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Warum es in der Digital-Wirtschaft ein Bonus ist, eine Frau zu sein

Raffaela Rein, die Frau, die auf einer Podiumsdiskussion solange vom Moderator ignoriert wurde, bis Sigmar Gabriel einschritt. Bei uns erklärt sie, warum sie als Frau in der Digital-Wirtschaft einen Bonus hat und welche Verantwortung das für sie nach sich zieht.

 

Die Digital-Wirtschaft hat ein Frauenproblem

Nach meinem Empfinden hinkt Deutschland weit zurück, wenn es um Geschlechter-Gerechtigkeit geht. Nur 13 Prozent aller Gründer sind Frauen, es gibt verhältnismäßig wenige weibliche Führungskräfte; und auch wenn das Thema medial eine zunehmend größere Rolle spielt, ist es doch unterrepräsentiert, im Vergleich zu Großbritannien oder den USA anschaut. Werden arbeitende Mütter thematisiert, kommt nicht selten der Vorwurf auf, das Kind werde vernachlässigt. Speziell in meinem Umfeld, der Startup-Industrie, dominieren junge Männer.

Die unlängst beschlossene gesetzliche Frauenquote ist – und das ist nur meine persönliche Meinung – die schlimmste Entscheidung hinsichtlich der Gleichstellung der Frau. Wie schlimm muss es um uns Frauen stehen, dass uns nur noch ein Gesetz helfen kann? Dass wir einen Zwang einführen müssen?

Auch wenn es so klingt, als würde ich mich beschweren, mir geht es gut dabei – mir persönlich. Ich bin mir sicher, dass es viele Leidtragende gibt, aber nicht unbedingt mich. In Anbetracht der Tatsache, dass es eben nicht viele Frauen in der Gründerszene gibt, werde ich oft eingeladen, um DIE Frau auf dem Podium zu sein oder um die weibliche Perspektive zum Besten zu geben. Nicht als Quotenfrau, sondern weil es in meinem Umfeld einfach vergleichsweise wenig Frauen gibt die man einladen könnte, die einen spannenden Beiträge liefern. Natürlich hoffe ich, dass sich das bald ändert. Darum richte ich in meinen Vorträgen auch immer den Appel an junge Frauen, jetzt aktiv zu werden und zu gründen. Solange es das Ungleichgewicht gibt, profitieren wir davon. Die Aufmerksamkeit verteilt sich auf einige wenige (weil es eben nicht viele gibt), und das nutzt in der Gründungsphase enorm.

Der Mangel an Frauen mindert nicht die Leistung derer, die da sind

Unlängst war ich zum IT-Gipfel in Saarbrücken eingeladen. Ich hatte das Vergnügen und die Ehre, auf dem Podium mit den Bundesministern Sigmar Gabriel, Johanna Wanka und Alexander Dobrindt sowie Timotheus Höttges (Telekom), Siegfried Russwurm (Siemens), Jörg Hofmann (IG Metall) und Susanne Klatten (UnternehmerTum) über Industrie 4.0 diskutieren zu dürfen. Ich denke nicht, dass ich als Quotenfrau, sondern als Vertreterin eingeladen wurde, da mein Startup thematisch gut passte: digitale Bildung.

Der Moderator stellte seine Fragen, und je mehr Zeit verging, desto unruhiger wurde es im Publikum. Grund dafür: Die Frauen kamen gar nicht zu Wort. Die Fragen richteten sich ausschließlich an die Männer. Sigmar Gabriel war dann derjenige, der das Wort ergriff und meinte, dass er keine weiteren Fragen beantworten würde – solange die Frauen auf dem Podium gar nicht zu Wort kämen. Als wir Frauen dann endlich gefragt wurden,  hatte ich das Gefühl, dass der Applaus, den ich für meine Aussagen erntete, wärmer und umfangreicher ausfiel.

Wirklich spannend war die Nachberichterstattung. Viele Artikel widmeten sich diesem Skandälchen in ihrer Berichterstattung vom IT-Gipfel. Auch auf Twitter ging es vor allem um diesen Vorfall. Und plötzlich merkte ich, wie medial präsent das Thema „Gleichstellung der Frau“ im Einzelfall sein kann. Durch diese Erfahrung habe ich das Gefühl, dass wir Deutschen in der Gender-Debatte doch vielleicht weiter sind, als ich es immer gedacht habe. Wenn Männer um die 50 Frauen ins Scheinwerferlicht rücken, dann ist das ein super Zeichen.

Eine erfreuliche Entwicklung zeichnet sich ab

Deutschland steht im Wandel. Gleichberechtigung ist doch nicht nur ein Thema, über das geredet wird, es passiert tatsächlich etwas. Es ist ein Thema, das wohl doch ins tiefere Bewusstsein gerutscht ist – und genau dort muss es auch sitzen, um wirkliche Veränderung zu bewirken. Das erklärte Ziel muss es sein, eine solche Begeisterung im Bewusstsein für Frauen in Führungspositionen zu schaffen, dass es bald heißen wird: Lass uns doch mal bitte auch die Männer zu Wort kommen lassen.

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