coaching-Programm, das über ein Jahr laufen wird, ist dabei auf die ganzheitlichen Anforderungen der sich wandelnden Berufswelt abgestimmt. Wir haben das Konzept des „Mentor Board of Directors“ angewandt, um ein vielschichtiges Programm zu gestalten, in dem 52 Persönlichkeiten ihr Wissen weiterreichen und Mini-Mentorings Impulse für ein umfassendes persönliches und berufliches Wachstum geben. Kreativtechniken, Stressmanagement und gesellschaftliches Engagement gehören dabei genauso dazu wie Leadership-Skills, Verhandlungstechniken und digitale Kompetenzen.
Die Sichtweise, dass Mentoring heute bedeutet, viele Mentorinnen und Mentoren zu haben, hilft auch dabei, das klassische Verständnis davon aufzubrechen, das diese Funktion oft in älteren Personen verankert sieht. Wichtige Skills, die du erlernen möchtest, haben vielleicht sogar eher jüngere Kollegen – ein Grund, warum Co-Mentoring im beruflichen Kontext immer häufiger anzutreffen ist, da ältere Kollegen zum Beispiel von digital-fitten Jüngeren profitieren können. Denn wer tragfähige Mentoring-Beziehungen aufbauen will, sollte eines wissen: Die Beziehung sollte beiden Beteiligten einen Nutzen bringen.
Sich für das Konzept der vielen Mentoren zu entscheiden, ist außerdem der erste Schritt zum persönlichen Wachstum: Du kannst heute schon selbst Mentor sein. Egal, ob du noch kein graues Haar hast und oder kein „Senior“ im Titel trägst. Also werde dir deiner Fähigkeiten bewusst und gib sie an die Mentoren zurück, die dich in anderen Bereichen stark machen. Wenn wir uns alle als Mentoren verstehen, schaffen wir eine Berufswelt und Gesellschaft, die mehr Menschen dabei unterstützt, ihre Talente zu nutzen und Ideen zu realisieren.
Dieser Text von Teresa ist zuerst in ihrem XING-Insider-Profil erschienen. Hier könnt ihr EDITION F bei XING folgen.
Hier findet ihr alle Infos zur Female Future Force: www.femalefutureforce.com
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