Was muss ich beachten, wenn ich 2016 einen neuen Job finden will? Stefan Scheller ist Experte für Personalmarketing und sagt, was er für wirklich wichtig hält.
85 Prozent im falschen Job?
Wenn ich Befragungen zur Arbeitnehmerzufriedenheit in Deutschland lese, wundere ich
mich immer wieder, wie leidensfähig Menschen in Bezug auf ihren Job sein können.
Neben den 15 Prozent, die beispielsweise laut einer GallupStudie 2015 keinerlei
Bindung zu ihrem Arbeitgeber verspüren, kommen 70 Prozent, die nur eine geringe
Bindung haben und Dienst nach Vorschrift leisten.
Übersetzt heißt das doch, dass fast 85 Prozent der Arbeitnehmer den falschen Job
haben. Zumindest, wenn man Jobzufriedenheit als ein wichtiges Lebensziel betrachtet, so
wie ich das tue.
Was hilft also gegen den Jobfrust? Genau: Die Suche nach einem geeigneteren und in
diesem Sinne besseren Arbeitsplatz. Aber wie findet und bekommt man den eigentlich?
Dazu möchte ich euch ein paar Einblicke aus der Sicht eines HR-Praktikers und
Szenekenners geben – als eine Art Impuls zur eigenen Veränderung.
Was also solltest du wissen, wenn du dich im Jahr 2016 bewirbst?
Um es einfach zu halten, beschränke ich mich auf vier Tipps, die ich für besonders
hilfreich erachte:
1. Lerne dich selbst besser kennen
Ich weiß, es klingt ein wenig nach den abgedroschenen Fragen im Bewerbungsgespräch
á la „Was sind Ihre Stärken und Schwächen?“, die tatsächlich noch immer häufig
Verwendung finden. Allerdings steckt hinter meinem Tipp wesentlich mehr.
Du willst einen Job finden, der dich glücklich macht, bei dem du Spaß hast; also musst du
dir erst einmal klarmachen, was du genau darunter verstehst. Und dabei solltest du es
nicht bei platten Aussagen wie „Ich will ein angenehmes Umfeld und ein nettes Team“
belassen. Das sind oberflächliche Antworten, die dir bei deiner Suche nicht helfen
werden. Ganz einfach deswegen, weil „angenehm“ für jeden anders sein kann:
Die eine geht morgens schnurstracks an den Arbeitsplatz, schaltet den PC ein und
genießt die arbeitsame Atmosphäre im stillen Büro.
Die andere möchte mit den Kollegen
erst einmal bei einem Kaffee vom Wochenende berichten oder sich über den neusten
Flurfunk austauschen und netzwerken, bevor es losgeht. Konkretisiere für dich also sehr
genau, was du als „angenehm“ empfindest.
Gleiches gilt für deine bevorzugten Tätigkeiten. Macht dir das Arbeiten in ExcelTabellen
wirklich Spaß? Willst du vielleicht lieber deine Kommunikationskünste beim Formulieren
von Texten weiter voranbringen und den Großteil des Arbeitstages mit Menschen
kommunizieren?
Wichtig bei der Beantwortung dieser Fragen ist aus meiner Sicht, dass du dich tatsächlich
im Schritt 1 nur an deinen Arbeitspräferenzen orientierst und erst danach an deinen
Stärken und Schwächen. Eine zu starke Fokussierung auf das, was du bereits heute gut
kannst oder nicht kannst, hemmt dich bei der angestrebten Veränderung und lenkt dich
ab von deinem Ziel, nämlich Arbeitszufriedenheit. Denn die hängt in erster Linie vom
„Wollen“ ab, erst dann vom „Können“.
2. Passung prüfen
Hast du dir schon darüber Gedanken gemacht, welche unterschiedlichen
Unternehmenstypen es gibt? Klar, natürlich kennst du die Unterschiede zwischen
internationalen Großkonzernen, Mittelständlern und Kleinbetrieben mit all den Vorteilen
und Nachteilen, die die jeweilige Unternehmensgröße mit sich bringt.
Aber geh doch mal ein paar Schritte weiter: Unternehmen geben zunehmend Geld aus
für den Aufbau ihrer Arbeitgebermarke. Diese soll eine Abgrenzung des eigenen
Unternehmens von anderen Marktteilnehmern bieten. Dabei werden Aussagen getroffen
über die Werte des Unternehmens, seinen Umgang mit den Mitarbeitern sowie die
jeweiligen Arbeitswelten.
Außerdem erfährst du bei der intensiven Beschäftigung mit einer Arbeitgebermarke sehr
schnell, welcher Typus Mitarbeiterin dort gesucht wird. Ob jemand zum Unternehmen
passt, überprüfen die Recruiter der Personalabteilung gleich beim Sichten der
Bewerbungsunterlagen – neben der Frage, ob jemand zur ausgeschriebenen Stelle
passt. Deshalb solltest du unbedingt in deinem Anschreiben darauf Bezug nehmen und
erklären, warum du dich gerade bei diesem Unternehmen bewirbst.
3. Authentisch bleiben
Das führt uns wunderbar zum dritten Punkt: Authentizität.
Gehen wir noch einmal kurz zurück zur oben genannten Gallup-Studie: Woher rührt der
hohe Wert bei der Unzufriedenheit im Job? Einerseits sind dort sicher Effekte wirksam,
bei denen Mitarbeiter aus ihrem Job quasi herauswachsen und Gewöhnung, Routine und
Alltag die Begeisterung für die eigene Arbeit mehr und mehr trüben.
Allerdings behaupte ich, dass auch der klassische Bewerbungsprozess mittlerweile zu
einer systematischen Fehlentwicklung im Bereich Passung und Jobzufriedenheit führen
kann. Dies liegt am von mir oft als „Bewerbungsshow“ bezeichneten Verhalten beider
Seiten (Bewerber und Unternehmen).
Bewerber versuchen (vermeintlich gestärkt durch unzählige Bewerbungsratgeber, Tipps
und sonstiger Ratschläge) die „optimale“ Bewerbung zu kreieren. Dabei rennen sie oft
einem angeblichen Standard hinterher, den es aber in dieser Form nicht gibt. Genau wie
die Unternehmen höchst unterschiedliche Arbeitgebermarken besitzen, so unterschiedlich
dürfen und sollten die Bewerbungen sein.
Verstellen sich Bewerber zu sehr, läuft die
Prüfung der Passung fehl und sie finden sich am Ende in einem Unternehmen wieder, zu
dem sie eigentlich nicht passen.
Zurück zu unseren Beispiel Unternehmen: Im internationalen Umfeld wird das Sprechen
von drei oder mehr Fremdsprachen zu einem zentralen Erfolgskriterium deiner
Bewerbung. Umgekehrt kann das Herausstellen dieser Vielsprachigkeit in der Bewerbung
bei einem rein national aufgestellten Unternehmen eher gegenteilig wirken. Neben dem
Stichwort „überqualifiziert“ spielt möglicherweise die mangelnde Passung bei der
Entscheidung über die Bewerbung eine Rolle. Die Frage, die sich den Recruitern stellt:
„Wird jemand, der vier Fremdsprachen beherrscht und diese weiter aktiv sprechen
möchte, bei uns im Unternehmen langfristig glücklich?“
Damit möchte ich ein deutliches Statement abgeben: „Bleibe authentisch!“. Versuch auf
keinen Fall, Bewerbungstipps im Internet ungefiltert für dich zu übernehmen. Abgesehen
vielleicht von Klassikern wie „Vermeiden Sie Rechtschreibfehler“ oder sonstige
Banalitäten, die der Bezeichnung „Tipp“ eigentlich gar nicht würdig sind.
Zum Thema „authentisch sein“ gehört übrigens das Stehen zum eigenen Geschlecht. Viele Unternehmen legen mittlerweile sehr viel Wert auf Diversity und lernen
die Unterschiedlichkeit von Männern und Frauen zu schätzen.
Akzeptiert ein Unternehmen nicht, wie du bist, sondern zwingt dich, dich zu verstellen,
dann ist das definitiv nicht dein Unternehmen – zumindest nicht für lange Zeit!
4. Pflege deine Social-Media-Profile
Abschließend ein ganz pragmatischer Tipp: Pflege deine Social-Media-Profile, im DACH-Raum (Deutschland/Österreich/Schweiz) insbesondere dein XING-Profil. Recruiter in
Unternehmen gehen zunehmend dazu über, aktiv zu rekrutieren, also vermeintlich
passende Bewerber über ihr Social-Media-Profil zu identifizieren und anzusprechen. Hier
liegen große Chancen für dich, ohne großen Aufwand gefunden zu werden.
Stefan Scheller bloggt kritisch zu seinen Herzblut-Themen Employer Branding, Personalmarketing und Recruiting.
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